Johann Fuchs ist Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien.

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Im langwierigen Streit zwischen Ministeriumsspitze und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf der einen, Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und dem suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek auf der anderen Seite ist am Mittwoch ein neues Kapitel eröffnet worden. Johann Fuchs, Leiter der OStA Wien, wurde zu 72.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Er wird Berufung einlegen. Der STANDARD hat die wichtigsten Fragen und Antworten dazu zusammengefasst.

Frage: Was bedeutet die Verurteilung für Fuchs?

Antwort: Zunächst einmal nichts Konkretes. Er hat gegen den Schuldspruch Berufung eingelegt, ist also weiterhin unbescholten. Das bedeutet auch, dass sein Disziplinarverfahren ruht, bis ein Urteil rechtskräftig wird. Er kann also vorerst Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien bleiben. Die Frage der Optik ist natürlich eine andere.

Frage: Wofür wurde Fuchs nun verurteilt?

Antwort: Im Grunde ging es um zwei separate Vorgänge: Erstens soll Oberstaatsanwalt Fuchs Informationen über eine Anzeige der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen eine Journalistin an den damaligen Sektionschef Christian Pilnacek weitergegeben und somit das Amtsgeheimnis verletzt haben. Zweitens soll er vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch über die Weitergabe von Akten ausgesagt haben.

Frage: Wie begründete die Richterin ihre Entscheidung?

Antwort: Die Anzeige der WKStA war bei der Staatsanwaltschaft Wien eingegangen, die keinen Grund für Ermittlungen sah und dies Fuchs als ihrem Vorgesetzten mitteilte. Es habe sich um einen Verschlussakt gehandelt, Fuchs habe das nicht an Pilnacek weitergeben dürfen, argumentierte die Richterin. Pilnacek hat die Information dann an den Kurier weitergegeben – dafür ist er übrigens rechtskräftig freigesprochen worden. Fuchs habe einerseits die Interessen der angezeigten Journalistin verletzt – was diese selbst bestreitet; und andererseits eine unbefangene Entscheidungsfindung verhindert.

Frage: Worum geht es beim Vorwurf der Falschaussage?

Antwort: Auch da ging es um die Weitergabe von Akten an Pilnacek, da hatte sich Fuchs vor dem Ibiza-Ausschuss auf Erinnerungslücken berufen. Die Richterin glaubte ihm das nicht, da erst wenige Tage zuvor Aktenteile zwischen Fuchs und Pilnacek ausgetauscht worden waren.

Frage: Wie steht es um die Ermittlungen gegen Pilnacek?

Antwort: Der suspendierte Sektionschef konnte mit dem Freispruch rund um die Weitergabe von Informationen an den Kurier einen Erfolg für sich verbuchen. Allerdings ist er in weiteren Verfahren Beschuldigter. Er wird ebenfalls der Falschaussage verdächtigt, außerdem wird ihm der Verrat einer Hausdurchsuchung vorgeworfen. Pilnacek bestreitet das. Seine vorläufige Suspendierung wurde jedoch rechtskräftig bestätigt; er bleibt also mindestens bis zum rechtskräftigen Abschluss der Verfahren außer Dienst.

Frage: Was bedeutet das politisch?

Antwort: Die ÖVP hatte sich als einzige Partei an die Seite von Fuchs und Pilnacek gestellt und etwa Wirbel gemacht, weil der Weisungsrat der Justizministerin eine erste Version der Fuchs-Anklage für verbesserungswürdig gehalten hatte. Mit dem erstinstanzlichen Schuldspruch des unabhängigen Straflandesgerichts Innsbruck lässt sich der Vorwurf einer politischen Anklage jedoch nur mehr schwer aufrechterhalten.

Frage: Welche Auswirkungen hat das über den Fall hinaus?

Antwort: Bislang war es in verschiedenen Ämtern durchaus Usus, dass Beamte miteinander verschiedene Inhalte ihrer Arbeit besprochen haben – seien es rechtliche Fragestellungen innerhalb der Justiz oder Ermittlungsschritte bei der Polizei. Das diente nur manchmal dem Tratsch, oft wurde auch die gegenseitige Expertise gesucht. Jetzt ist klar, dass zumindest das Verschicken von Dokumenten aus Verschlusssachen nicht erlaubt ist. Die Beamten haben sich strikt an ihre Vorgesetzten der Fachaufsicht zu halten, wenn sie Inhalte besprechen wollen. Ebenso deutlich ist: Die Angabe von Erinnerungslücken reicht nicht, um immun gegen den Vorwurf der Falschaussage vor dem U-Ausschuss zu sein. (Fabian Schmid, 11.8.2022)