So hätte es Samsung gern: alle Geräte aus einer Hand – der eigenen. Das ist aber nicht die Realität in der Android-Welt.

Foto: Samsung

Immer auch das Kleingedruckte lesen! Diese alte Weisheit gilt nicht nur vor dem Unterzeichnen von wichtigen Verträgen, sondern auch für die Produktankündigungen vieler Hardwarehersteller. Immerhin finden sich in den Fußnoten oftmals allerlei interessante Details – und in einigen Fällen auch negative Überraschungen.

Samsung <3 Samsung

Wer etwa die aktuellen Neuvorstellungen von Samsung näher verfolgt hat, der musste schon sehr genau aufpassen, um wirklich zu verstehen, was man hier bekommt – und was nicht. Ist doch eine wachsende Schar an Features nur dann verfügbar, wenn man sich voll und ganz auf die Samsung-Welt einlässt.

Das beginnt bei der Galaxy Watch 5. Die neue Smartwatch wirbt nicht zuletzt mit umfassenden Möglichkeiten zur Analyse von Fitness- und Gesundheitsdaten. Das Problem dabei: Einige dieser Funktionen gibt es nur im Zusammenspiel mit einem Samsung-Smartphone. Wer ein anderes Android-Gerät verwendet, der muss etwa ohne EKG und Blutdruckmessung auskommen.

Kaum nachvollziehbare Begründungen

Der Grund dafür: Damit diese Messungen klappen, muss auf dem Smartphone eine App namens "Samsung Health Monitor" installiert werden, die es exklusiv über Samsungs eigenen Galaxy App Store gibt. In Googles Play Store wird sie hingegen nicht angeboten. Dabei handelt es sich auch keineswegs um eine Versehen. Immerhin war das schon beim Vorgänger – der Galaxy Watch 4 – der Fall, zudem bestätigt Samsung gegenüber dem STANDARD, dass das auch so bleiben soll.

Eine technisch wirklich schlüssige Begründung dafür kann man nicht liefern, recht vage spricht man in einer Stellungnahme von einer "stabilen Serviceerfahrung" und dem Bestreben nach der "besten Qualität". Klar ist insofern eigentlich nur, dass es für die Nutzer von Android-Smartphones anderer Hersteller ganz sicher nicht die "beste Qualität" gibt.

Earbuds mit Abzügen

Wer meint, das wäre ein Ausreißer, der hat noch nichts von den neuesten Earbuds des Unternehmens gehört. Das herausragende Feature der Galaxy Buds 2 Pro ist nämlich Support für 24-Bit-Audio. Klingt sicher super, im erwähnten Kleingedruckten erfährt man dann aber, dass das ausschließlich im Zusammenspiel mit aktuellen Samsung-Smartphones klappt.

Weiter geht es mit dem nahtlosen Wechsel zwischen mehreren Geräten. Das Versprechen ist auch hier nett: Schaut man gerade auf dem Tablet einen Film, wechseln die Earbuds automatisch aufs Smartphone, wenn dort ein Anruf eingeht. Blöd halt nur, wenn das Tablet nicht von Samsung ist. Denn auch das klappt wieder nur, wenn alle der erwähnten Geräte von Samsung stammen. Für Käufer, die nicht immer das Kleingedruckte lesen, dürfte das eine ziemlich unerfreuliche Überraschung sein.

Und noch eins

Dafür klappt der automatische Wechsel mittlerweile auch mit einem Fernseher – TV Seamless Connection nennt sich das. Also zumindest wenn man eines der 18 offiziell unterstützen Samsung-TV-Modelle aus der allerneuesten Hardwaregeneration des Unternehmens hat. Wer all das voll nutzen will, sollte also nicht nur ausschließlich Samsung-Geräte einsetzen, sondern auch noch die neuesten. Für alle anderen bleiben diese Funktionen reine Theorie.

Nun sei gar nicht verschwiegen, dass es zum Teil durchaus nachvollziehbare technische Gründe dafür gibt. Dass Samsung sein eigenes Codec für 24-Bit-Audio nicht gleich auf allen Geräten unterbringen kann, ist schon klar. Insofern könnte zumindest dieser Punkt auch in der Spalte "eigene Innovationen ohne den Bremsklotz eines Abgleichs mit anderen Firmen vorantreiben" verbucht werden.

Diese Argumentation zieht aber nicht überall. Den automatischen Wechsel zwischen mehreren Geräten gibt es mittlerweile auch fix als Bestandteil der Google Play Services auf sämtlichen Android-Geräten. Und die Argumentation im Hinblick auf die erwähnte "Samsung Health Monitor"-App ist ohnehin kaum nachvollziehbar.

Lock-in als Motivation

In Wirklichkeit steckt dahinter natürlich etwas anderes: Samsung versucht, jene Lock-in-Strategie zu kopieren, mit der Apple seit Jahren erfolgreich ist. Also über exklusive Features die eigenen Kunden immer tiefer ins eigene Ökosysteme zu ziehen. Sie davon abzuhalten, überhaupt noch Geräte von anderen Herstellern zu kaufen.

Das mag wirtschaftlich auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, immerhin zeigt Apple vor, wie einträglich dieser Ansatz sein kann. In Wirklichkeit ist es aber ziemlich kurzsichtig, übersieht Samsung dabei doch einen entscheidenden Faktor: Die Android-Welt funktioniert anders. Gerade die Wahlfreiheit ist es, die viele bei Googles Betriebssystem hält. Für jeden Nutzer, den man mit solch "exklusiven" Features für sich gewinnt, verärgert man zwei mit Funktionen, die sie nicht nutzen können.

Zudem führt dies dazu, dass bei Tests solcher Samsung-Peripherie eigentlich immer ein Satz angefügt werden muss: "Nur für jene uneingeschränkt zu empfehlen, die auch ein Samsung-Smartphone haben." Also implizit den Nutzern anderer Android-Smartphones von einem Kauf abraten. Dass das ein Ruf ist, den Samsung haben will, darf bezweifelt werden.

Kooperation statt Einzelwege

Die Realität bleibt: Wer Android für seine Geräte nutzen will, ist mit Kooperation besser bedient als mit Alleingängen. Samsung wäre also gut beraten, offensiver mit Google zu kooperieren und zu versuchen, die eigenen Entwicklungen ins offizielle Android zu bekommen, damit dann alle etwas davon haben – und mit "alle" sind in diesem Fall vor allem die Nutzer gemeint. Samsungs Earbuds oder Smartwatches sollten auch mit den Smartphones von Vivo, Xiaomi und Co perfekt zusammenspielen.

Immerhin ist es schon schlimm genug, dass es solch eine klare Grenze zwischen den Welten von Apple und Google gibt. Also etwa Airpods im Zusammenspiel mit einem Android-Smartphone nur einen Bruchteil der Funktionalität bieten. Jetzt auch noch innerhalb der Android-Welt Sonderwege zu beschreiten ist eine Fehlentwicklung. Und zwar eine, die noch dazu das Risiko birgt, die Interessenten gleich ins Apple-Ökosystem zu verjagen – immerhin wird dieses Spiel dort konsequenter und besser durchgezogen.

Der Plan wird nicht aufgehen

Zumindest ein Trost bleibt: Bisher sind noch alle Hersteller, die sich an solchen Alleingängen rund um Android versucht haben, damit gescheitert. Insofern wird es auch Samsung – wieder – so ergehen, egal wie sehr man sich wünschen mag, einmal Apple zu sein. (Andreas Proschofsky, 12.8.2022)