Donald Trump gerät in der Affäre um eine FBI-Hausdurchsuchung in seinem Anwesen in Florida immer mehr unter Druck.

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Den ganzen Tag lang hatte Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social gewütet. "Stoppt den Kommunismus in unserem Land", postete er und wetterte über "Panzerknacker", die in sein wunderschönes Haus eingedrungen seien: "Hexenjagd!" Doch Donnerstag kurz vor Mitternacht änderte sich plötzlich sein Ton: Er habe überhaupt nichts gegen die Freigabe des Durchsuchungsbeschlusses, erklärte der Ex-Präsident überraschend. Im Gegenteil: "Veröffentlicht die Dokumente jetzt!"

Der Aufforderung hätte es nicht bedurft: Schon Stunden zuvor hatte nämlich Justizminister Merrick Garland die Aufhebung der üblichen Geheimhaltung der Anordnung und der Quittung für die beschlagnahmten Gegenstände bei einem Gericht in Florida beantragt. Trumps Anwälte legten bis Freitagabend keinen Einspruch gegen die Veröffentlichung des Durchsuchungsbeschlusses ein. Dessen Inhalt dürfte in den kommenden Tagen für Brisanz sorgen.

Denn das Ausmaß des öffentlichen Aufruhrs nach der Razzia in Mar-a-Lago, Florida, ist groß. Im Raum steht der Verdacht, dass der Ex-Präsident nach seinem Ausscheiden aus dem Amt brisante, streng vertrauliche Unterlagen beiseiteschaffte, statt sie gesetzesgemäß den Archiven zu übergeben. Laut Wall Street Journal habe das FBI elf Sätze klassifizierter Dokumente mitgenommen, manche davon als "Top Secret" gekennzeichnet. Es seien rund 20 Kisten gewesen, mit unter anderem Fotos und einer handgeschriebenen Notiz. Informationen "über den französischen Präsidenten" seien ebenfalls dabei gewesen.

Die Washington Post berichtete am Freitag unter Berufung auf nicht genannte Quellen, die Kriminalpolizei habe auch Geheimdokumente über Atomwaffen gesucht. Und laut New York Times fahndeten die Ermittler nach Unterlagen mit einer noch höheren Geheimhaltungsstufe als "Top Secret". Dabei könne es sich um Informationen über sensible US-Auslandsoperationen oder streng geheime Technologien handeln. Mehrere Medien spekulierten gar über möglichen Hochverrat.

Trump wies den Bericht über Atomwaffendokumente zurück: "Das ist eine Falschmeldung wie Russland, Russland, Russland." Er beklagte, dass das FBI sein Haus ohne Begleitung durchsucht habe, und insinuierte, dass ihm belastendes Material untergeschoben worden sein könnte: "Hat jemand Informationen hereingeschmuggelt?"

Wüste Vorwürfe

Diese Verschwörungslegende markiert die jüngste Eskalation in einer wilden Kampagne. Mehrere Republikaner verglichen die US-Bundespolizei mit der Gestapo und forderten ihre Auflösung. Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, wetterte gegen die "Instrumentalisierung der Behörden". Kevin McCarthy, der Oppositionsführer im Repräsentantenhaus, drohte Justizminister Garland offen mit einer Anklage.

Wie vergiftet das öffentliche Klima durch die Hetze gegen die richterlich gebilligte, rechtsstaatliche Durchsuchung ist, zeigt ein Zwischenfall in Ohio, wo am Donnerstag ein mutmaßlicher Trump-Anhänger versuchte, das Büro des FBI in Cincinnati zu stürmen. Bei der anschließenden wilden Verfolgungsjagd wurde der Bewaffnete erschossen. Ein User mit dessen Namen hatte auf Truth Social kurz nach der Razzia zum gewaltsamen Aufstand gegen die "Tyrannei" aufgerufen. Die Ermittler untersuchen mögliche Verbindungen des Täters zur rechtsextremen Miliz Proud Boys.

Druck auf Justizminister

Angesichts der aufgeheizten Debatte war zuletzt der Druck auf Justizminister Garland gewachsen, sich zu den Hintergründen der Durchsuchung zu äußern. Am Donnerstag meldete sich der Demokrat – ungewöhnlich in einem laufenden Verfahren – zu Wort. "Ich habe die Entscheidung, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen, persönlich gebilligt", erklärte der Demokrat. Zugleich verwahrte er sich gegen die Anwürfe der Republikaner: "Die Frauen und Männer des FBI und des Justizministeriums sind engagierte, patriotische Staatsdiener. Ich werde nicht ruhig zusehen, wenn ihre Integrität unfair angegriffen wird."

Garland machte auch klar, dass die Behörden vor der richterlich genehmigten Durchsuchung versucht hatten, die Herausgabe der Dokumente auf freundlichem Weg zu erbitten. Tatsächlich hatte Trump im Jänner 15 Kisten an das Nationalarchiv zurückgegeben. Einem Tipp zufolge hielt der Ex-Präsident aber weitere Dokumente zurück.

Am falschen Fuß erwischt?

Etwas Licht in die Hintergründe der Razzia könnte kommen, wenn der Bezirksrichter in Florida den unter Verschluss gehaltenen Durchsuchungsbeschluss und die Quittung für die von den Ermittlern entnommenen Gegenstände veröffentlicht. Weil Trump tatsächlich auf einen Einspruch verzichtet hat, könnte das schnell geschehen.

Der Ex-Präsident weiß, was in den Unterlagen steht: Ihm wurde nämlich am Montag eine Kopie ausgehändigt, die er ohne rechtliche Probleme hätte veröffentlichen können. Beobachter rätseln, weshalb er dies nicht tat, nun aber auf die Freigabe der Informationen durch das Gericht drängt. Möglicherweise, so eine Erklärung, habe der Ex-Präsident nicht mit einem entsprechenden Vorstoß des Justizministers gerechnet. (Karl Doemens aus Washington, 12.8.2022)