Dieser besonders gut erhaltene T.-rex-Schädel gehört zu dem "Tristan Otto" getauften Exemplar im Naturkundemuseum Berlin. Die Schlüsselloch-ähnlichen Augenhöhlen des Sauriers sind gut erkennbar.
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Wer an einem regnerischen Nachmittag durch die Saurierhallen naturkundlicher Museen spaziert, kommt schnell ins Staunen: turmhohe Pflanzenfresser, wendige Raptoren und wahre Seeungeheuer neben eleganten Flugsauriern und zähnestarrenden Fleischfressern – versammelt in Form bräunlicher Skelette. Aus verschiedenen Zeiten und Erdteilen stammend, geben die Saurierfossilien Einblick in den enormen Artenreichtum des Erdmittelalters.

Allein die Schädel haben unzählige Formen: Bullig oder zierlich, verziert mit Nackenschildern, Hörnern oder Kämmen, erzählen sie viel von den Lebensbedingungen ihrer ehemaligen Besitzer. Dabei könnte sehr aufmerksamen Beobachtern etwas Sonderbares auffallen: Die Augenhöhlen einiger Dinos sind nicht kreisrund, wie man es intuitiv erwarten würde. Viele erinnern vielmehr an Schlüssellöcher, sind oval oder haben eine achtförmige Silhouette. Wie konnte dort ein Augapfel Platz finden? Und wozu die ausgefallenen Formen?

Die Augenhöhlen vieler Saurier sind ungefähr kreisförmig. Nur bei Fleischfressern sind sie oval oder ähneln Schlüssellöchern.
Grafik: Stephan Lautenschlager

Konvergente Merkmale

Der Paläontologe Stephan Lautenschlager von der Universität Birmingham ist diesen Fragen nachgegangen. Dazu analysierte der Forscher die Augenhöhlen von rund 400 Saurier-Spezies. Wie er jetzt im Fachblatt "Communications Biology" berichtet, hatte die Mehrzahl der Dinos annähernd kreisrunde Augenhöhlen – mit einer Ausnahme: "Nur manche Dinosaurier besaßen elliptische oder Schlüsselloch-förmige Augenhöhlen, aber das waren ausschließlich große Fleischfresser mit Schädeln länger als einen Meter", erklärt Lautenschlager.

Große Raubsaurier gab es während des gesamten Erdmittelalters, von der Trias bis zur Kreidezeit. Wie die Untersuchung zeigt, traten ovale Augenhöhlen bei allen diesen Tieren auf, obwohl zwischen den einzelnen Spezies große zeitliche oder evolutionäre Abstände liegen. Das deutet darauf hin, dass es sich bei den ovalen Höhlen um das Ergebnis konvergenter Evolution handelt: Dabei entwickeln nichtverwandte Arten unabhängig voneinander ähnliche Merkmale, da sie sich an die gleichen Bedingungen anpassen. Stellt die Natur die Evolution vor eine Aufgabe, lösen sie verschiedene Tiere auf die gleiche Art.

Dank der Rekonstruktion des T. rex im American Museum of Natural History kann man dem Raubsaurier tief in die Augen schauen.
Foto: APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY

Fester Biss

Was war nun die Aufgabe, die den Raubsauriern ihre seltsamen Augenhöhlen bescherte? Wie Lautenschlager zeigt, könnte des Rätsels Lösung in der Bisskraft liegen. Evolutionär konnten sich die Saurier durchsetzen, die fester zubeißen konnten, was den Fressvorgang begünstigt. Doch beißt so ein Sauriermaul zu, wirken enorme Kräfte auf die Schädelknochen. Mittels Computersimulationen konnte Lautenschlager nachvollziehen, welche Teile des Schädels besonders starker Belastung ausgesetzt waren. Aus seinen Modellen geht hervor, dass ovale Augenhöhlen beim Fressvorgang weniger stark deformiert werden.

Runde Augenhöhlen müssten demnach aus härteren und damit schwereren Knochen bestehen. Ein schwerer Schädel ist aber ein Wettbewerbsnachteil. In der Folge entwickelten Räuber wie Tyrannosaurus rex elliptische Augenhöhlen, um eine größere Bisskraft zu erreichen. "Tatsächlich füllte das Auge bei diesen Spezies nur den oberen Bereich der Augenhöhle aus. Das führte auch zu einer relativen Verkleinerung der Augengröße im Vergleich zur Schädellänge", führt Lautenschlager aus. Der evolutionäre Druck, fest zuzubeißen, ließ also bei Raubsauriern die Augen schrumpfen.

Klein, aber fein

Gewöhnlich gilt: Große Augen sehen besser. Dennoch waren die kleinen Gucker für die Dinos kein Nachteil. Hätte der T. rex kreisrunde Augen, würden sie bei einem Durchmesser von dreißig Zentimetern stolze zwanzig Kilo auf die Waage bringen. Zum Vergleich: Man schätzt, dass die Augen des Königs der Raubsaurier einen Durchmesser von etwa dreizehn Zentimetern hatten und ein Gewicht von zwei Kilo.

Um die Kräfte, die auf die Augenhöhlen wirkten, zu untersuchen, fertigte Lautenschlager Computermodelle an. Hier ist zweimal der Schädel eines T. rex gezeigt, einmal, wie er gefunden wurde, und einmal, wie er mit kreisrunden Augenhöhlen ausgesehen hätte.
Grafik: Stephan Lautenschlager

Runde Augenhöhlen würden bei Raubsauriern also signifikant größere und schwerere Sehorgane bedingen. Doch Augen wie Wagenräder zu entwickeln und zu erhalten würde dem Organismus erhebliche Energie kosten, Lautenschlager geht von ungefähr fünfzehn Prozent des Energiebudgets aus.

Kleine Augen sind also auch energetisch ein Vorteil für die Tiere. Daher hatte T. rex vergleichbar kleine Äuglein. Das heißt aber nicht, dass der Saurier nicht scharf gesehen hat. Im Gegenteil: Seine nach vorn gerichteten Augen sollen falkenscharf gewesen sein. Für die Sehorgane von Raubsauriern gilt also: klein, aber oho! (dos, 12.8.2022)