"Hände falten, Goschn halten" spielt es bei Hulk und Cousine She-Hulk eher nicht.

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Kat Coiro führte bei sechs Folgen von "She-Hulk" Regie.

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Nach einem romantischen Abendessen mit einem durchtrainierten Muskelpaket hebt Jessica Walters ihr Rendezvous wie eine Feder von der Couch und trägt ihn ins Schlafzimmer. Was Walters von anderen Rechtsanwältinnen in den 30ern unterscheidet? Sie ist über zwei Meter groß und grün.

Anders als ihr Mutanten-Cousin Bruce Banner (Hulk) trägt die von Tatiana Maslany verkörperte She-Hulk ihre Schlachten allerdings nicht in anderen Dimensionen gegen Aliens, sondern im Gerichtssaal aus.

Die neun Folgen umfassende Marvel-Serie versteht sich nämlich als Mix aus Superheldinnenfilm und Justizdrama. Während Hulk zu Beginn seiner Karriere ein durch Gammastrahlen entstandenes Monstrum war, ist She-Hulks Verwandlung vorerst ein Geheimnis. Wie sie grün wurde und welche Herausforderungen eine Mutantenanwältin zu bewältigen hat, ist ab 18. August auf Disney+ zu sehen.

Kat Coiro führte bei sechs Episoden Regie – DER STANDARD hat sie zum Gespräch getroffen.

STANDARD: Es ist Ihre erste Produktion im Marvel Cinematic Universe (MCU). Inwiefern unterschied sich die Arbeit von bisherigen Projekten?

Coiro: Der starke Einsatz von CGI. Es war für uns alle komplett neu, da wir mit einem CGI-Charakter arbeiten, der in der realen Welt lebt. Das braucht viel Vorbereitung. Wir verbrachten Monate damit, alle Möglichkeiten der Computeranimation zu besprechen, bevor wir auch nur eine Sekunde der Show gedreht haben.

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STANDARD: She-Hulk wird erstmals in dieser Show gezeigt. Sie geben den Ton vor, den dieser Charakter in Zukunft anschlagen wird. Stellt das nicht einen unglaublichen Druck dar?

Coiro: Ich war ein Fan von "She-Hulk", seit ich ein Kind war. Sie stach immer schon als diese kühne, federführende Frau heraus, die Kontrolle über ihr Narrativ hat. Ich finde, dass die Serie die Essenz des Charakters gut einfängt, und glaube, dass wir sie so aufgesetzt haben, dass sie auf viele Arten weitergeführt werden kann, je nachdem, was das MCU mit ihr vorhat.

STANDARD: Von welchen Werken haben Sie sich für Ihre Arbeit an "She-Hulk" inspirieren lassen?

Coiro: "Ant-Man" und "Natürlich blond". "Ant-Man", weil wir etwas aus seinem Alltag gesehen haben. Das haben wir in "She-Hulk" auch umgesetzt. Wir sehen, wie Jennifer datet, mit ihren Kollegen abhängt und ins Büro geht. Ich glaube, das ist etwas, das das Publikum immer schon sehen wollte. Was eine Superheldin tut, wenn sie nach Hause kommt. "Natürlich blond" hat uns dementsprechend inspiriert, weil es die klassische Szenerie eines Gerichtssaals zerrüttete und eine unerschrockene Weiblichkeit integrierte. Allein die Farbe Pink war ein Novum. Das findet man in der Farbpalette einer Gerichtsshow nicht. Dinge einzubauen, die im Rahmen von Gerichtssettings sonst nicht vorkommen, war uns wichtig.

Jessicas grüner Mutanten-Cousin soll ihr beibringen, was es bedeutet, ein Hulk zu sein.
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STANDARD: "She-Hulk" ist sowohl vor als auch hinter der Kamera weiblich geführt. Inwiefern hat das die Show beeinflusst?

Coiro: Wendy Jacobs (Produzentin bei Marvel) sagte mir, es war ihre Vision, dass die Show durch die weibliche Linse gesehen wird. "She-Hulk" ist eine Art Fantasie für Frauen. Stellen Sie sich vor, Sie müssen nicht höflich sein, wenn Sie ein Mann in der Bar blöd anmacht. Wir sind höflich, weil wir so konditioniert wurden und Angst haben. Wie wäre es, wenn Sie nachts nach Hause gehen, jemand belästigt Sie, und Sie können ihm in den Hintern treten? Das sind Erfahrungen, die Frauen tagtäglich machen. Wendys Vision war, dass wir so viele Frauen wie möglich hinter und vor die Kamera bringen.

