Das NFT ist tot, lang lebe das NFT! So oder so ähnlich lässt sich die derzeitige Lage in der NFT-Bubble zusammenfassen. Auf den Hype im Jahr 2021 folgte die große Ernüchterung 2022: fallende Verkaufszahlen, zahlreiche Betrügereien, enttäuschte Käufer. Während einige das als "Selbstreinigungsprozess" identifizieren, ist für andere der Markt gestorben.
Dennoch schnuppern auch heimische Unternehmen in diesen Geschäftsbereich. Nachdem das Belvedere mit den "Der Kuss"-NFTs einen durchwachsenen Versuch zu Beginn des Jahres unternommen hat, bringt nun auch die Österreichische Post digitale Briefmarkenkunst auf den NFT-Markt.
Kryptomarken
Die Post hat dabei einige Erfahrung mit NFTs und der Blockchain, verkauft sie doch seit 2019 "Crypto Stamps", also physische Briefmarken, die einen digitalen Zwilling auf der Blockchain haben. Wird die digitale Version auf der Blockchain transferiert, ist die Transaktion dort lückenlos dokumentiert und dient als Beweiszertifikat – so die Idee. Ob solche digitalen Transfers dann aber tatsächlich auch in der echten Welt umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt.
Seit Juli hat die Post dieses Angebot ergänzt: So sind jetzt auch NFTs erhältlich, die mit bestimmten digitalen Kunstwerken (einer Neuinterpretation der Merkur-Briefmarke in unterschiedlichen Farben) verknüpft sind. Zu kaufen gibt es diese "Crypto Stamp Art" aber nur über sogenannte Mystery-Boxen die jeweils vier zufällige NFTs enthalten – bei 2.500 Boxen also 10.000 NFTs. Stolzer Preis für eine Box: 500 Euro.
Unklare Rechte
Dabei sind NFTs im Kern nichts anderes als Datensätze auf einer Blockchain, die fast immer auf eine Bilddatei verweisen. Speicherplatz auf Blockchains ist teuer, weshalb die Datei so gut wie nie auf der Blockchain selbst, sondern auf externen Servern gespeichert wird. Während die ursprüngliche Idee darin lag, mittels NFTs Nutzungsrechte an den verknüpften digitalen Kunstwerken einzuräumen, sehen einige NFTs nunmehr auch Mitgliederrechte für Inhaber vor – so zum Beispiel beim "Bored Ape Yacht Club".
Bei der überwältigenden Mehrheit von NFT-Projekten bedeutet der Erwerb eines NFTs aber rechtlich wenig bis gar nichts. Wenn das rechtliche Rahmenwerk (sofern es überhaupt eines gibt) nichts vorsieht, erwirbt man bloß das NFT selbst. Also einen Eintrag auf einer Blockchain, der auf eine URL verweist, auf der ein Bild (öffentlich) gehostet wird. So sehr sich das NFT-Befürworter auch herbeisehnen: Rechte an diesen Bildern (will heißen: Nutzungsrechte, da Eigentum an Daten in Österreich überwiegend verneint wird) gibt es nur bei klaren Regelungen – und die existieren eben kaum.
10.000 Pointer und acht Bilder
Auch die Post stellt zwar umfangreiche AGBs zum Projekt zur Verfügung, Regelungen zu Nutzungsrechten an der verknüpften Kunst sucht man allerdings vergeblich. Angesprochen wird nur das "Eigentum" am NFT selbst.
Warum das so ist, erklärt sich aus der Gestaltung des Projekts: Anders als etwa bei den "Der Kuss"-NFTs wurden nicht 10.000 verschiedene digitale Bilder erstellt und mit jedem NFT einzeln verknüpft. Die Post begnügt sich damit, auf acht verschiedene Kunstwerke in Form einer Briefmarke zu verlinken. Genauer gesagt ein Motiv mit acht verschiedenen Hintergründen (zum Beispiel blau, grün oder gelb). Dabei ist die Häufigkeit der Verweisungen unterschiedlich – auf die gelbe Briefmarke verweisen etwa 1.000 NFTs, auf die grüne bloß eines.
Die Chancen stehen daher gut, NFT Nr. 897 zu bekommen, welches zum Beispiel auf das Kunstwerk mit gelbem Hintergrund verweist. Worin der Unterschied zu den NFTs Nr. 728 oder 376 besteht, die ebenfalls auf dieses Kunstwerk verweisen, mag jeder für sich selbst entscheiden.
NFTs sind eben nur in Hinblick auf ihre Nummer (die Token-ID) einzigartig – dass unzählige NFTs auf dasselbe Bild verweisen, ist aber technisch gesehen ohne Probleme möglich. Aus diesem Grund sind auch Verwertungsrechte an den digitalen Briefmarken schwer einzuräumen – wie soll das realistischerweise bei hunderten Nutzern passieren, die alle auf dasselbe Bild verwiesen werden?
Aber selbst wenn man eines der seltenen NFTs ergattert (deren Verweis einmalig ist), bleibt fraglich, was man damit eigentlich erworben hat. Da keine Rechte am Bild eingeräumt werden, kann de facto nur das NFT selbst verkauft werden: ein Blockchain-Eintrag, der auf ein im Internet frei einsehbares Bild verweist. Das Urheberrecht an den Bildern selbst (und damit wohl auch alle Nutzungsrechte) hält der schaffende Künstler. Ein Käufer kann daher nur darauf hoffen, dass einer der Einträge in den Augen eines potenziellen Käufers ein lohnendes Investment ist.
Glaub ans Glück?
Wer die Debatte der letzten Jahre zu sogenannten Lootboxen verfolgt hat, wird wissen, dass das Öffnen von virtuellen Boxen, aus denen man per Zufallsprinzip Sachen mit wirtschaftlichem Wert erhält, gefährlich nahe am (illegalen) Glücksspiel liegt. So nah, dass etwa Belgien und die Niederlande beschlossen haben, diese Boxen ganz zu verbieten.
Auch die Post scheint risikoaffin zu sein, ist doch der Erwerb der NFTs bloß im Rahmen des Kaufs der digitalen Mystery-Boxen, deren Inhalt allein vom Zufall abhängt, möglich. Zur Ausspielung eines Glücksspiels nach dem Glücksspielgesetz sind aber eigentlich nur die Konzessionäre – die Österreichischen Lotterien sowie die Casinos Austria – befugt. Daneben ist es auch lauterkeitsrechtlich untersagt, Waren oder Leistungen in der Form zu vertreiben, dass die Lieferung der Ware vom Ergebnis einer Verlosung oder einem anderen Zufall abhängig gemacht wird. Ob die Post sich im Rahmen dieser Vorgaben befindet, wird sich wohl erst zeigen müssen. (Sonam Schima, 5.8.2022)