So könnte die Staubwolke ausgesehen haben, die Beteigeuze verdeckte. Ihr Ausstoß brachte den Puls des Sterns zum Stehen.
Grafik: EPA

Für die Vorfahren von Ford Prefect, der Douglas Adams Klassiker "Per Anhalter durch die Galaxis" zufolge von einem kleinen Planeten in der Gegend von Beteigeuze stammt, könnte es vor ungefähr 603 Jahren äußerst ungemütlich geworden sein. Damals stieß der rund sechshundert Lichtjahre entfernte Riesenstern eine gewaltige Materiewolke aus, was wir auf der Erde 2019 als Verdunkelung des Sterns beobachten konnten.

Doch wie so vieles sind auch die Planeten um Beteigeuze und deren Bewohner Adams Fantasie entsprungen. Hätte der Stern tatsächlich ein Planetensystem gehabt, würde er es wohl mittlerweile verschlungen haben. Bei Beteigeuze handelt es sich nämlich um einen Roten Überriesen, einen Stern in den letzten Phasen seines Lebens, der sich auf einen Durchmesser von etwa einer Milliarde Kilometer ausgedehnt hat. Würde man Beteigeuze an die Stelle der Sonne setzen, er würde bis zur Jupiterbahn reichen.

Rätselhafte Verdunkelung

Als rubinroter Schulterstern des Orion ist Beteigeuze einer der bekanntesten Himmelskörper, denn er gehört zu den hellsten Sternen des Himmels. Doch das änderte sich im Oktober 2019, als der Stern aus zunächst unbekannten Gründen einen Großteil seiner Leuchtkraft einbüßte. Beobachtungen zeigten, dass sich die südliche Hemisphäre des Sterns deutlich eingetrübt hatte. Diese Vorgänge sorgten für einiges Kopfzerbrechen unter Astronominnen und Astronomen, die gleich mehrere Erklärungsansätze entwickelten.

Diese Aufnahmen des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (Eso) zeigen die Verdunkelung von Beteigeuze zwischen Herbst 2019 und Frühjahr 2020. Im April 2020 war der Spuk dann vorbei.
Foto: AFP

Wie sich zeigte, hatte Beteigeuze nicht etwa gewaltige Sonnenflecken entwickelt. Die Verdunkelung stammte vielmehr von einer gewaltigen, konvektiven Gaswolke, die innerhalb des Sterns nach oben stieg und substanzielle Teile seiner Oberfläche absprengte. Beteigeuze verlor dabei die Masse mehrerer Erdmonde. Auch unsere Sonne feuert manchmal Materieströme ab. Diese Ausbrüche, als koronale Massenauswürfe (CMEs) bezeichnet, bestehen aber aus Material der dünnen Sonnenatmosphäre, der Korona, und sind nicht Fragmente ihrer Oberfläche. CMEs können zwar der irdischen Elektronik als Sonnenstürme gefährlich werden, doch verglichen mit dem Ausbruch von Beteigeuze sind das höchstens leise Rülpser unseres Muttergestirns.

Folgenschwerer Ausbruch

Als die abgesprengte Oberfläche von Beteigeuze wegdriftete, kühlte sie zu einer Staubwolke ab, die sich zwischen den Roten Riesen und die Erde schob, daher die Verdunkelung. Auch wenn sich der Staub mittlerweile verflüchtigt hat, ist noch immer keine Normalität im Beteigeuze-System eingekehrt. Wie Beobachtungen ergaben, erlitt der Stern durch den Ausbruch einen Herzstillstand. Beteigeuze ist ein veränderlicher Stern: Er pulsiert mit einem 400 Tage dauernden Zyklus, in dem sich seine Helligkeit und seine Oberfläche regelmäßig verändern. Diesen Puls konnten Astronominnen und Astronomen zweihundert Jahre lang beobachten – bis er nun verschwand.

Nach dem Ausbruch fand Beteigeuze nicht gleich zu seinem bekannten Rhythmus zurück.
Grafik: NASA, ESA, Elizabeth Wheatley (STScI)

Der Oberflächenmassenauswurf schickte Schockwellen durch Beteigeuze: Er hallte wie eine Glocke. Das störte die Konvektionszellen des Sterns, die dessen normalen Zyklus antreiben, bis sein Herzschlag ins Stocken geriet. Erst allmählich baut sich die Amplitude des Pulses wieder auf, wie neue Daten mehrerer Observatorien, darunter des Hubble-Weltraumteleskops, zeigen. Allerdings hat die Pulsation jetzt die doppelte Frequenz wie vor dem Massenauswurf. Dennoch gehen die beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschafter davon aus, dass sich der bekannte Zyklus wieder einstellen wird: Beteigeuze ist nach seiner Attacke auf dem Weg der Besserung.

Anders als anfangs gedacht, ist die Verdunkelung also nicht der Beginn einer Supernova-Explosion des Sterns gewesen. Doch auch wenn sich Beteigeuze nun erholt, seine Tage sind gezählt. In astronomisch naher Zukunft wird er zu einem Neutronenstern im Zentrum eines wunderschönen, sich ausdehnenden Nebels verglühen. (dos, 15.8.2022)