Es sind dramatische Bilder, die sich dieser Tage verbreiten. Einige der wichtigsten Flüsse Europas sind zu Rinnsalen verkommen. Der Rhein etwa – wirtschaftliche Schlagader des Kontinents zwischen Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten – weist historische Tiefststände auf. Oder die Loire in Frankreich, an deren Ufer berühmte Schlösser stehen: Sie ist fast völlig ausgetrocknet.

Der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC), einem Thinktank der Brüsseler EU-Kommission, zufolge sind 44 Prozent der Fläche der EU und Großbritanniens von extremer Trockenheit bedroht. Für neun Prozent wurde der Alarmzustand ausgerufen. Dieser tritt ein, wenn fehlender Niederschlag, trockener Boden und anormales Pflanzenwachstum zusammenkommen. Hotspots sind Italiens Po-Ebene sowie Teile Spaniens, Englands und Portugals.

Schlimme Lage

Die Trockenheit in Europa könnte die schlimmste seit 500 Jahren sein, warnt JRC-Klimatologe Andrea Toreti. Sie drohe die jüngste Rekorddürre in den Schatten zu stellen – die klimawandelbedingt erst kürzlich stattfand: im Jahr 2018.

Österreich kommt derzeit noch vergleichsweise glimpflich davon, belegt die EU-Beobachtungsplattform EDO (European Drought Observatory). Die Dürre-Alarmstufe gilt hierzulande nur in einzelnen Teilen im Osten Niederösterreichs und im Burgenland rund um den Neusiedler See. Unter Trockenheit leiden aber große Teile des Landes, etwa Oberösterreich und Kärnten.

Ein ausgetrocknetes Feld nahe St. Leonhard in Niederösterreich: Die Dürre bedroht 44 Prozent der Fläche der EU und Großbritanniens, warnt die EU-Kommission.
Foto: APA/Helmut Fohringer

Der Wasserstand des Bodensees sei nur mehr elf Zentimeter von seinem historischen Minimalwert entfernt, sagt Helmut Habersack, Experte der Wiener Boku, auf einer Veranstaltung der Hagelversicherung. Der Neusiedler See erreiche heuer seinen tiefsten Wasserstand seit 1965. Die Empfehlungen von Experten unisono: Österreichs Äcker und Wiesen dürften nicht noch mehr verbaut werden, weil Versiegelung die Neubildung von Grundwasser erschwerten. Flüsse und Feuchtgebiete gehörten renaturiert. Und: Es brauche andere Landwirtschaft.

Für Bauern sei nun permanentes Krisenmanagement angesagt, sagt Johann Ackerl, der zu den größten österreichischen Biolieferanten für Feldfrüchte zählt. Dass es so weit kommen musste, sei seit Jahrzehnten offensichtlich. "Doch warnende Stimmen wurden als rückständig und wissenschaftsfeindlich abgetan." Ackerl erzählt von trockengelegten Mooren im Waldviertel und Feuchtwiesen, die Feldern wichen.

Bewässerungsintensive Kulturen

"Der Anbau bewässerungsintensiver Kulturen hat sich verdoppelt bis verdreifacht." Soja, Erdäpfel und Mais wurden in den Seewinkel verlegt. "Wo zuvor Weidefläche war, wächst nichts mehr ohne Bewässerung." Bei ihm im Waldviertel habe es zum Glück im Mai und Juni geregnet. Nach Wochen mit 37 Grad im Juli erwarteten ihn dennoch Ernteeinbußen zwischen 30 und 50 Prozent. Spielraum, die Preise in der Folge zu erhöhen, sieht er angesichts der starken Teuerung nicht. "Landwirte müssen den Ball flachhalten, sonst verlieren sie Marktanteile."

Auch Josef Peck, Chef der LGV, die im Burgenland großflächig Gemüse anbaut, ist davon überzeugt, dass der Anbau von Mais, Soja und Erdäpfeln im trockenen Seewinkel überdacht gehört. Schwere Fehler macht er im Städtebau aus: So werde Regenwasser in den Kanal abgeleitet, anstatt es vom Abwasser zu trennen und versickern zu lassen.

Fruchtgemüse der LGV wie Paprika, Gurken, Paradeiser und Brokkoli sieht Peck von der Dürre nicht in Mitleidenschaft gezogen. Tröpfchenbewässerung sorge für sparsamen Umgang mit dem raren Nass.

Gewässerökologin Gabriele Weigelhofer von der Universität für Bodenkultur äußerte sich in der "ZiB2" am Freitagabend zum Wassernotstand.
ORF

Lavendel statt Gemüse

Es ist ein schleichender Prozess, sagt Arthur-Alexander Schmid vom Gut Kanzelhof in Maria Lanzendorf, einem der großen Bio-Ackerbaubetriebe im Osten. "Heuer spitzt sich die Lage weiter zu". Auf Teilen der Felder bilde der Mais keine Kolben aus, werde braun und bleibe kleinwüchsig. Nicht nur die Hitze an sich, auch die Verdunstung sei ein enormer Stressfaktor. "Das Kulturspektrum wird sich ändern", sagt Schmid. Er versucht es derzeit etwa im Burgenland mit Lavendel. Der komme mit schlechten Böden und Hitze besser zurecht.

Das Produzieren an sich sei – wenn auch mit allerlei Abenteuern und Risiken behaftet – nicht das Problem, gibt er zu bedenken: "Man muss auch Abnehmer finden." Bislang sei die Landwirtschaft zu sehr auf eingetretenen Pfaden unterwegs.

Anpassungsdruck

Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb glaubt, dass der Anpassungsdruck aufgrund des Klimawandels bereits da ist. Das betreffe die Landwirtschaft massiv. Ein Ausweg sei Humusaufbau und mehr Bio. Auf neue Kulturen zu setzen, etwa Olivenbäume oder Lavendel, wie das manche Bauern vormachen, sei ein Weg. "Man muss schauen, was geht und was nicht", sagt Kromp-Kolb. Ausreichen werde das aber nicht. "Die Zukunft ist biologische Landwirtschaft, kleinteilig, divers. Oliven und Lavendel werden uns nicht retten. Davon werden wir uns nicht ernähren können." Dabei sei gerade jetzt – angesichts der Ukraine-Krise – Ernährungssicherheit wichtig.

Der Anbau bewässerungsintensiver Kulturen ist enorm gestiegen. Auch das rächt sich nun.
Foto: imago images/Petra Schneider

Das Ausmaß des Anpassungsdrucks sei Vertretern der Landwirtschaft, Kammern und Bünden, noch nicht bewusst, warnt Kromp-Kolb: "Man ist oft noch zu sehr auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtet."

In Parndorf werden mittlerweile öffentliche Wiesen seltener bewässert und hitzeresistentere Bäume als bisher gepflanzt. "Wir spüren bei bestimmten Baumsorten deutlich: Wenn wir sie weiterhin wie früher anpflanzen, gehen sie uns nach zehn Jahren ein", sagt Bürgermeister Wolfgang Kovacs. Über Empfehlungen für die Bürgerinnen und Bürger, mehr Wasser sparen, denke die Gemeinde in Kooperation mit lokalen Wasserverbänden gerade nach.

"Party ist vorbei"

"Die Party ist vorbei, auch wenn es sich keiner zu sagen traut", resümiert Landwirt Ackerl. Bescheidenheit sei gefragt. (Regina Bruckner, Joseph Gepp, Verena Kainrath, 13.8.2022)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert