Es gibt guten Grund, seinen Zorn an der Stromrechnung auszulassen: Immer mehr Menschen erleben eine Kostenexplosion. Pünktlich zur Heizsaison will die Regierung einen Riegel vorschieben.

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Der Regierung sitzt die böse Erfahrung in den Knochen. Was als gute Tat gedacht war, mutiert zum öffentlichen Ärgernis. Der im Jänner ersonnene Energiekostenausgleich entpuppt sich als höchst umständlich. Viele können mit der Gutschrift von 150 Euro erst im kommenden Jahr rechnen, so mancher bezugsberechtigte Haushalt droht überhaupt um das Geld umzufallen. Einmal mehr ist ein Stück Vertrauen ins Krisenmanagement der Regierung weggebrochen.

Die Leidgenossenschaft schweißt die türkis-grüne Koalition nun, wo ein neuer Anlauf zur Dämpfung der horrenden Energiepreise ansteht, zusammen. Parteipolitische Egoismen würden strikt ausgeblendet, wird von beiden Seiten beteuert, Tempo und Effizienz seien die einzigen Maßstäbe. Das Finanzministerium hat versichert, bei den Kosten kein Limit zu setzen. Mit zwei bis drei Milliarden Euro ist zu rechnen.

Abneigung gegen den Preisdeckel

Als "Energiekostenbremse" oder auch "Strompreisbremse" firmiert das Projekt, das die Teuerungsschmerzen ebenso lindern soll wie die Imagekrise der Regierung. Präzision beim Wording ist den Urhebern wichtig. Denn einen klassischen "Deckel", der den Strompreis generell auf verträglichem Niveau begrenzt, halten sowohl ÖVP als auch Grüne für einen Irrweg.

Ein solcher Schnitt würde jeden Anreiz zum Energiesparen ersticken, so das Argument. Außerdem müsste Österreich bei einem Alleingang damit rechnen, dass der Billigstrom am freien europäischen Markt weggekauft wird, also ins Ausland fließt.

Soll Milliarden locker machen: Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).
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Eine Alternative fand die Koalition in einem Vorschlag, für den Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Pate stand. Statt der Strompreis insgesamt wird nur die Rechnung des einzelnen Privatverbrauchers gesenkt: Der vergünstigte Tarif gilt für einen gewissen Grundbedarf an Energie, um den Betrieb unverzichtbarer Geräte wie Waschmaschine oder Kühlschrank zu verbilligen.

Wer Strom darüber hinaus verbraucht, um etwa die Heimsauna zu beheizen oder das Haus in der Weihnachtszeit üppig erstrahlen zu lassen, berappt den geschmalzenen Marktpreis. Der Anspruch, die Menschen zum klimafreundlichen Energiesparen zu motivieren, fällt damit nicht vollends flach.

Grobe Unschärfen

Konkret soll das laut den bisherigen Regierungsplänen wie folgt funktionieren: Jeder Haushalt bekommt ein einheitliches Kontingent an Strom zum vergünstigten, weil gedeckelten Preis – etwa jenem aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg – garantiert. Wie hoch dieser Basisbedarf liegt, steht noch nicht fest, die Diskussion bewegt sich in der Spannbreite von 2000 bis 3500 Kilowattstunden pro Jahr. Die Größe des Haushaltes soll dem Vernehmen nach keine Rolle spielen – womit Ungerechtigkeiten vorprogrammiert sind. Denn eine vierköpfige Familie benötigt üblicherweise mehr Strom als ein Single.

Doch anders als mit einer Pauschale sei das Projekt mangels verfügbarer Daten schwer machbar, heißt es aus Verhandlerkreisen: Soll die Preisbremse zu Beginn der Heizsaison greifen und automatisch über die Abrechnung der Energieversorger funktionieren, "dann muss man grobe Unschärfen in Kauf nehmen". Alles andere bedürfe monatelanger Vorlaufzeit – oder münde erst recht wieder in ein System, bei dem die Leute die verhassten, weil komplizierten Anträge einreichen müssen.

Aus diesen Gründen stehen die Zeichen auch schlecht für eine soziale Staffelung, wie sie etwa der auf ÖVP-Seite involvierte Finanzminister Magnus Brunner als Ziel genannt hatte. Um den Rabatt je nach Haushaltseinkommen unterschiedlich zu bemessen, fehlen schlicht die zugriffsbereiten Daten.

Soziale Staffelung ad acta

Ein möglicher Hebel wäre bloß, all jenen noch einmal einen Extra-Preiserlass zu gewähren, die wegen geringen Einkommens nicht die Rundfunkgebühr GIS zahlen müssen. Denn diese Gruppe hat auch Anspruch, sich von der Ökostrompauschale befreien zu lassen, was dann in die Daten der Energieversorger Eingang findet. Doch was ist mit jenen Bedürftigen, die diesen Vorteil nicht genutzt haben? Wieder drohen Aufwand und Antragswirtschaft.

Noch mehr Ärger über zu langsame und bürokratische Hilfen will und kann sich die Regierung nicht leisten: Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) muss rasch liefern.
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In dieser Frage kann die Regierung mit Verständnis von nicht selbstverständlicher Seite rechnen. Während die oppositionelle SPÖ ein dreistufiges Modell – GIS-Befreite werden mehr entlastet, Verdiener über der Höchstbeitragsgrundlage (5670 Euro brutto im Monat) gar nicht – hochhält, hat der kaum minder sozialdemokratische ÖGB derlei Pläne ad acta gelegt. Man habe das Problem bei der Ausarbeitung des eigenen Vorschlages "wochenlang durchexerziert", heißt es aus dem Gewerkschaftsbund: Eine soziale Staffelung sei bürokratisch leider nicht machbar.

Die roten "Strompreisdeckel" – SPÖ und ÖGB stört diese Bezeichnung nicht – funktionieren vom Prinzip her ähnlich wie die Regierungspläne, sind aber mit einer Konsequenz verbunden: Der Staat solle bei den Energieversorgern gleichzeitig abschöpfen, was die Kritiker "Übergewinne" nennen.

Keine klare Linie bei Übergewinnsteuer

Diese resultieren aus dem fast schon berüchtigten Merit-Order-Prinzip am Strommarkt. Der Preis richtet sich nach dem teuersten Kraftwerk, das zur Deckung des Tagesbedarfs ans Netz muss – derzeit meist ein Gaskraftwerk. Deshalb steigen die Strompreise auch in Österreich, obwohl das Land den Großteil des Energiebedarfs aus Wasserkraft, Wind und Sonne deckt.

Doch die Regierung hat in Sachen Übergewinnsteuer keine klare Linie. Einerseits hat Kanzler Karl Nehammer die Idee selbst aufgebracht, andererseits geben viele Experteneinsprüche zu denken. Fix scheint: Mit der Strompreisbremse wird ein solches Projekt nicht verknüpft. Den Energieversorgern sollen die Einnahmenausfälle, die ihnen aus dem Deckel entstehen, also erst einmal voll ersetzt werden.

Und warum wird nicht – wie ebenfalls von SPÖ und ÖGB gefordert – auch ein Rechnungsdeckel für Gas eingezogen, das sich ja noch stärker verteuert hat? Etwas über 900.000 Haushalte heizen mit Erdgas, aber auf Strom ist jeder angewiesen, lautet ein Regierungsargument. Erst einmal gelte es, rasch ein funktionierendes Modell in Gang zu bringen. Danach sei eine Ausweitung nicht ausgeschlossen.

Wen der Preisschock trifft

Der von Sozialdemokraten ventilierte Verdacht, dass gerade die Grünen mit Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler an der Spitze die Gaspreise aus übertriebener Klimaschutzfixierung heraus nicht antasten wollten, wird von der kleinen Regierungspartei als Unterstellung zurückgewiesen. Man wisse, dass ein einfacher Mieter nicht ohne weiteres die Gasheizung auswechseln könne: "Wir wollen doch keine Schocktherapie."

Wie viele Strombezieher bereits von einer solchen erzählen können? Die Daten der Regulierungsbehörde E-Control zu den Landesgesellschaften und den großen städtischen Anbietern zeigen ein gemischtes Bild. Kunden mit bestehenden Verträgen profitierten noch von einst günstig eingekauften Stromtranchen, sagt Johannes Mayer, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der Regulierungsbehörde. Die Preiserhöhungen seien bis dato so weit im Rahmen, als sie im Schnitt durch die von der Regierung beschlossene Abgabensenkung ausgeglichen werden.

Was immer mehr Menschen aber für die Zukunft blühen wird, zeigt ein Blick auf neu fixierte Verträge, die auf den aktuellen Strompreisen basieren: Ein Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch zahlt mindestens 876 Euro pro Jahr statt nur 410 Euro in einem bestehenden Kontrakt. Macht einen Preissprung von mehr als 100 Prozent – im günstigsten Fall. (Gerald John, 14.8.2022)