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Die Spritpreise zogen in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern stark an. Die SPÖ droht nun mit einer Ministeranklage.

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Sollte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) in Sachen Spritpreise nicht "umgehend tätig werden", will die SPÖ eine Ministeranklage gegen ihn beantragen. Kocher missachte "das Preisgesetz, laut dem er bei ungerechtfertigt hohen Preisen an der Zapfsäule eingreifen müsste", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Aussendung der Partei. Aber ist das tatsächlich der Fall? Ist der Minister rechtlich dazu verpflichtet?

Staatliche Eingriffe in Preise sind jedenfalls heikel – und daher nur unter äußerst strengen Voraussetzungen möglich. Grundlage ist das Preisgesetz, das vor allem Rechte für den Staat festlegt. Der Wirtschaftsminister darf etwa dann in Preise eingreifen, wenn eine "Störung der Versorgung unmittelbar droht" und andere, marktkonforme Maßnahmen nicht ausreichen. Im Fall von Öl und Treibstoffen ist die Regierung unter Umständen aber sogar zum Handeln verpflichtet.

Die damaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP hatten diese Sonderregelung für Sprit 1999 geschaffen und als Verfassungsgesetz beschlossen. Demnach muss der Wirtschaftsminister eine Untersuchung einleiten, wenn der Verdacht besteht, dass die Preise die internationale Entwicklung in "ungewöhnlichem Maße" übersteigen. Ergibt sich, dass die Erhöhungen "ungerechtfertigt" sind, ist er sogar zu Eingriffen verpflichtet.

Preise gerechtfertigt?

Die Spritpreise sind in Österreich zuletzt tatsächlich stark gestiegen: Wie DER STANDARD berichtete, zahlt man hierzulande bis zu sechs Prozent mehr als im EU-Ausland. Auch die Wettbewerbsbehörde (BWB), die derzeit den Treibstoffmarkt untersucht, wies im Juli in einem Zwischenbericht darauf hin, dass die Margen der Konzerne enorm gestiegen sind. Aber liegen deshalb bereits "ungewöhnliche" Erhöhungen vor, die Untersuchungen notwendig machen? Oder gar "ungerechtfertigte" Preise, die den Minister zu Eingriffen verpflichten?

Florian Schuhmacher, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Wien, sieht das eher kritisch: Die Festsetzung von Preisen sei als "absolute Ausnahme" konzipiert und nur unter "sehr engen" Voraussetzungen möglich. In Österreich müsse dafür eine "extreme Sondersituation" vorliegen. Im Kern seien die aktuellen Preissteigerungen aber nach wie vor auf internationale Entwicklungen zurückzuführen.

Das Wirtschaftsministerium verweist in einer Stellungnahme an den STANDARD auf die laufenden Untersuchungen der BWB. Sobald der endgültige Bericht vorliege – das dürfte in den nächsten Wochen der Fall sein –, werde man "prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Regulierung" erfüllt sind. Klar sei, "dass die Steigerungen der Bruttomargen seitens der Branchenvertreter erklärt werden müssen".

Eine Ministeranklage der SPÖ hätte derzeit jedenfalls kaum Chancen auf Erfolg. Der Nationalrat kann Regierungsmitglieder wegen schuldhafter Gesetzesverstöße zwar vor dem Verfassungsgerichtshof anklagen, dafür bräuchte es allerdings eine Mehrheit. Dass die Grünen ausscheren und einem Antrag der SPÖ zustimmen, gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Kommission im Herbst

Abgesehen von Eingriffen in die Spritpreise verlangte die SPÖ zuletzt auch eine Untersuchung der Lebensmittelbranche. Minister Kocher solle einen Sonderbericht bei der Wettbewerbsbehörde beantragen, so die Forderung. Derzeit führt die BWB keine Branchenuntersuchung durch. Der Lebensmittelhandel stehe aber immer im "Fokus", heißt es seitens der Behörde.

Spätestens im Herbst wird sich Kocher zwangsläufig mit den Preissteigerungen befassen müssen. Die Arbeiterkammer kündigte auf STANDARD-Anfrage an, demnächst einen Antrag auf Einrichtung einer Preiskommission zu stellen. Minister Kocher müsste dann Untersuchungen einleiten. Empfehlungen der Kommission wären für ihn allerdings nicht verbindlich. (Jakob Pflügl, 11.8.2022)