Viele von Indiens Süßwasserreserven sind verschmutzt. Gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften will die NGO Environmentalist Foundation of India die Gewässer wieder beleben.

Foto: Rolex / Kesara Ratnavibhushana

Ein Kollateralschaden der rasenden Urbanisierung in Indien ist die Wasserqualität. Das Land ist übersät mit tausenden Seen, Teichen und Wasserreservoiren. Viele sind ein Teil von Stadtgebieten. Der Ausbau der Wohngebiete drängt die Gewässer aber mehr und mehr zurück. Manche Menschen lagern ihren Müll hier ab. Bauschutt landet in den Becken. Invasive Pflanzenarten wuchern die Wasserflächen zu, dünnen die übrige Fauna und Flora aus. Gleichzeitig benötigt eine wachsende Bevölkerung – und eine wachsende Wirtschaft – aber auch mehr gut aufbereitete Wasserreserven.

Arun Krishnamurthy hat sich dieses Themas angenommen. Der Mittdreißiger aus der südindischen Küstenstadt Chennai hat bereits im Jahr 2007 die NGO Environmentalist Foundation of India (EFI) gegründet. Er mobilisiert Freiwillige, die die Seen von Müll befreien. Er stellt Finanzierungen auf, um die Becken und Uferregionen neu zu gestalten und das Wasser zu säubern. Und er kümmert sich um öffentliche Bildung und klärt tausende Schüler, Studierende und Anwohner über die Notwendigkeit auf, sorgsam mit den Wasserbeständen umzugehen.

Künftige Probleme vermindern

"Ganz Indien ist mit zauberhaften Gewässern gesegnet. Wir haben Steppenseen im Westen, die Tempelteiche Südindiens, die Bergquellen des Himalaja oder Oasen in den Wüsten", malt Krishnamurthy ein farbenprächtiges Bild. "Die Natur ist jedoch nicht in der Lage, mit den menschlichen Bedürfnissen fertigzuwerden." Gerade in einer vom Klimawandel geprägten Zukunft, die zunehmend Überflutungen und Dürreereignisse mit sich bringt, sollen die Wasserreservoire eine wichtige, ausgleichende Rolle spielen. "Wir revitalisieren die Seen nicht für vergangene Probleme. Wir schützen sie, um künftige Probleme zu vermindern", sagt der Aktivist.

Krishnamurthy stammt, wie er sagt, aus einer "bescheidenen Mittelstandsfamilie". Er ist in einem Vorort von Chennai aufgewachsen, die zahlreichen Teiche und eine damals noch intaktere Natur haben ihn geprägt. "Ich habe mich schon in einem sehr jungen Alter für die Umwelt begeistert", erinnert er sich. Seine Ausbildung führte ihn in den Bereich der Mikrobiologie.

Zuerst bei Google

Sein erster Job lag dann aber in einem ganz anderen Metier: Er heuerte beim Internetkonzern Google an und war dort in den Bereichen Kommunikation und Verkauf tätig. Wenige Jahre später hing er den Job wieder an den Nagel, sein Engagement für die Umwelt wurde von dem Unternehmen aber weiter unterstützt. "Die Arbeit bei Google war eine lehrreiche Erfahrung", sagt Krishnamurthy. "Ich wusste aber, dass es meine Berufung war, ein soziales Projekt ins Leben zu rufen."

Als er schließlich vor 15 Jahren seine NGO gründete, war es vor allem "ein großer Spaß": "Wenn Sie mich fragen, ob ich lieber im Jahr 2022 oder im Jahr 2007 leben möchte, dann sage ich: lieber 2007. Damals war es wie Spielen am See. Man machte interessante Dinge und lernte neue Freunde kennen", lacht der Aktivist.

