Tesla-Chef Elon Musk – immer gut für große Versprechungen rund um das Thema "Full Self-Driving". Die Begeisterung können viele andere aber nicht teilen.

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Tesla ist nicht nur einer der erfolgreichsten Autohersteller der vergangenen Jahre, es ist auch einer der umstrittensten. Gerade die Art, wie das Unternehmen seine "selbstfahrende" Software weiterentwickelt, ist ein steter Quell für Kritik. Immerhin findet der Betatest einfach im öffentlichen Verkehr und somit ohne professionelle Testfahrer statt. Damit will Tesla wohl den Vorsprung anderer Firmen aufholen; dass man dabei auch auf Spezialhardware verzichtet, feuert die Kritik nur weiter an.

Klare Worte

So deutlich wie Ralph Nader hat diese Kritik bisher aber wohl kaum jemand formuliert. In einer Stellungnahme für die Konsumentenschutzorganisation Center for Auto Safety fordert er ein Einschreiten der Behörden. Die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) müsse den Betrieb dieser Software umgehend untersagen, um weitere Tote und Verletzte durch Teslas "tödliche" Technologie zu verhindern.

Nader gilt als einer der führenden Kritiker der Automobilbranche, bereits in den 1960er-Jahren hat er Bücher zu diesem Thema verfasst. Bei Tesla sieht er nun aber einen neuen Höhepunkt erreicht. Dessen Vorgehen rund um die "Full Self-Driving"-Beta sei "eine der gefährlichsten und unverantwortlichsten Aktionen eines Autoherstellers seit Jahrzehnten".

Grundlegende Fragen

Der Betatest hat zuletzt immer mehr Kritiker auf den Plan gerufen, wirft dieser doch die Frage auf, was im öffentlichen Verkehr alles erlaubt sein sollte. Immer wieder hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass sich die Besitzer leichtsinnigerweise komplett auf die Software verlassen, auch wenn diese noch gar nicht für einen vollständig autonomen Betrieb geeignet ist.

Konsumentenschützer Ralph Nader zieht gegen Tesla ins Feld.
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Die Schuld daran sehen viele aber beim Autohersteller selbst. Dieser erzeuge mit irreführenden Begriffen falsche Erwartungen, hat erst vor wenigen Tagen die kalifornische Verkehrsbehörde DMV festgestellt. Mit vollständig autonom fahrenden Systemen anderer Hersteller, die jahrelang getestet wurden, habe die FSD-Beta jedenfalls nicht zu tun. Im Grunde sei auch die neue FSD nur ein besseres Assistenzsystem, das nicht ohne professionelle Betreuung eingesetzt werden dürfte, bis es einmal wirklich ausgereift ist.

Vergleiche

Auf der gebräuchlichen SAE-Skala für selbstfahrende Systeme erreicht die FSD-Beta derzeit gerade einmal Level 2 – weit weg vom Level 5, der vollständig autonomes Fahren beschreibt. Die Google-Schwester Waymo ist hier zum Vergleich bereits bei Level 4 angekommen und darf entsprechend in den USA einen Taxidienst ganz ohne Sicherheitsfahrer anbieten.

Laut dem Brief von Nader wird die "Full Self-Driving"-Beta derzeit von 100.000 Tesla-Besitzern getestet, die für dieses Privileg mehrere tausend Dollar zahlen. Die NHSTA untersucht derzeit alleine 16 Unfälle mit Teslas Autopilot – einem Vorgänger der FSD-Beta –, bei denen die Autos in parkende Einsatzfahrzeuge gekracht sind. Bei einem davon wurde eine Person getötet. Die meisten dieser Vorfälle erfolgten bei Dunkelheit, die Tesla-Software ignorierte aber auch klar positionierte Warnlichter und Pfeile.

Einen Teil der Schuld geben Kritiker dabei dem Beharren des Autoherstellers, ganz ohne Spezialhardware auszukommen. Firmenchef Elon Musk hat immer wieder betont, dass die Erkennung über Kameras vollständig ausreiche, während andere Hersteller auf extra für die räumliche Wahrnehmung entwickelte Sensoren wie einen Lidar setzen.

Irreführung

Wie die Behörden auf die wachsende Kritik reagieren, bleibt abzuwarten. Klar ist aber, dass es für Tesla hierbei um viel Geld geht. So könnten etwa die aktuellen Untersuchungen der kalifornischen DMV im schlimmsten Fall zu einem Verkaufsverbot in dem US-Bundesstaat führen. Bereits im Jahr 2016 wurde Tesla in Deutschland die Verwendung des Begriffs "Autopilot" untersagt, da dieser irreführend sei, wie damals ein Gericht feststellte.

Niemand steht über dem Gesetz

Nader will jedenfalls alles tun, um dem öffentlich Tesla-Betatest ein Ende zu bereiten: "Dieses Land sollte keine Software, bei der selbst Tesla warnt, dass sie jederzeit Fehlfunktionen haben könne, auf den gleichen Straßen erlauben, wo Kinder in die Schule gehen." Und weiter: "Wir müssen gemeinsam eine klare Botschaft an die Regulatoren senden, dass Amerikaner keine Testdummys für eine mächtige Firma und ihren Celebrity-Chef sein dürfen." Denn: "Niemand steht über dem Gesetz für Totschlag." (apo, 11.8.2022)