Superheldin und Staranwältin: Jessica Walters ist beides.
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STANDARD: Gab es etwas, das Sie als Regisseurin unbedingt durchsetzen wollten? Etwas, worauf Sie bestanden haben?

Coiro: Das Wundervolle an der Marvel-Welt ist, dass sie extrem kollaborativ ist und ein Umfeld bietet, in dem die beste Idee gewinnt. Menschen haben keine Angst, ihre Ideen zu teilen. Details, die den Charakter komplettieren, kommen von überallher. Kleine wie große Entscheidungen. Die Idee, welchen Avenger Jennifer Walters beispielsweise als Handyhintergrund hat, kam von Tatiana selbst. Die Produktion ist ein durchgehendes Verhandeln von Ideen. Ich hatte nie das Gefühl, dass es einen Kampf gäbe, sich mit seinen eigenen Vorstellungen durchsetzen zu müssen, weil es ein partizipativer Prozess war. Die beste Idee gewinnt einfach. Weil wir aber offensichtlich so viele gut entwickelte weibliche Charaktere haben, war es mir durchwegs ein Anliegen, auch unseren männlichen Charakteren Entwicklungsraum zu geben. Denn wenn sich die Welt ändern soll, müssen wir gut entwickelte Figuren auf beiden Seiten bieten.

STANDARD: Sie führen in sechs von neun Folgen Regie. Waren Sie auch einmal froh, die Arbeit abgeben zu können, oder hätten Sie lieber alle neun Folgen produziert?

Coiro: Die Postproduktion nahm aufgrund des CGI so viel Zeit in Anspruch, dass es von Anfang an Teil des Plans war, die Show aufzuteilen. Wir wären sonst niemals im Zeitplan geblieben. So ein starker Einsatz von Effekten benötigt einfach viel mehr Zeit als eine klassische Fernsehproduktion. Das mag ich an Marvel – es bietet ein unglaublich kooperatives Arbeitsumfeld. Viele von uns sehen diese Show als ihr Baby an. Es ist anders als eine normale Fernsehsendung. Du baust mit dieser Serie eine Welt und bist automatisch Teil eines größeren Universums.

Ein Gerichtssaal: einer der Hauptschauplätze der Show.
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STANDARD: Wovon haben Sie sich für das Erscheinungsbild für She-Hulk inspirieren lassen?

Coiro: Das war ein wichtiger Prozess für uns. Relevant ist, dass Jessica Walters in einer normalen Welt existiert. Sie geht in ein Büro, in Restaurants und geht auf Dates. Wir wollten, dass diese Figur in die Welt einer regulären Person passt. Eines unserer Doubles war deswegen eine zwei Meter große Frau namens Melia, die wir oft als Referenz nahmen. Wir haben immer gesagt: Schaut sie an. Da steht diese wundervolle, wunderschöne Frau, die eben zwei Meter groß ist. Wenn es um die Erscheinung des Charakters ging, haben wir sonst eigentlich öfter über Stärke als über Aussehen gesprochen. Wir haben uns von olympischen Athletinnen inspirieren lassen. Diese Frauen, die so unglaublich kraftvoll und stark sind, aber nicht die Physis einer Bodybuilderin besitzen, die wiederum traditionell maskulin gelesen wird.

STANDARD: Sie sind jahrelanger Fan des MCU. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Film des Franchise?

Coiro: Tatsächlich "Der unglaubliche Hulk" damals 2008. In Vorbereitung auf diesen Job habe ich allerdings das ganze MCU in chronologischer Reihenfolge gesehen. Von Anfang bis zum Ende. Ich habe tagelang damit verbraucht, mir diese Filme reinzuziehen. Beeindruckend war für mich, wie sich dieses Universum über die Jahre entwickelt hat. Ich denke, was das MCU von anderen Filmreihen so stark unterscheidet, ist, wie verbunden es mit der Fanbase ist. Der Style und die Atmosphäre ändern sich über die Jahre, und ich glaube, dass "She-Hulk" eine echte Evolution aufweist, wenn man sich einmal 2008 ansieht. Das, was das Publikum möchte; das, was die Fans möchten. (Maximilian Leschanz, 13.8.2022)

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