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Bis zu 2.000 Babys werden jährlich von ukrainischen Leihmüttern für ausländische Paare geboren.

Foto: STANDARD / Getty

Der Traum vom eigenen Kind kostet zwischen 40.000 und 65.000 Euro. Zumindest dann, wenn sich Paare mit unerfülltem Kinderwunsch für ein Paket der ukrainischen Kinderwunschklinik Biotexcom entscheiden. Standard, Standard+ und VIP heißen die Angebote, jedes davon ist mit Fotos eines schläfrigen Babys in den Armen einer dunkelgelockten Frau bebildert.

Das VIP-Paket umfasst die Dienste einer Leihmutter, alle notwendigen Untersuchungen und die Möglichkeit, das Geschlecht des Babys auszuwählen. Auch Babysitter für das Neugeborene und eine Unterkunft für die Wunscheltern in der Ukraine sind inkludiert. Doch entscheidend dürfte der erlösende Satz sein, der in der Auflistung an erster Stelle steht: "Wir werden es versuchen, bis sie ein Baby bekommen."

Österreichisches Kind, ukrainische Leihmutter

Es ist diese "Babygarantie", die jährlich tausende Paare mit unerfülltem Kinderwunsch in die Ukraine führt. Das Land hat eines der liberalsten Leihmutterschaftsgesetze in Europa: Seit zwanzig Jahren ist die kommerzielle Leihmutterschaft in Kombination mit Ei- und Samenspenden dort legal. Sie gilt als "Methode zur Behandlung von Unfruchtbarkeit" und steht allen heterosexuellen, verheirateten Paaren offen, die selbst keine Kinder bekommen können. Nach dem ukrainischen Familiengesetzbuch gelten sie als Eltern ihres Kindes, nicht die Leihmutter. Gänzlich anders ist die Rechtslage in Österreich: Hier ist die Leihmutterschaft verboten. Als Mutter eines Kindes gilt immer die Frau, die es geboren hat.

Für österreichische Paare, die an einer Leihmutterschaft interessiert sind, ist die Ukraine daher ein beliebtes Ziel. In der österreichischen Botschaft in Kiew wurden im vergangenen Jahr Pässe für rund ein Dutzend durch Leihmutterschaft geborene Kinder ausgestellt, heißt es aus dem Außenministerium. Schätzungen zufolge werden in der Ukraine jährlich bis zu 2.000 Kinder für ausländische Wunscheltern ausgetragen. Die Hälfte von ihnen wird laut Eigenangaben von Leihmüttern des Unternehmens Biotexcom geboren. Etwa ein Viertel dessen Kunden stammen aus dem deutschsprachigen Raum.

Ein Kind, drei Mütter

In den meisten Fällen wird der Kinderwunsch erfüllt, indem die Eizelle einer Spenderin mit dem Samen des Wunschvaters künstlich befruchtet wird. Der daraus entstandene Embryo wird einer Leihmutter eingesetzt, die das Kind austrägt. Ein so gezeugtes Kind hat drei Mütter: Eine genetische, eine austragende und eine soziale. Die meisten Kliniken haben eigene Datenbanken, aus denen die Wunscheltern eine Eizellspenderin aussuchen können.

Die Klinik Biotexcom preist ihre Spenderinnen als "jung, attraktiv" und "mehrheitlich weiß" an. Die Klinik der "Feskov Human Reproduction Group" wirbt hingegen mit der Vielfalt ihrer Spenderinnen: Auch die Wünsche schwarzer, ostasiatischer oder indischer Paare könnten erfüllt werden. Viele Paare wollen, dass die Spenderin der Wunschmutter möglichst ähnlich sieht – und die künftigen Kinder damit auch.

Für eine Eizellspende erhalten die jungen Frauen niedrige Tausenderbeträge. Dafür werden ihnen Hormone gespritzt, die mehrere Eizellen gleichzeitig reifen lassen. Diese werden anschließend bei einer Punktion mittels Nadel über die Vagina entnommen. Häufig ist die Zahl der möglichen Spenden begrenzt: "Um den Mädchen keinen Schaden zuzufügen, wird die Stimulation der Spenderin nicht mehr als sechs Mal durchgeführt", so die Feskov Group. Zudem würden Aufzeichnungen darüber geführt, wie viele genetische Kinder derselben Spenderin in welcher Region leben würden, um unwissentliche Geschwisterehen auszuschließen.

Fremde Kinder gebären, um die eigenen zu ernähren

Für Leihmütter gelten ähnliche Anforderungen wie für Eizellspenderinnen: Sie müssen jung, gesund und unverheiratet sein. Als Nachweis ihrer Fruchtbarkeit müssen sie außerdem schon ein eigenes Kind zur Welt gebracht haben. Dahinter steckt Kalkül: Viele der Frauen sind Alleinerzieherinnen, die das Gehalt brauchen, um ihre eigenen Kinder zu versorgen. Dass das den Klinikbetreibern bewusst ist, zeigt ein Absatz auf der Website der Feskov Group. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass eine Leihmutter versuche, das Kind zu behalten, ist dort zu lesen. Denn die Frauen würden ja am Programm teilnehmen, weil sie das Geld bräuchten – es sei ihnen finanziell also gar nicht möglich, noch ein Kind selbst aufzuziehen.

Dafür, dass die Frauen die Kinder der Wunscheltern austragen und gebären, erhalten sie bei Biotexcom mindestens 16.000 Euro. Das entspricht drei ukrainischen Jahresgehältern. Die Summe soll auch die vielfältigen Risiken abdecken, die die Leihmütter auf sich nehmen: Die Möglichkeit von Früh- und Fehlgeburten, Erkrankungen während der Schwangerschaft und Komplikationen unter der Geburt. Leihmütter leiden öfter als andere Schwangere an Präeklampsie, also gefährlich erhöhtem Blutdruck. Ihr Immunsystem erkennt, dass der Fötus ihnen genetisch fremd ist. "Das kann man sich wie eine Abwehrreaktion vorstellen", sagt Marion Neumayer, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Graz. Auch das Risiko für Frühgeburten sei darum bei Leihmüttern erhöht.

Die Frauen erhalten ihren Lohn zumeist gestaffelt: Jeweils einen Teil nach bestimmten Stadien der Schwangerschaft, den größten Teil nach der Geburt. Verliert eine Leihmutter das Kind, enthält sie von der Klinik eine geringere finanzielle Entschädigung. Diese ist im Preis vieler Kinderwunschpakete von vornherein mit einberechnet. Die Klinik Biotexcom bietet den Frauen auch Boni, wenn sie mehrfach Kinder austragen oder andere Frauen anwerben.

Babys im Bunker

Es ist ein hoch professionelles System. Die Kliniken haben Niederlassungen und Kontaktpersonen in dutzenden Ländern, alle Informationen, Videos und Webseiten werden in verschiedenen Sprachen ausgefertigt. Doch die länderübergreifende Industrie ist für globale Krisen besonders anfällig. Schon 2020 schlug Biotexcom Alarm, als erst 20, dann 40 und schlussendlich beinah hundert Neugeborene aufgrund der Pandemie nicht abgeholt werden konnten. Nach zwei Monaten, in denen die Babys von medizinischem Personal versorgt wurden, ermöglichte eine Ausnahmeregelung den Wunscheltern schließlich die Einreise in die Ukraine.

Babys im von Biotexcom eingerichteten Bombenschutzraum.
Foto: Reuters / Gleb Garanich

Noch dramatischer ist die Lage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Mitte März gingen von Biotexcom veröffentlichte Bilder um die Welt, die dutzende weinende Babys in einem eigens eingerichteten Bunker zeigten. Dort werden sie von Krankenschwestern versorgt, bis ihre Eltern in die Ukraine reisen können. Die Klinik wirbt dennoch damit, dass ihr Betrieb weiter ungestört bleibt. "Der Krieg bleibt natürlich ein Ausnahmezustand. Aber die Tätigkeit der Klinik wurde an keinem einzigen Tag eingestellt", sagt eine Sprecherin von Biotexcom. Aktuell befänden sich zehn Säuglinge in den firmeneigenen Schutzräumen. Vor allem chinesische Wunscheltern könnten ihre Kinder aktuell wegen der strengen Corona-Regeln nicht abholen.

Doch der Konflikt hat nicht nur Folgen für die neuen Familien, sondern auch für die Leihmütter. Schwangere, die geflohen sind, müssen für die Entbindung häufig ins Kriegsgebiet zurückkehren. Nur hier herrschen die rechtlichen Bedingungen, die eine reibungslose Übergabe der Neugeborenen möglich machen.

