Axel Pohn-Weidinger, Associate Professor am Institut für Soziologie an der Universität Straßburg, schreibt in seinem Gastkommentar, dass "die Verflechtung von Politik und Verwaltung in Österreich ein alter Hut ist". Gerade bei der Volksanwaltschaft sollte es anders sein.

Dass die FPÖ einen unerwarteten Kandidaten in die Bundespräsidentenwahl schickt, ist eigentlich weitaus weniger relevant als die Tatsache, dass möglicherweise ein weiterer Volksanwalt vor Ende der Funktionsperiode den Hut nimmt. Der Ruf der Partei war stärker als der des Amtes. Schwächt dies die Volksanwaltschaft, eine für den modernen Rechtsstaat zentrale Einrichtung, welche Beschwerden über Missstände in der österreichischen Verwaltung prüft?

Darüber könnte in österreichischer Manier beflissen hinweggesehen werden, bestünde die Selbsterzählung dieser Ombudseinrichtung nicht darin, dass hauptberufliche Politikerinnen und Politiker sich mit ihrem Umzug in die Wiener Singerstraße plötzlich zu unparteiischen Prüferinnen und Prüfern von Missständen wandeln. Dass die Nabelschnur zwischen Parteien und der Volksanwaltschaft dabei aber nie ganz durchtrennt wird, zeigen nun spektakulär die Fälle Walter Rosenkranz (FPÖ) und Werner Amon (ÖVP), der in die steiermärkische Landespolitik wechselte.

Geht für die FPÖ bei der Präsidentschaftswahl ins Rennen: Volksanwalt Walter Rosenkranz.
Foto: APA / Alex Halada

Man sehnt sich geradezu nach den Zeiten, in denen die Parteien am Karriereende stehende Politikerinnen und Politiker in das Amt der Volksanwaltschaft entsandten oder solche, die bei der Auswahl für "wichtigere" Posten übergangen wurden. Beide hatten wenigstens nichts mehr zu verlieren. Aktuell, so scheint es, wird eine Art Durchlauferhitzerstrategie gefahren, in der Volksanwältin oder Volksanwalt zu sein vor allem heißt, Vorbereitungen für die nächste, bessere Mission zu treffen. Das Problem ist nur, dass die Jobbeschreibung vorsieht, dass auch die Tätigkeiten jener Personen (Ministerinnen und Minister, Bürgermeisterinnen etc.) neutral geprüft werden müssen, von denen dann möglicherweise die spätere politische Karriere abhängt.

Dauerhaftes Gesicht?

Seit Gründung der Volksanwaltschaft 1977 hätte es insgesamt 13 amtsinhabende Personen gebraucht, tatsächlich waren es 23. Lediglich vier (Franz Bauer, Horst Schender, Peter Kostelka und Getrude Brinek) hatten das Amt (fast) zwei Funktionsperioden inne, so wie die Verfassung es ermöglicht. Das spricht nicht unbedingt dafür, dass die Parteien das Amt als eine Funktion wahrnehmen, die mit dauerhaften Personalentscheidungen gewürdigt werden muss. Mit Personen, welche die Institution über Jahre prägen und weiterentwickeln und die überdies ein dauerhaftes Gesicht in der Öffentlichkeit haben. Keinesfalls soll dies als das simple Argument gelesen werden, dass in der Bearbeitung von Beschwerden durch die Volksanwaltschaft das Parteibuch mehr zählt als die Verfassung. Dafür ist vermutlich der stetig gewachsene Verwaltungsapparat zu umfangreich, zu autonom, zu professionell, zu juristisch geschult, personell zu kontinuierlich organisiert. Genauso abwegig wäre es aber zu behaupten, dass die politische Instrumentalisierung rechtsstaatlicher Institutionen nur in Ländern wie Polen, Ungarn und den Vereinigten Staaten stattfindet.

Mehr Transparenz

Die Verflechtung von Politik und Verwaltung in Österreich ist ein alter Hut. Sollte es in der Volksanwaltschaft anders sein? Ja. Gerade im aktuellen Kontext, in dem eine Schockwelle nach der anderen den österreichischen Rechtsstaat erschüttert, muss nun eine Debatte darüber stattfinden, warum es in Österreich eine unabhängige Ombudseinrichtung braucht und welche Rolle die Parteien darin (nicht) spielen sollten. Letztere werden dabei nicht darum herumkommen, ihre Personalpolitik kritisch zu hinterfragen.

Dass in Zukunft zumindest die Auswahl der Volksanwältinnen und Volksanwälte einem demokratisch ernst zu nehmenden, transparenten und an Kriterien orientierten Prozess folgen muss, ist im Grunde unausweichlich. Die Frage, wer das Amt bekleidet, erledigt sich nicht durch das in der kollegialen Struktur verankerte Recht der Parteien, "ihren" Volksanwalt zu nominieren. Dass dies obendrein ohne jegliche öffentliche Debatte oder Rechtfertigung der ausgewählten Persönlichkeiten vonstattengeht, ist eine Anomalie made in Austria und spielt in Wahrheit jenen entgegen, die in der Volksanwaltschaft eine weitere von den Parteien kolonialisierte Instanz sehen wollen.

Dass ein Volksanwalt nun zeitgleich einen politischen Wahlkampf und das Ombudsamt führt, sollte selbst den hartgesottensten Medienberaterinnen und Medienberatern Kopfschmerzen bereiten, auch jenen der Volksanwaltschaft. Welches Bild wird den von Missständen in der Verwaltung Betroffenen vermittelt? Es sind zwei falsche Bilder, nämlich entweder, dass sich der wahlkampfführende "FPÖ-Volksanwalt" bei bestimmten Themen nun besonders für sie ins Zeug legt, oder dass es sich aus genau diesem Grund gar nicht erst lohnt, Beschwerde zu führen.

Wahl als Testfall

So wird die Präsidentschaftswahl zum Testfall für die Volksanwaltschaft, denn wenn deren öffentliche Wahrnehmung keinen Schaden nimmt, sitzt das Problem tief. Der öffentliche Aufschrei ist ausgeblieben, als ob die Abgänge Richtung Politik immer schon im Bereich des Erwartbaren lagen. Vergessen wird, dass Ombudseinrichtungen wie die Volksanwaltschaft als Formen der personalisierten Verwaltungskontrolle wesentlich vom Image der Volksanwältinnen und Volksanwälten in der Öffentlichkeit leben, von deren wahrgenommener Neutralität und ihrem Engagement für das Amt. Eine zu enge Beziehung zu den Parteien ist damit tendenziell unvereinbar.

Das österreichische Argument war seit jeher, dass eine moderne, von den Parteien emanzipierte, monokratisch strukturierte Ombudseinrichtung eben nicht in die hiesige politische Kultur passe. Die international extrem seltene, "kollegiale" Lösung – ein Euphemismus für "Proporz" – sei da schon besser. Weil es nämlich in Österreich schlichtweg unmöglich sei, eine Person zu finden, auf die sich alle Parteien einigen können. Also müsse jede Partei ihren Volksanwalt haben, und diese müssen sich beim Amtsantritt dann einfach verwandeln. Die Frage, wie gut dieses System funktioniert und ob es noch zeitgemäß ist, wäre eine Debatte wert. (Axel Pohn-Weidinger, 13.8.2022)