Die Raketen von SpaceX sind für Europa eine Option, zudem gibt es Konkurrenten in Japan und Indien.

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Paris – Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) zieht eine Kooperation mit dem Unternehmen SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk als vorübergehenden Ersatz für russische Sojus-Raketen in Erwägung. "Es gibt zweieinhalb Alternativen", sagte ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher der Nachrichtenagentur Reuters. Diese seien SpaceX sowie eine Kooperation mit Japan oder eventuell auch Indien. Es gebe Gespräche mit SpaceX, dem US-Rivalen der europäischen Arianespace, die sich allerdings noch in einer Sondierungsphase befänden. Am wichtigsten sei die technische Kompatibilität mit der bestehenden ESA-Ausrüstung. Diese müsse gründlich geprüft werden, bevor die Organisation ein verbindliches Geschäftsangebot anfordern könne.

"Es ist nicht so, als würde man in einen Bus einsteigen", sagte Aschbacher und fügte hinzu, dass die technischen Lösungen des US-Konzerns in dieser Hinsicht einsatzfähiger zu sein schienen als die Indiens und Japans. Die endgültige Entscheidung hänge aber auch von dem noch ungeklärten Zeitplan für den verzögerten Erststart der europäischen Ariane-6-Rakete ab.

Nachfrage nach SpaceX steigt

SpaceX reagierte nicht sofort auf eine Reuters-Anfrage bezüglich einer Stellungnahme. Bisher hat die Firma mit ihren Falcon-9-Raketen Neukunden angelockt, nachdem sich viele Unternehmen infolge des Ukraine-Kriege von Russland als Geschäftspartner abgewandt haben – darunter das britische Satelliteninternetunternehmen OneWeb und der US-Raumfahrtausrüster Northrop Grumman.

Die Falcon 9 von SpaceX lockt Kunden an, die nach Ersatz für russische Raketen suchen.
SpaceX

Die Europäer können derzeit aber Satelliten beispielsweise für das Navigationssystem Galileo nicht in den Orbit bringen, weil bisher ein Start öffentlich geförderter Satelliten mit kommerziellen amerikanischen Raketen nicht möglich ist. Die Sojus-Raketen starteten mit europäischer Ladung an Bord immerhin vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana in Südamerika.

Zeitplan für Ariane 6 soll im Oktober vorliegen

Bislang war Europa bei kleinen Nutzlasten auf die italienische Vega-Rakete, bei mittleren auf die russische Sojus und bei schweren auf die europäische Ariane 5 angewiesen. Die Vega C der nächsten Generation hatte ihre Premiere vergangenen Monat, aber die neue Ariane 6 wurde auf nächstes Jahr verschoben – und Sojus fällt wegen des Ukraine-Kriegs aus.

Ein genauerer Zeitplan für die Ariane 6 werde im Oktober vorliegen. Erst dann werde die ESA einen kompletten Back-up-Plan vorlegen, der die SpaceX-Raketen miteinschließen könne. "Aber ja, die Wahrscheinlichkeit, dass Ersatzstarts nötig sind, ist hoch", sagte Aschbacher. "Die Größenordnung ist sicherlich eine gute Handvoll." Dabei habe der Ukraine-Krieg gezeigt, dass Europas jahrzehntelange Strategie der Zusammenarbeit mit Russland in Bereichen wie Gasversorgung und Raumfahrt nicht mehr funktioniere. "Dies war ein Weckruf, dass wir zu sehr von Russland abhängig waren", so Aschbacher. (Reuters, 12.8.2022)