Babygarantie auf Kosten der Gesundheit

Biotexcom steht immer wieder wegen der Behandlung seiner Leihmütter in der Kritik. In der Vergangenheit wurden Vorwürfe erhoben, nach denen die Klinik Frauen ohne deren Wissen und Zustimmung mehrere Embryonen gleichzeitig eingesetzt haben soll. Je mehr Embryonen transferiert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen anwächst. Doch gleichzeitig erhöht sich das Risiko für die Leihmutter. Laut der Ärztin Neumayer ist es Standard, immer nur einen Embryo einzupflanzen. Bei Biotexcom seien es meist zwei, sagt die Sprecherin, in machen Fällen auch nur einer – oder drei.

Dabei kann es zu ungewollten Mehrlingsschwangerschaften kommen, die für Leihmutter und Embryonen gefährlicher sind. "Sie sind behaftet mit mehr Risiken wie Frühgeburtlichkeit, vorzeitigen Wehen, langen stationäre Aufenthalten, auch Behinderungen und Fehlbildungen der Kinder", sagt Neumayer. Zudem entsprechen Mehrlinge meist nicht den Wünschen der Bestelleltern. Dann wird eine Embryoreduktion vorgenommen: Mit einer Nadel wird über die Bauchdecke der Leihmutter Kalium in das Herz des überzähligen Fötus injiziert. Sein Herzschlag stoppt.

Reduktionen würden bei Biotexcom "je nach medizinischer Notwendigkeit" durchgeführt, heißt es aus dem Unternehmen. Es sei oft "die einzige richtige Entscheidung", "bei der wir ein gesundes und schönes Kind bekommen." Vorwürfen, dass Leihmütter nicht über den Eingriff informiert wurden, widerspricht die Klinik: "Eine Reduktion erfolgt unter Vollnarkose und die Leihmutter versteht schon, was gerade vor sich geht."

Kein "Anspruchsrecht" auf ein leibliches Kind

Wie weit man gehen kann, um das ersehnte Wunschkind zu bekommen, ist eine offene Frage. "Ein Anspruchsrecht auf ein biologisch eigenes Kind gibt es meines Erachtens nicht", sagt die Moraltheologin Angelika Walser von der Universität Salzburg. Der Kinderwunsch sei in der Ethik ein primordialer, also ursprünglicher und besonders wichtiger Wunsch. Der Leidensdruck ungewollt kinderloser Paare sei dementsprechend hoch. Doch aus diesem dringlichen Wunsch lasse sich kein Anspruch ableiten: "Er zielt nicht auf ein elementares Bedürfnis ab, wie ausreichend zu essen, zu trinken und eine Unterkunft über dem Kopf zu haben."

Die Paare hätten aber jedenfalls einen Anspruch darauf, es zu versuchen, sagt Walser – und vom Staat etwa für künstliche Befruchtung (IVF) Unterstützung zu erhalten. Die kommerzielle Leihmutterschaft sieht die Ethikerin aber kritisch. "IVF für ein Paar, das versucht ein Kind zu bekommen, ist etwas vollkommen anderes, als wenn man noch eine Dritte mit einbezieht, die erheblich medizinisch, physisch, psychisch gefährdet ist", sagt Walser. "Das ist die Krux in der ganzen Debatte. Wir gehen stark immer vom Leiden dieses kinderlosen Paares aus."

Vereinbarungen über eine Leihmutterschaft würden immer in einer Schieflage geschlossen: Auf der einen Seite das Paar, das die Bedingungen und die Bezahlung festsetzt, auf der anderen Seite die Leihmutter. "Wir geben die Spielregeln vor. Es sind unser Arbeitsmarkt und unsere ökonomischen Vorstellungen von vertraglichen Verhandlungen, die wir da reintragen. Und ja, das tun wir dann unter dem Vorzeichen von mehr Selbstbestimmung für alle Beteiligten", sagt Walser. "Aber letztendlich ist es eine reproduktive Selbstbestimmung für die Wunscheltern. Für die Leihmutter ist es ein Spiel, wo wir die Karten vorgeben." (Ricarda Opis, 26.8.2022)