Lieber Bio-Fleisch oder konventionelles? In einzelnen Fällen kann konventionelles Fleisch CO2-ärmer sein als biologisches. Doch das bedeute nicht, dass es deshalb nachhaltiger ist, sagen Experten.

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Den Unterschied zwischen Bio-Fleisch und herkömmlichem Fleisch erkennt man im Supermarkt vor allem am Preis: Ein Kilogramm biologisch produziertes Schweinsschnitzel ist in etwa zwei bis dreimal so teuer wie ein konventionelles Schnitzel. Rund 27 Euro werden dafür im Supermarkt fällig – angesichts der vielerorts steigenden Preise ist das für viele Menschen eine stolze Investition.

Für die Bio-Landwirte hat der höhere Preis jedoch gute Gründe: Die Tiere werden artgerecht gehalten, haben mehr Auslauf im Freien, bekommen biologisches und möglichst regionales Futter, auf Antibiotika und Medikamente wird weitestgehend verzichtet, ihre Lebenszeit ist länger und stressfreier. Das soll vor allem die Umwelt, das Tierwohl und die gesundheitlichen Effekte der Lebensmittel verbessern. Was bei biologischer Produktion jedoch weniger thematisiert wird: Wie steht es um dessen Klimabilanz im Vergleich zu konventionellem Fleisch?

Mehr Flächenverbrauch

Diese Frage beschäftigte zuletzt auch die STANDARD-Userinnen und User im STANDARD-Klimatreffpunkt. User "HollandRoad" schreibt darin in einem Beitrag:

Die Gründe, die Verfechterinnen und Verfechter der These aufzählen, sind vielseitig: Die Produktion von biologischem Fleisch verbrauche mehr Fläche, weil den Tieren etwa mehr Auslauf gegeben wird. Dadurch bleibe beispielsweise weniger Platz für Wald, der CO2 speichert. Rinder, die beispielsweise auf der Weide stehen und Gras fressen, entwickeln sich wesentlich langsamer als ihre mit Kraftfutter gemästeten Verwandten in der konventionellen Viehhaltung. Sie stoßen daher während ihrer Lebenszeit mehr Methan aus, was den Klimawandel vorantreibt. Zudem würde biologische Tierhaltung weniger Ertrag produzieren, wodurch wiederum mehr Fläche für die Fleischproduktion geopfert werden müsse.

Weniger CO2 heißt nicht nachhaltiger

Heißt das, dass biologisch produziertes Fleisch tatsächlich einen höheren CO2-Fußabdruck hat als konventionelles Fleisch? "Pauschal über alle Fleischsorten stimmt das nicht, im Gegenteil", sagt Thomas Lindenthal, Wissenschafter am Zentrum für Globalen Wandel der Universität für Bodenkultur in Wien, der im Vorjahr eine Studie zur Klimaauswirkung der Lebensmittelproduktion in Österreich leitete. So habe etwa Bio-Schweinefleisch einen deutlich geringeren CO2-Rucksack als konventionelles Schweinefleisch. Andererseits habe konventionelles Rindfleisch aus Stiermast im Vergleich zu einem Bio-Mutterkuhfleisch, bei dem die Rinder auf der Weide grasen, tatsächlich einen niedrigeren CO2-Ausstoß pro produziertem Kilogramm Rindfleisch.

Das sei jedoch eine sehr isolierte Betrachtungsweise, so der Experte. "Ein geringerer CO2-Rucksack muss absolut gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben." Denn die sogenannte "extensive graslandbasierte Rinderhaltung" wirke sich positiv auf die Biodiversität, die Bodenfruchtbarkeit, das Grundwasser sowie auf Tierwohl und die Ernährungssicherung aus. Indem die Tiere Grasland nutzen, das von Menschen nicht direkt verwertet werden kann, nehmen sie den Nutzungsdruck von bestehenden Ackerflächen, was eine ökologisch ausgerichtete Ernährungssicherung erst möglich mache. In Österreich gebe es zudem ausreichend Grünland, weshalb ein Teil des heimisch produzierten Rindfleischs in den Export gehe.

Futter aus dem Ausland

Im Vergleich dazu basiere die Fütterung in der konventionellen Stiermast auf Futtergetreide sowie auf Soja, das hierfür großteils aus Übersee importiert wird. Für diesen Sojaanbau werden häufig für die Umwelt und das Klima wichtige Tropenwälder und Savannen in Brasilien und Argentinien zerstört.

Zudem stehe der Anbau von Getreide- und Eiweißfutter in direkter Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau für den Menschen, sagt Lindenthal. Konventionell produziertes Fleisch gefährde aufgrund des viel zu hohen Fleischkonsums die Ernährungssicherheit in vielen Ländern. Denn die Ackerfläche sei weltweit limitiert. Häufig sei das Argument, dass konventionelles Fleisch klimafreundlicher sei als biologisches, Teil des Lobbyings großer Fleischproduzenten, bei dem aber andere wichtige Umweltaspekte vernachlässigt würden, so Lindenthal.

Auch das Argument, wonach biologisch gehaltene Kühe mit ihrem höheren Methanausstoß viel zum Klimawandel beitragen, lässt der Experte nicht gelten. Die weltweit exponentiell gestiegene CO2-Kurve decke sich nicht mit der Anzahl an Kühen, die in dieser Zeit hinzugekommen sind, sondern werde durch die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle sowie durch die Tropenwaldzerstörung verursacht. Insgesamt trage der Methanausstoß von Kühen weltweit nur rund sechs Prozent zum Klimawandel bei.

Unterschiedliche Emissionen

Wie aber unterscheidet sich der CO2-Ausstoß zwischen unterschiedlichen Tieren bei der Fleischproduktion im Detail? Den größten Vorteil beim CO2-Ausstoß zwischen biologischer und konventioneller Produktion gebe es beim Schweinefleisch, sagt Lindenthal. So verursache biologisch produziertes Schweinefleisch rund 40 Prozent weniger CO2-Emissionen als konventionelles.

Der Grund: Konventionelle Schweinebetriebe seien besonders stark auf Soja aus Übersee angewiesen. "Viele Schweinebauern stehen ökonomisch mit dem Rücken an der Wand, da Fleisch viel zu billig ist", sagt Lindenthal. Um wirtschaftlich zu arbeiten, müssen sie möglichst viel Fleisch zu geringen Kosten produzieren – und das gelinge nur mit billigem Soja und Kraftfutter. "Das ist aber in keiner Weise nachhaltig."

Druck auf Ackerflächen

Bei Bio-Hühnerfleisch seien die Emissionen im Vergleich zu konventionellem Hühnerfleisch um rund fünf bis zehn Prozent geringer. Der Unterschied falle niedriger aus, da konventionelle Hühnerbetriebe im Vergleich zu Schweinemastbetrieben seit einigen Jahren bereits auf Soja aus dem EU-Donauraum setzen.

Im Vergleich zu Schweine- und vor allem Rindfleisch habe Hühnerfleisch generell den niedrigsten CO2-Fußabdruck. Sollten wir deshalb alle auf Hühnerfleisch umsteigen? "Auf keinen Fall", sagt Lindenthal. Denn das würde wiederum den Produktionsdruck auf die heimischen Ackerflächen erhöhen, noch mehr pflanzliche Lebensmittel als Tierfutter produzieren zu müssen. Zudem stoße die Produktion von europäischem Donau-Soja bereits jetzt an seine Grenzen.

Transport und Verpackung nicht entscheidend

Weniger entscheidend als die biologische oder konventionelle Herstellung von Fleisch für dessen CO2-Bilanz ist hingegen, welchen Transportweg es zurückgelegt hat und welche Verpackung zum Einsatz kommt. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Forschungsinstituts für biologische Landbau (FiBL) aus dem vergangenen Jahr, an der auch Lindenthal beteiligt war. Demnach könnte eine vollständige Umstellung auf Bioprodukte zehn bis 25 Prozent an Treibhausgasmissionen einsparen. Transport, Lagerung, Schlachtung und Verpackung hätten lediglich einen sehr geringen Anteil an den Gesamtemissionen.

Aber steigt die Fleischproduktion nicht einfach wieder andernorts, wenn in Österreich infolge einer Umstellung auf Bio weniger Fleisch produziert und exportiert würde? "Österreichisches Fleisch wird vor allem in Industrieländer wie Deutschland, die Niederlande und Italien exportiert – also in Länder, in denen der Fleischkonsum ohnehin aus gesundheitlicher Sicht meist viel zu hoch ist", sagt Lindenthal. Der Export von österreichischem Fleisch fördere lediglich einen ungesunden und nicht nachhaltigen Lebensstil.

Fleisch muss teurer werden

Denn den größten Effekt auf den Klimaschutz habe letztlich nicht die Wahl zwischen Bio und konventionellem Fleisch, sondern der Ernährungsstil. So könnten durch einen stark reduzierten Fleischkonsum 28 Prozent, durch eine vegetarische Ernährung knapp 50 Prozent und durch eine vegane Ernährung ganze 70 Prozent der Treibhausgasemissionen der gegenwärtigen Nahrungsproduktion eingespart werden, heißt es in der FiBL-Studie.

Wir sollten aus gesundheitlicher Sicht unseren Fleischkonsum um rund zwei Drittel reduzieren, vermeidbare Lebensmittelabfälle stark reduzieren und pflanzliche Alternativen weiterentwickeln, sagt Lindenthal. Fleisch müsse aus ökologischer und gesundheitlicher Sicht teurer werden und sollte keine alltägliche Selbstverständlichkeit sein. Landwirtinnen wiederum müssten von der Politik und den Konsumentinnen dafür entschädigt werden, dass sie weniger Fleisch produzieren. "Wir haben uns daran gewöhnt, dass Fleisch billig und jeden Tag verfügbar ist", sagt Lindenthal. "Wir müssen dem Nahrungsmittel wieder seinen Wert zurückgeben." (Jakob Pallinger, 19.8.2022)

Fleischkonsum schadet dem Klima. Die Lösung soll künstliches Fleisch aus dem Labor sein. Wie massentauglich ist "In-Vitro Fleisch" und wie steht es um die Klimabilanz?
DER STANDARD