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"Willkommen an alle Erstsemester. Wir haben vor euch mehr Angst als ihr vor uns", begrüßt uns die freundliche Stimme im hauseigenen Radiosender von "Two Point Campus". Wir als Spieler haben zwar keine Angst vor den Erstsemestern, aber ein bisschen aufregend ist der Start in ein neues Studienjahr dennoch.

Schließlich wollen unsere Studierenden Party, Unterhaltung, sich verlieben und, wenn noch etwas Zeit bleibt, ihr Hauptfach studieren. Das alles müssen wir als Spieler unseren Kunden zur Verfügung stellen, denn geben die jungen Clowns, Punks und Goths ihre Uni-Karriere auf, verlieren wir das wichtigste Gut in "Two Point Campus". Nein, nicht die Zukunft der Jugend oder die Forscher und Ärzte von morgen, sondern ihre Studiengebühren.

DER STANDARD

In "Two Point Campus" ist es unsere Aufgabe als Rektor, Baumeister und Mikromanager einer Universität, für gute Noten, Zufriedenheit unserer Mitarbeiter sowie einen ständig fließenden Strom an Bargeld zu sorgen, das wir unseren Studierenden aus der Tasche ziehen müssen.

Weiterentwicklung des Vorgängers

Der Aufbau ist beinahe identisch mit jenem des Vorgängers. Veteranen von "Two Point Hospital" finden sich schnell zurecht und können die Tutorial-Tipps in den ersten Levels eigentlich ignorieren. Das Gameplay besteht im Prinzip aus dem Aufbau und der Instandhaltung der Campus-Gebäude und deren Räume. Zu Beginn eines Schuljahres bauen wir Forschungslabore, Vorlesungsräume, Bibliotheken und Schlafsäle für die Studierenden.

Die zuckerlbunte Grafik ist der heimliche Star des Spiels.

Dabei dürfen wir auch nicht auf die Grundbedürfnisse der Studierenden vergessen. So brauchen wir Duschräume und gleich zwei Gelegenheiten für Partys: den Aufenthaltsraum sowie das Studienzentrum. Anschließend gründen wir Buchklubs, stellen Essensautomaten mit Junkfood auf und sollten die Toiletten nicht vergessen, es sei denn, wir stellen genug Hausmeister mit Wischmopp ein.

Ja, auch Riesenpizza steht auf dem Studienplan.
Foto: Two Point

Beim Aufbau des Campus haben die britischen Entwickler einen der größten Kritikpunkte des Vorgängers ausgemerzt: In "Two Point Hospital" wurde der Schwierigkeitsgrad in den späteren Levels durch vorgefertigte und teilweise unpraktisch geplante Grundrisse künstlich in die Höhe geschraubt. In "Two Point Campus" dürfen wir selbst Hand anlegen und unsere Grundmauern selbst ziehen. Das führt zwar dazu, dass rechteckige, schnörkellose, aber effiziente Bauten die Vielfalt schmälern, dafür wird der Spielspaß nicht durch eine künstliche Spitze im Schwierigkeitsgrad gebremst.

Mikromanagement und Deko-Wahn

Dekorieren können wir unsere Räume mit Postern, Gemälden, Statuen, Teppichen oder Leuchtreklame. Neben der technischen Ausstattung wie einem gigantischen Kochtopf für das Kulinarikstudium müssen die Räume nämlich attraktiv sein, damit die Studierenden besser lernen und sich die Dozenten wohlfühlen. Nur wenn die Räume gut ausgestattet sind, können die Studierenden gute Noten schreiben und wir bekommen dafür mehr Studiengebühren in unser Börserl.

Denn um das Geld dreht sich letztendlich alles: Der Ausbau des Campus ist extrem teuer, Partys drücken aufs Budget, und so ein Pausenraum für das Personal muss auch erst einmal finanziert werden. Für ihre Gebühren verlangt unsere Kundschaft auch einiges: Permanent jammert sie über schlechte Ausstattung, wünscht sich neues und verbessertes Unterrichtsmaterial, schönere Deko-Elemente, wilde Feiern oder gar mehr Fastfood-Stände auf dem Campus.

Die Bedürfnisse unserer Studenten können wir uns in verschiedenen Kartenmodi anzeigen lassen.
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Zum Glück gibt es im Gegensatz zum Vorgänger eine Sommerpause: Nach zwölf Monaten geht die Universität in die Sommerferien. In dieser Zeit kostet unser Personal kein Geld, aber auch die Studierenden bezahlen keine Gebühren. Dafür haben wir hier die Zeit, in aller Ruhe den Campus zu erweitern, indem wir neue Grundstücke kaufen, unsere Räume ausbauen, Mikroskope, 3D-Drucker und andere Spielereien anschaffen und gänzlich neue Studiengänge einrichten.

Wie viele Studiengänge wir anbieten, bestimmt nämlich auch, welche Räume wir benötigen. Der Kurs für "Virtuelle Normalität" braucht etwa nur ein VR-Labor und einen Hörsaal, Kurse wie die "Denkschule" sind schon deutlich anspruchsvoller, und unser Campus muss über einen Vorlesungssaal, ein Computerlabor, ein Wissenschaftslabor, einen Turnsaal und besagtes VR-Labor verfügen.

