Mit Smetana im Großen Festspielhaus: Daniel Barenboim.

Peter Adamik

Salzburg – Im Mai musste Dirigent und Pianist Daniel Barenboim die Tournee mit seinem sehr speziellen Kollektiv doch noch absagen. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn, das auch humanistisch gedachte West-Eastern Divan Orchestra in Kollegenhände zu legen. Bei diesem Projekt spielen ja israelische und arabische Musiker und Musikerinnen zusammen.

Nun hat man es doch wieder für zwei Abende zu den Salzburger Festspielen geschafft. Von Barenboim 1999 mit dem palästinensischen Literaturtheoretiker Edward Said gegründet, verfügt das West-Eastern Divan Orchestra über eine wichtige versöhnliche Botschaft. Nach dem vor kurzem wieder heftiger aufgeflammten Dauerkonflikt im Nahen Osten hat die friedliche Intention besondere Aktualität erlangt.

Der Klangkörper ist natürlich auch auf musikalisch hohes Niveau angelegt und in diesem Sinne mit Initiator Barenboim bereits seit Jahren Dauergast in Salzburg. Dass diese interpretatorische Qualität auch ein überschäumend energetisches Spiel beinhaltet, war am Mittwoch zu Gastspielbeginn im Großen Festspielhaus auch zu erleben.

Eher minimalistisch

Dirigent Barenboim wirkte diesmal jedoch etwas angeschlagen und dirigierte mit minimalistischer Geste. Angesichts von Bedřich Smetanas programmmusikalischem Zyklus Mein Vaterland war das punktuell nicht unbedingt von Vorteil. Das hochmotivierte Divan-Orchester hätte bei den exponierten Stellen – etwa beim eröffnenden Vyšehrad – durchaus eher dämpfende und auf mehr Ausgewogenheit bedachte Interventionen vertragen. Das klang – auch später an ähnlichen Stellen – doch etwas ausufernd opulent.

Dringlich musizieren

Dieser Zyklus aus sechs symphonischen Dichtungen lädt nicht nur zu exzessiven Entladungen ein. Er bietet in seinen musikalischen Schilderungen des Außermusikalischen auch Gelegenheit, "schlankere" Pointen zu setzen.

Bei Aus Böhmens Hain und Flur berückten dann sanft dahinflitzende Linien, diskrete Effekte also abseits des Plakativen. In Summe natürlich beeindruckend, mit welcher Dringlichkeit musiziert und Spannung gehalten wurde. Das Orchester spielte nicht nur unter Barenboims Leitung, es spielte quasi für ihn, der anschließend heftig gefeiert wurde. Er dirigiert am 20 und 22.8 übrigens in Salzburg die Wiener Philharmoniker. (Ljubisa Tosic, 12.8.2022)