Wie so oft im Leben steht das Ende in keiner Relation zur Vergangenheit. Bei Viktoria Schnaderbeck ging es dann doch schnell. Vor ein paar Wochen stand sie noch mit dem Nationalteam im Auftaktspiel der Euro gegen England auf dem Platz. Nun zog die Steirerin einen Schlussstrich unter ihre lange Karriere.

STANDARD: Wie wehmütig ist Viktoria Schnaderbeck gerade? Oder ist es Erleichterung?

Schnaderbeck: Ich bin schon wehmütig, vor allem jetzt, wenn die ganzen Erinnerungen hochkommen. Es ist aber auch ein lachendes Auge dabei.

STANDARD: Weil endlich kein Fußball mehr?

Schnaderbeck: Ich fühle mich vor allem bestärkt in der Entscheidung, aufzuhören. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Es ist auch eine Erleichterung.

STANDARD: Ihre Karriere war auch von Verletzungen geprägt. Spielten Sie schon länger mit dem Gedanken, mit dem Spitzensport abzuschließen?

Schnaderbeck: Die Entscheidung habe ich schon im April getroffen und das den Vereinen so kommuniziert. Kurz vor der Euro habe ich es dann noch Trainerin Irene Fuhrmann mitgeteilt, dass nach dem Turnier Schluss ist. Der Fokus lag klarerweise auf der EM. Und dennoch hat man einen inneren Countdown: In 50 Tagen ist es vorbei, jetzt nur noch 10 Trainings, jetzt dann das letzte Spiel. Man schiebt das dann aber immer wieder weg.

Schnaderbeck teilte Teamchefin Fuhrmann ihre Entscheidung bereits vor der Euro mit.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Es gibt Sportlerinnen und Sportler, die das Ende der Karriere mit einer Entlassung aus dem Gefängnis vergleichen. Plötzlich ist alles anders: der Alltag, die Prioritäten, das ganze Leben.

Schnaderbeck: Davor habe ich keine Angst. Im Gegenteil: Ich erwarte mir sogar, dass es Momente geben wird, in denen es mir schwerfällt, nicht an meine Karriere zurückzudenken. Also, dass große Wehmut aufkommt, wenn man sich ein Spiel anschaut und einfach dabei sein will. Aber ich habe viel Investition in Dinge neben dem Fußball betrieben. Dadurch wusste ich, worin ich gut bin, und ich konnte meine Hobbys und Interessen abstecken. Ich habe meine Ausbildung, mein Studium und mir ein gewisses Netzwerk aufgebaut, das über den Fußball hinausgeht.

STANDARD: Sie haben den Frauenfußball in Österreich nicht nur auf dem Platz geprägt, waren als Kapitänin auch Gesicht und Sprachrohr.

Schnaderbeck: Wenn man als Fußballerin für etwas steht, steht man ja auch als Mensch für etwas. Und ich glaube, das ist auch ganz wichtig. Heutzutage geht es nicht mehr nur um die eine Branche, sondern auch darum, etwas zu verkörpern, für etwas zu stehen und etwas zu bewirken. Das wird auch weiterhin mein Anspruch sein.

STANDARD: Sie haben auch während Ihrer Karriere immer wieder die großen gesellschaftspolitischen Themen angesprochen. Wäre es manchmal nicht einfacher gewesen, nur über das nächste Spiel oder den einen Pass im letzten Spiel zu sprechen?

Schnaderbeck: Ich bereue das überhaupt nicht, würde es genauso wieder machen. Aber es ist harte Arbeit. Als Frau in der Gesellschaft oder als Fußballerin in einer Männerdomäne geht es ohne die Extrameile nicht. Manchmal ist es anstrengend, und es gab Momente, in denen ich einfach nur Fußballerin sein wollte. Ich habe mit der Zeit aber gelernt, dass ich nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Verantwortung und eine Chance habe.

STANDARD: Die wäre?

Schnaderbeck: In erster Linie für Mädels da draußen bessere Möglichkeiten schaffen und sie inspirieren. Es ist ein Privileg, dass ich nicht in eine politische Rolle schlüpfen muss, um Messages zu senden.

STANDARD: Karriererückblicke leben von Extremen. Was war Ihr schlimmster Moment als Fußballerin?

Schnaderbeck: Das Schlimmste war meine erste Verletzung. Es war sehr emotional. Ich kann mich noch erinnern, als ich im Münchner Krankenhaus, es war ein Ostermontag, mein Trikot in die Ecke geworfen und zu meinen Eltern gesagt habe: "Das kann ich nie wieder verwenden." Der Arzt hat mir gesagt: "Das war’s mit ihrer Profifußball-Karriere, Frau Schnaderbeck."

"Es ist ein Privileg, dass ich nicht in eine politische Rolle schlüpfen muss, um Messages zu senden."
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

STANDARD: Und der Höhepunkt?

Schnaderbeck: Es ist schwierig, aber ich glaube der erste Titel. Dann spürst du wirklich: Scheiße, es hat sich echt gelohnt. Die ganze harte Arbeit, die Tränen haben sich bezahlt gemacht. Das kann dir keiner nehmen.

STANDARD: Sie haben die Entwicklungen im Frauenfußball hautnah miterlebt. Was waren da die Meilensteine?

Schnaderbeck: In erster Linie geht es ums Sportliche, denn daran werden wir gemessen. Im Nationalteam haben wir konstant unsere Leistungen gebracht, die zwei Viertelfinale bei der Euro bestätigen das. Auch die Infrastruktur hat sich deutlich verbessert. Zu Beginn meiner Karriere hätte ich den Betreuerstab an einer Hand abzählen können, jetzt brauche ich viele Hände. Wir sind mittlerweile bei einer hohen Professionalität angelangt. Und da ist noch die Medienwirksamkeit. Das ist nicht nur für den Sport wichtig, sondern auch für die Frau in der Gesellschaft. Frauenfußball war eine Randsportart. Man hat aber gesehen, wenn man dem eine Plattform gibt und es medial behandelt, könnte sich jede Frau repräsentiert fühlen, weil auch sie vielleicht einmal mit Vorurteilen konfrontiert war oder ungleich behandelt wurde.

STANDARD: Wenn Sie drei Wünsche für den Frauenfußball frei hätten?

Schnaderbeck: Das eine ist faire Bezahlung. Ich meine damit, angepasst an Aufwand und Risiko. Dass man so entschädigt wird, dass man sich verletzen kann und trotzdem keine Existenzängste haben muss. Zweitens, dass wir von der Differenzierung wegkommen und irgendwann nicht mehr von Frauenfußball sprechen, sondern einfach nur von Fußball. Und drittens, dass es keine Barrieren mehr für Mädchen gibt, wenn sie Fußball spielen wollen. Sei es seitens der Vereine oder der Eltern. Mädchen sollten alle Möglichkeiten haben, sich zu verwirklichen.

STANDARD: Bleiben Sie dem Fußball erhalten?

Schnaderbeck: Ich hab noch nichts unterschrieben oder zugesagt und werde mir jetzt die Zeit nehmen, um zu reflektieren. Aber mein Herz ist beim Fußball, und ich habe Lust, mehr zu erreichen, mehr zu entwickeln. In welcher Rolle ist aber noch nicht sicher. (Andreas Hagenauer, 13.8.2022)