Auf dem Turniergelände wird der Tjost zelebriert.
Foto: Two Point

Hier braucht man eine gewisse strategische Planung, denn der Platz ist begrenzt, man braucht aber jedes Jahr mehr Räume, mehr Personal und bessere Ausstattung in den Studienräumen, denn mit den Semestern steigen die Ansprüche unserer Lernenden. Wer also von Anfang an gigantisch große Räume baut, hat mitunter einen Nachteil, weil im späteren Spielverlauf der Platz ausgeht.

Permanente Optimierung richtig umgesetzt

Der permanente Umbau des eigenen Campus ist eine der Kernmechaniken des Spiels. Die Entwickler schaffen es aber, diesen Aspekt unterhaltsam und befriedigend zu gestalten, denn das vorher Aufgebaute abzureißen muss nicht immer Spaß machen. Die elegante Lösung: Bestehende Räume können einfach kopiert werden, mit wenigen Mausklicks werden sie anschließend vergrößert, verkleinert oder neu ausgestattet. Das macht den Um- und Ausbau des eigenen Campus zu einer sehr einfachen und schmerzlosen Angelegenheit. Dieses System dürfen andere Entwickler gerne kopieren.

Einmal mit dem Hammer auf das Forschungsgerät. Die Animationen sind irgendwo zwischen witzig und absurd angesiedelt.
Foto: Screenshot/DER STANDARD

Was der Entwickler Two Point ebenfalls gut hinbekommen hat, ist die sich immer weiter drehende Komplexitätsschraube. Die ersten vier Level werden Kenner nicht besonders herausfordern, während sie neue Spieler sehr gut an die Mechaniken heranführen. Danach wird "Two Point Campus" aber selbst für Profis zur Challenge: Plötzlich müssen wir uns um die Gesundheitsversorgung unserer Studierenden kümmern, unsere Mitarbeitenden ausbilden und umschulen, eigene Forschung betreiben, unsere Ausstattung upgraden und feindlich gesinnte Eindringlinge mithilfe von Spritzpistolen vom Campus verscheuchen. Dabei macht es unglaublich viel Spaß, den Studierenden beim patscherten Herumdoktern an komplexen Maschinen zuzusehen. Die witzigen Slapstick-Animationen sind eine der größten Stärken des Spiels.

Manchmal zu kreativ

Insgesamt müssen wir in zwölf Missionen bestehen, die mal mehr, mal weniger gut funktionieren. Hier schießen die Entwickler oft mit zwanghaft aufgesetzter Abwechslung ein wenig über das Ziel hinaus: In einer Mission erhalten wir gar keine Studiengebühren, sondern spülen Geld nur auf Basis der Noten von Studierenden in unsere Kasse. Und wenn wir schon beim Meckern sind: Das fitzelige Mikromanagement der Raumtemperatur, indem wir Mini-Radiatoren platzieren, fühlte sich schon in "Two Point Hospital" wie Strafarbeit an. Aber das alles ist Sudern auf ganz hohem Niveau.

Spaß mit dem Radio

Der eingangs erwähnte Radiosender verdient ein dickes Extralob. Eine "klassische" Musikuntermalung hat "Two Point Campus" nämlich nicht, stattdessen läuft im Hintergrund das Campusradio – und das versteht prächtig zu unterhalten. Da wäre etwa die Campusverwaltung, die sich mit Propagandasprüchen und mal mehr, mal weniger hilfreichen Tipps zu Wort meldet und dabei kein Studierendenklischee auslässt. Sager wie "Studiengebühren sind teuer, Bildung ist unbezahlbar" oder "Die Universität schenkt euch sonnige Zukunftsaussichten, überschattet von Schulden" dürfen durchaus als Anspielung auf die immensen Kosten für einen Uni-Abschluss in der angelsächsischen Welt verstanden werden.

Endlich dürfen wir die Grundrisse unserer Gebäude selbst gestalten.

Ein anderer Radiosprecher verbreitet gerne Verschwörungstheorien über unseren Robotikkurs, während der dritte Moderator unglaublich schlecht geschriebene, dafür umso witzigere Krimis vorliest. Einziges Manko: Manche Sprüche wiederholen sich zu oft oder sind einfach nicht witzig. "Nein, wir werden keine Freunde", sagt die Radiodame gefühlt zu oft und ohne Kontext.

Fazit

"Two Point Campus" ist der perfekte Fan-Service. Wer "Two Point Hospital" mochte oder gar den geistigen Urvater "Theme Hospital" von 1997 gespielt hat, kommt an der verrückten Uni-Sim eigentlich nicht vorbei. Dabei dürften der Charme und der Humor Neulinge sogar noch besser abholen als alte Hasen, die schon wissen, was sie erwartet. Auf den Spieler warten jedenfalls Stunden voll mit witzigen Ideen wie Lanzenstechen als Uni-Fach oder eine Clownschule, verrückten Animationen, völlig irren Geschichten aus dem Radio und einer Spielmechanik, die nicht ausufernd komplex ist und deshalb umso besser unterhält. Wer jetzt immer noch skeptisch ist, kann auch durchaus in den Vorgänger "Two Point Hospital" hineinschnuppern – der wird von den britischen Entwicklern nämlich noch immer mit frischen Inhalten versorgt.

"Two Point Campus" verdient in unserem Test 8,3 letscherte Tiefkühllasagnen aus der Mikrowelle. (Peter Zellinger, 13.8.2022)

"Two Point Campus" ist auf Steam, PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series sowie Nintendo Switch erhältlich und kostet aktuell 39,99 Euro. Ein Key für die PC-Version wurde dem STANDARD vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt.