Statistikexperte Erich Neuwirth listet in seinem Gastkommentar auf, welche wichtigen Daten zu Covid in Österreich nicht erhoben werden und nicht vorliegen.

Seit zwei Wochen veröffentlicht das Covid-Prognosekonsortium keine Prognosen zu den Covid-Fallzahlen mehr. Was ist da passiert? Die Datenlage ist im Laufe der Zeit deutlich schlechter geworden. Ende Jänner wurden in ganz Österreich täglich von 1000 Einwohnern circa 50 bis 60 getestet, aktuell sind es nur mehr sechs bis sieben. Die Testfrequenz ist also auf ein Zehntel gesunken. Ende Jänner gab es täglich drei neue positive Fälle pro 1000 Einwohner, aktuell sind es 0,6 Fälle pro 1000 Einwohner. Die Zahl der Fälle ist also auf ein Fünftel gesunken. Die Positivrate (der Anteil positiver Tests an allen PCR-Tests) ist in diesem Zeitraum von 5,5 Prozent auf zehn Prozent gestiegen, hat sich also nahezu verdoppelt.

Außerdem gibt es enorme Unterschiede zwischen den Bundesländern. Ende Jänner wurde in Wien circa zehnmal so viel getestet wie in Kärnten (150 pro 1000 beziehungsweise 15 pro 1000). Mittlerweile ist Vorarlberg das Land mit der geringsten Testfrequenz. Aktuell testet Wien (20 pro 1000) 20-mal so viel wie Vorarlberg (eins pro 1000) und mehr als zehnmal so viel wie Kärnten (zwei pro 1000), Oberösterreich (1,5 pro 1000) und Salzburg (zwei pro 1000).

Die Covid-Testfrequenz ist massiv gesunken. Der Herbst rückt näher – und damit auch die Frage, wie es weitergeht.
Foto: APA / Hans Putz

Die entscheidende Frage bei so einer Datenlage lautet: Kann man aus den verfügbaren Daten überhaupt noch ausreichend zuverlässige Aussagen über das tatsächliche Infektionsgeschehen ableiten und – noch schwieriger – Prognosen für die nahe Zukunft erstellen? Die Infektionslage in Wien ist deutlich anders als in den anderen Bundesländern, es gibt weitaus mehr Zufallsbegegnungen als außerhalb. Die anderen Bundesländer sind aber mittlerweile bei den Tests derart schwach repräsentiert, dass man dort aus den – kaum mehr vorhandenen – Daten keine einigermaßen abgesicherten zahlenmäßigen Abschätzungen der Gesamtinfektionslage ableiten kann. Das Hauptproblem dabei ist, dass gesundheitspolitische Entscheidungen damit mehr oder weniger im Blindflug getroffen werden müssen.

Die verfügbaren Daten enthalten leider auch viele Informationen nicht, die in der Diskussion über Maßnahmen sehr helfen würden. Es gibt keine einigermaßen vollständige Übersicht über den Impfstatus der Hospitalisierten, vom Impfstatus aller positiv Getesteten gar nicht zu reden. Noch hilfreicher wäre es, nicht nur den Impfstatus, sondern auch den Zeitpunkt der letzten Impfung bei Covid-Spitalspatienten zu kennen. Daraus ließen sich dann Informationen über das Nachlassen der Schutzwirkung der Impfung vor schwererem Krankheitsverlauf ableiten. Öffentlich sind auch keine Daten darüber, bei welchen Spitalspatienten Covid Haupt- oder Nebendiagnose ist, verfügbar.

Fehlende Informationen

Die öffentlich verfügbaren Daten lassen auch nicht erkennen, wie viele Personen bisher mit einer Covid-Diagnose ins Spital eingeliefert wurden oder bei wie vielen bei der Einlieferung Covid diagnostiziert wurde. Veröffentlicht werden nämlich nur die aktuellen Belagszahlen mit Covid-Patienten, nicht aber die Zahl der Neuaufnahmen und der Entlassungen. Dass wir also nicht einmal erfahren können, wie viele Covid-Spitalspatienten es insgesamt gegeben hat, erscheint mir ein riesengroßes Informationsdefizit.

Daten können dabei helfen, Fehlvorstellungen zu korrigieren.

Das immer wieder auftauchende Argument, dass die Verstorbenen ja vor allem "mit" und nicht "an" verstorben seien, lässt sich leicht durch die Todesfallstatistiken widerlegen. In den Jahren 2017 bis 2019 sind in Österreich jeweils ungefähr 81.000 Personen verstorben. Im Jahr 2020 gab es in den offiziellen Sterbestatistiken 7633 Covid-Todesfälle und 83.500 mit anderen Todesursachen. Im Jahr 2021 betrugen die entsprechenden Zahlen 9207 beziehungsweise 80.332. Das zeigt eine deutliche auf Covid zurückzuführende Übersterblichkeit. Die Einwohnerzahl Österreichs ist in diesen fünf Jahren von 8,773 Millionen auf 8,933 Millionen (also um knapp zwei Prozent) gestiegen. Bereinigt man die Todesfallzahlen um diesen Zuwachs, dann bleibt der Effekt von Covid genauso deutlich sichtbar.

Ausufernde Grafiken

Wir sehen, dass gewissenhaft ausgewählte und dargestellte Daten dabei helfen könnten, die Wirkung der Covid-Pandemie auf die Gesellschaft besser abschätzen zu können. Dem Prinzip, die – wenigen – verfügbaren Daten so darzustellen, dass die interessantesten Zahlen als erste sichtbar werden, folgen die Websites des Gesundheitsministeriums und der Ages eher nicht.

Die Seite des Gesundheitsministeriums zeigt bei den Fallzahlen und den Testzahlen nur die kumulierten Werte an. Die wohl interessantesten Fragen, "Haben die Zahlen seit gestern und im Wochenvergleich zu- oder abgenommen?", beantwortet diese Seite nicht. Die Ages-Seite wiederum ist mit platzmäßig sehr ausufernden Grafiken und Tabellen überlastet.

Mein, in freundlichem Ton, an den Gesundheitsminister gerichteter Brief, in dem ich einige dieser Probleme beschrieben und Verbesserungsvorschläge gemacht habe, wurde sehr kurz mit der Feststellung beantwortet, dass Österreich eine ausgezeichnete Datenlage habe und es nur gelegentlich zu technisch bedingten Verzögerungen bei der Datenübermittlung komme. (Erich Neuwirth, 12.8.2022)