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"Grün und lieblich", wie der Romantiker William Blake einst dichtete – das war England einmal. In diesem Sommer bleibt die Insel ebenso wenig von der starken Hitze und daraus resultierenden Dürre verschont wie der europäische Kontinent. Schon müssen Millionen Engländer mit Einschränkungen leben, demnächst trifft es auch die Metropole London. Und einstweilen gibt es kein Regenwölkchen am Horizont. "Weite Teile Englands werden unter Trockenheit leiden", warnt die Umweltbehörde EA.

Schon der Frühling brachte zu wenig Feuchtigkeit auf die Insel, wo es doch dem Klischee zufolge eigentlich dauernd regnet. Im Juli wurde sogar so wenig Regen gemessen wie seit 1935 nicht mehr. Und der Wetterdienst Met Office macht den darbenden Engländern wenig Mut. Chefmeteorologe Steve Willington sieht "wenig ergiebigen Regen" in seiner langfristigen Prognose. Weil er fürs kommende Wochenende eine neuerliche Hitzewelle vorhersagt – im Juli erreichten die Temperaturen erstmals mehr als 40 Grad –, mahnt die Regierung gesundheitlich Gefährdete dazu, sich untertags nicht in der Sonne aufzuhalten und viel zu trinken.

Auch so manche Tradition fällt dem Extremwetter zum Opfer.
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Rares Nass

Am besten natürlich Wasser! Im Juli stieg der Bedarf vielerorts auf den höchsten Stand seit Beginn des Jahrhunderts. Nun verhängen immer mehr der privatisierten Wasserversorger in ihren Regionen Einschränkungen. Angefeuert werden sie dabei vom konservativen Umwelt- und Landwirtschaftsminister George Eustice, den wiederum die Bauern bestürmen, das Land müsse sorgfältiger mit dem wertvollen Nass umgehen. Die Ernten bei Karotten, Kartoffeln und Salat seien schon jetzt gefährdet, warnt Minette Batters vom Bauernverband NFU.

In den südlichen Grafschaften Hampshire, Kent und Surrey darf das Volk von Parkgenießern und Hobbygärtnerinnen schon diese Woche keine Schläuche und Sprinkleranlagen mehr verwenden. Statt zu baden, sollen die Engländer lieber duschen – und natürlich beim Zähneputzen den Hahn zudrehen, was vier kostbare Liter pro Tag und Haushalt spart. Wer dennoch seine Rosen gießt, muss mit 1.000 Pfund (1.180 Euro) Strafe rechnen.

DER STANDARD

Strafen in Aussicht gestellt

Bisher betreffen die im Volksmund "Schlauchverbot" (hosepipe ban) genannten Einschränkungen lediglich gut zwei Millionen Bürger. Bald aber dürften sie auch im politisch sensibelsten Teil des Landes gelten, rund um die Hauptstadt London. Dort ist Thames Water für die Ver- und Entsorgung für 15 Millionen Menschen zuständig, was 27 Prozent der britischen Bevölkerung entspricht. Vorstandsmitglied Cathryn Ross stellt den Londonern Strafen bei übergroßem Verbrauch für die zweite Augusthälfte in Aussicht.

Das Unternehmen zählt in der Bevölkerung zu den meistgehassten Firmen des Landes, wie die meisten Privatmonopolisten andernorts auch. Umfragen ergeben immer wieder riesige Mehrheiten für eine Rückkehr der Wasserversorgung in die öffentliche Hand.

Kritik auch von Rechts

Selbst konservative Blätter wie "Daily Telegraph" oder "Sunday Times" dokumentieren neuerdings detailliert, welch verheerenden volkswirtschaftlichen Schaden die Privatisierung wichtiger öffentlicher Infrastruktur gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts hatte. So wurde die Wasserversorgung 1989 unter Premierministerin Margaret Thatcher (1979–1990) an finanzkräftige Investoren verhökert, versehen mit einer Anschubfinanzierung von 1,5 Milliarden Pfund, die heute 4,9 Milliarden Euro entspräche, sowie schuldenfreien Bilanzen.

Mittlerweile sind die zehn Firmen mit 56 Milliarden Pfund verschuldet. An die Aktionäre wurden seit 1989 Dividenden im Gesamtwert von 72 Milliarden Pfund ausbezahlt. Die Durchschnittsrechnung der Konsumenten stieg um 40 Prozent. Die Lobbyisten der Unternehmen weisen auf viele Milliarden Pfund Investitionen hin; allerdings versickert bis heute rund ein Fünftel des Frischwassers auf dem Weg zu den Bürgern. Allein im Bereich von Thames Water beträgt der Verlust täglich 600 Millionen Liter, gleichbedeutend mit dem Bedarf von vier Millionen Menschen. "Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen", räumt Vorstandsmitglied Ross ein.

Das gilt auch für die 2010 eingeweihte Entsalzungsanlage von Beckton im Osten der Metropole. Weil sich dort auf natürlichem Weg wenig Trinkwasser gewinnen lässt, erhielt Thames Water staatliche Unterstützung für den Bau der 250 Millionen Pfund teuren Anlage, die täglich 400.000 Haushalte mit Wasser aus der Themse versorgen kann. Derzeit aber passiert dort gar nichts; frühestens im kommenden Jahr sei ein Einsatz geplant, heißt es nun.

Notfalls soll London wohl, wie schon einmal im Dürresommer 1976, mit Wassertankern aus anderen Landesteilen versorgt werden – so wie seit dieser Woche bereits das Dorf Northend in Oxfordshire. (Sebastian Borger aus London, 11.8.2022)