Um die Seen in Indien erneut in ein ökologisches Gleichgewicht zu bringen, pflanzt Krishnamurthy rundherum heimische Pflanzenarten an.
Foto: Rolex / Kesara Ratnavibhushana

Neue Verpflichtungen

"Heute muss ich mit Journalisten sowie mit Vertretern der Regierung und von Unternehmen sprechen. Ich muss mich um Finanzierungen und die passende Verwendung des Geldes kümmern. Die Projekte müssen gut über die Bühne gehen. Es gibt so viele Verpflichtungen!"

Zivilgesellschaft, Verwaltung und Betriebe für seine Projekte zusammenzubringen ist zu einer der wichtigsten Aufgaben Krishnamurthys geworden. Seine Leidenschaft hat sich bezahlt gemacht: 183 Seen wurden mittlerweile restauriert, darunter Vogelhabitate wie Makarba in Westindien, wo nun wieder viel mehr der Tiere zu sehen sind, oder Moosi Rani Sagar in Rajastan, der erste Steppensee, um den sich die EFI gekümmert hat. Ein See, der Krishnamurthy besonders am Herzen liegt, ist Madambakkam in seiner Heimatstadt Chennai: "Mit 200 Hektar Wasserfläche ist es einer der größten Seen, an denen wir gearbeitet haben. Ich habe dort selbst schon viele Cleanups durchgeführt", sagt der NGO-Gründer.

Aufklärung der Bevölkerung

Abgesehen von Müll und Bauschutt war hier auch die Überwucherung mit invasiven Wasserhyazinthen ein Problem. Schwere Maschinen kamen zum Einsatz, ein Teil wurde eingezäunt, um eine weitere Vermüllung zu verhindern. Die Arbeit hier ist wie an vielen anderen Gewässern im Grunde niemals zu Ende: "Die Herausforderung ist, immer weiter zu machen", sagt Krishnamurthy. Zuwendungen, die die NGO erhält – etwa ein Preis für Unternehmertum der Uhrenmarke Rolex –, werden ebenfalls in die Seerestaurierungen gesteckt.

Eine weitere Aufgabe, die sich die EFI stellt, ist die Aufklärung der Bevölkerung bei Umweltthemen. "Indien ist ein großes Land mit vielen Menschen. Mit einer großen Öffentlichkeit zu kommunizieren ist eine Herausforderung", erklärt der Aktivist. Youtube und Social Media sind zu Spielwiesen geworden. Die Videodoku-Reihen über Indiens Wasserwelt, die EFI produziert und die dort promotet werden, haben einfallsreiche Namen wie "Lake Night Show" und "Hydrostan".

Krishnamurthy klärt freiwillige Helfer über die Reinigungsarbeit am See auf.
Foto: Rolex / Kesara Ratnavibhushana

Wandbilder für die Natur

Doch ein großer Teil der Arbeit ist offline: Die Aktivisten besuchen Schulen und Universitäten. "Erst vor kurzem war ich an einer Frauenuniversität und habe dort vor 1000 Studentinnen gesprochen", gibt Krishnamurthy ein Beispiel. Besonders wichtig sind Aktivitäten, die sich an eine lokale Community rund um die Seen richten. Dazu gehört das Bemalen von Wänden mit Bildern, die Informationen zur umgebenden Natur beinhalten oder – zumindest bis vor der Covid-19-Krise – Straßentheater mit aufklärerischen Inhalten.

Die EFI ist heute in 16 der 29 indischen Bundesstaaten vertreten. Bald möchte man in ganz Indien aktiv sein, und nicht nur das. Aus der Environmentalist Foundation of India soll bald Environmentalist Foundation International werden. Krishnamurthy und sein Team wollen nach Sri Lanka, Bhutan und Bangladesch expandieren. Das Ziel ist, so viele "young leaders" wie möglich auszubilden, die sich überall um die Umweltschutzziele der EFI kümmern. Nachdem ein großer Anteil der Verschmutzungen, die letztendlich auch in die Meere gelangen, in dieser Weltregion entstehen, kann das nur eine gute Nachricht sein. (Alois Pumhösel, 2.9.2022)