Putin trägt die Verantwortung für den Krieg, sagte Scholz.

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Kiew/Moskau/Berlin – Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat weitere massive Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg angekündigt. Der Krieg Russlands verlange unverändert, "dass wir weitreichende Entscheidungen treffen, um die Ukraine in ihrem Kampf um Unabhängigkeit zu unterstützen", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei seiner ersten Sommer-Pressekonferenz in Berlin.

Die deutsche Regierung tue das durch einen "massiven Bruch mit bisheriger Praxis, indem wir Waffen liefern, sehr, sehr viele, sehr weitreichende, sehr effiziente. Und das werden wir auch die nächste Zeit weiter tun."

Krieg in der Ukraine als größte Herausforderung

Konkret wurde Scholz bei der Frage künftiger Waffenlieferungen zunächst nicht. Er nannte den Krieg die aktuell größte Herausforderung und betonte: "Wir unterstützen die Ukraine finanziell, und wir haben uns darauf eingestellt, dass das, was mit diesem Krieg verbunden ist, die ganze Welt berührt, aber selbstverständlich auch Europa und unser Land."

Russland müsse einsehen, "dass es nicht hinauslaufen kann auf einen Diktatfrieden, wie er wahrscheinlich am Anfang in den Köpfen des russischen Präsidenten und seiner politischen Führungskräfte gewesen ist". Er betonte: "Das darf nicht klappen, und das wird auch nicht klappen, da bin ich ganz sicher."

Scholz: Putin trägt die Verantwortung

Auf die Frage, ob er sich dafür einsetzen werde, dass der russische Präsident Wladimir Putin für Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Verantwortung gezogen werde, sagte Scholz, er sei "sehr überzeugt davon, dass wir auch alle Maßnahmen ergreifen müssen, um alle diese Verbrechen aufzuklären". Deutschland helfe mit seinen Möglichkeiten. "Das wird alles aufgeklärt werden. Und wir werden allen Dingen, die wir ganz konkret ermitteln können, nachgehen." Die ukrainischen Behörden würden bei der Aufklärung unterstützt.

Putin trage die Verantwortung für den Krieg, dieser habe mit allen internationalen Vereinbarungen gebrochen. Ein Ende des Kriegs könne es nur mit Zustimmung der Ukraine geben, sagte Scholz. Nur der ukrainische Präsident, das Parlament und das Volk könnten letztlich entscheiden, zu welchen Bedingungen der Konflikt gelöst werden könne. Insofern schließe dies einen Diktatfrieden Russlands aus. Zugleich stelle sich jetzt schon die Frage des Wiederaufbaus, der Milliarden kosten werde.

Hoffnung auf Pipeline aus Spanien und Portugal

Zur Erschließung neuer Energiequellen will Scholz sich für den Bau einer Pipeline von Portugal und Spanien über Frankreich nach Mitteleuropa einsetzen. Eine solche Leitung hätte gebaut werden sollen und werde nun vermisst, sagte der deutsche Kanzler. Diese würde jetzt "einen massiven Beitrag zur Entlastung und Entspannung der Versorgungslage" leisten.

Das Projekt Midcat für eine Gaspipeline von Spanien nach Südfrankreich wurde vor einigen Jahren gestoppt, weil es aus damaliger Sicht auch wegen des billigeren Erdgases aus Russland für unwirtschaftlich gehalten wurde. Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine könnte die Pipeline aber nun dazu beitragen, Europa von russischem Gas unabhängiger zu machen.

Weniger Abhängigkeit von China gefordert

Geht es nach Scholz, sollen sich deutsche Firmen auch nicht zu stark von China abhängig machen. Es werde Teil der nationalen Sicherheitsstrategie sein, dass man Abhängigkeiten von Importen reduzieren wolle, sagte er. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werde man etwa vom Import fossiler Energie aus dem Ausland Stück für Stück unabhängiger.

Auf die Frage nach neuen Abhängigkeiten von China, das etwa wichtige Komponenten für die Solar- und Windenergie liefert, sagte Scholz, dass man sowohl bei Lieferketten als auch bei Exporten diversifizieren, also auf mehrere Partner setzen müsse. "Ich bin sicher, dass die deutsche Wirtschaft diese Entscheidung jetzt getroffen hat", fügte er hinzu. Ein Termin für einen Antrittsbesuch in Peking stehe noch nicht fest.

Keine politische Einflussnahme im Cum-Ex-Skandal

In der Steueraffäre um die Hamburger Warburg-Bank weist Scholz weiterhin jede Verantwortung zurück. "Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat", sagte Scholz und verwies auf umfangreiche Untersuchungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren.

"Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht mehr geändert werden wird." Darüber hinaus betonte der Kanzler: "All die Steuern, die der Staat verlangt hat, hat er auch eingezogen."

Beim sogenannten Cum-Ex-Skandal verschoben Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag in einem vertrackten System so, dass ihnen Steuern erstattet wurden, die sie nie gezahlt hatten. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft will eine mögliche Einflussnahme führender SPD-Politiker auf Steuerentscheidungen zur Warburg-Bank klären. Dabei geht es auch um die Frage, welche Rolle Scholz als Hamburger Regierungschef in der Affäre spielte.

Frage nach Verlängerung des Neun-Euro-Tickets

Während es bei der Sommer-Pressekonferenz in erster Linie um den Krieg in der Ukraine und weitere Entlastungspakete für die Bevölkerung ging, stellte der Journalist und Podcaster Tilo Jung folgende Frage an den Kanzler: "Das Neun-Euro-Ticket ist ein großer Erfolg Ihrer Regierung, welche weiteren Erfolge Ihrer Regierung wollen Sie beenden?"

Der Moment sorgte für Heiterkeit unter den Journalistinnen und Journalisten. Scholz reagierte gelassen und grinste, bevor er "gar keine" antwortete, dies sei von Anfang an zeitlich befristet gewesen. Die Aktion wurde nach drei Monaten nicht mehr verlängert. (APA, red, 11.8.2022)