Liz Cheney arbeitet beim Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol mit.

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Die Anhänger Donald Trumps unterstützen daher ihre Vorwahlgegnerin Harriet Hageman.

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Liz Cheney hat sich mit ihrer Niederlage schon fast abgefunden. Umfragen zeigen die gemäßigte Republikanerin klar hinter ihrer Konkurrentin Harriet Hageman. Letztere wird auch "Donald Trumps Vehikel für Rache" genannt – Rache dafür, dass sich Cheney, die schwer konservative Republikanerin aus Wyoming, für den Rechtsstaat und gegen den Putschversuch der Trump-Anhänger im Jänner 2021 eingesetzt hat. "Wenn der Preis dafür, sich für unsere Verfassung einzusetzen, der Verlust des Sitzes im Repräsentantenhaus ist, dann ist das ein Preis, den ich bereit bin zu zahlen", sagte Cheney schon Tage vor der republikanischen Vorwahl. Diese findet am Dienstag im einzigen Wahlkreis des bevölkerungsarmen Bundesstaates statt.

Die 56-Jährige hat sich mit ihrer Arbeit im Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol nicht nur Trump selbst zum Feind gemacht, sondern auch dessen Fans. Viele Republikaner beglückwünschten sie zwar privat zu ihrem Mut, erzählt sie; doch in der Vorwahl geht sie mit ihren Ansichten unter. Vor zwei Jahren gaben in Wyoming 70 Prozent Trump ihre Stimme. Und auch wenn die meisten hier so ziemlich jeden Republikaner wählen würden: Streit und Widerspruch gegen den populären Ex-Präsidenten sehen die allerwenigsten gern.

Wichtige Vorentscheidung

Diese Vorwahl steht exemplarisch für viele Rennen, die bis zu den Midterm-Wahlen im November stattfinden. Dann werden ein Drittel des US-Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Zuvor entscheidet sich in parteiinternen Vorwahlen, den Primaries, welchen Kandidaten oder welche Kandidatin die Parteien ins entscheidende Rennen im Herbst schicken.

Bei den Republikanern heißt dies heuer immer wieder: Kandidaten, die für den einstigen Mainstream der Partei stehen, finden sich radikalen Trump-Anhängern gegenüber. Ein Großteil dieser Vorentscheidungen ist schon gelaufen, bis Mitte September gehen noch weitere Rennen über die Bühne.

Der Trend scheint aber schon deutlich: Zwar ist auch eine Wahlempfehlung des Ex-Präsidenten kein sicherer Weg zum Sieg – aber doch ein deutlicher Vorteil. Das galt schon bisher, und auch die aktuellen Ermittlungen werden an den festgefahrenen Meinungen wenig ändern. Vor allem für jene Abgeordneten zum Repräsentantenhaus, die sich – wie Cheney – in Sachen Impeachment gegen Trump gestellt hatten, sieht es finster aus.

Haltung rächt sich

Zehn waren es insgesamt, vier von ihnen treten heuer nicht wieder zur Wahl an. Drei weitere haben ihre Abstimmungen bereits verloren. Nur zwei, David Valadao und Dan Newhouse, siegten. Newhouse profitierte dabei allerdings vom Primary-System in seinem Heimatstaat Washington, in dem Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien auf dem Stimmzettel stehen und die beiden Bestplatzierten im Herbst gegeneinander antreten – ein System, das tendenziell moderatere Kandidaten belohnt.

In anderen Bundesstaaten allerdings sind Primaries vor allem Kämpfe um die Zustimmung der Basis. Und weil diese seit Trump radikalisiert ist, belohnt sie oft jene, die sich selbst besonders weit aus dem Fenster lehnen oder aus anderen Gründen in das populistische Reality-TV-Schema des Ex-Präsidenten passen. In Pennsylvania wird Mehmet Oz um einen Senatssitz antreten, der einst als TV-Arzt seine eigenen Mittelchen bewarb und ab 2018 Gesundheitsberater Trumps war.

In Arizona kämpft die frühere Fox-News-Journalistin Kari Lake um das Amt der Gouverneurin, die Trumps Behauptungen von der "gestohlenen" Wahl 2020 stützt; in Michigan die Ex-Fernsehkommentatorin Tudor Dixon, die ebenso die Wahl 2020 anzweifelt und Abtreibungen auch in Fällen von Vergewaltigung und Inzest ablehnt. Den Fall um eine Vergewaltigung einer 14-Jährigen durch ihren Onkel bezeichnete sie als das "perfekte Beispiel" für ihre Haltung.

Gefährliche Strategie

Gemeinsam haben die Genannten allerdings nicht nur die Empfehlung Trumps, sondern auch ein weiteres Merkmal: In Umfragen liegen sie gegenüber ihren demokratischen Gegnerinnen und Gegnern deutlich schlechter als moderatere Republikaner. Das haben auch die Demokraten erkannt – und manche von ihnen setzen daher auf eine gefährliche Strategie: Sie unterstützen radikalere Republikaner, um im Herbst mutmaßlich leichtere Gegner zu haben.

In einigen Fällen wurden von demokratischen Stellen tatsächlich Werbungen für radikale Gegner moderater Republikaner bezahlt. So etwa in Michigan, wo der gemäßigte Peter Meijer, der für Trumps Impeachment gestimmt hatte, gegen "Maga"-Anhänger John Gibbs angetreten ist. Tenor des von dem für die Kongresswahlen zuständigen Parteikomitees der Demokraten finanzierten Videos: Gibbs sei "zu konservativ" für Michigan, stehe für die gleiche konservative Politik wie Trump.

Demokratische Wählerinnen und Wähler haben wohl tatsächlich Gründe, Gibbs nicht zu wählen – doch diese gehen selten zu republikanischen Vorwahlen. Unter republikanischen Anhängern klingt das aber eher verlockend. Gibbs, der unter anderem in der Vergangenheit die Lüge verbreitet hatte, Hillary Clinton nehme an satanistischen Ritualen teil, gewann die Vorwahl gegen Meijer.

Riskante Strategie

Ähnliche Videos gab es etwa auch anderswo, etwa bei der Gouverneursvorwahl in Illinois für Darren Bailey, der Abtreibung für schlimmer als den Holocaust hält. Dort haben die Demokraten nun tatsächlich ihren Wunschgegner.

Zurück geht die Strategie auf Claire McCaskill: Sie stand 2012 vor einer fast aussichtslosen Abstimmung über ihre Wiederwahl zur Senatorin in Missouri, unterstützte im republikanischen Vorwahlkampf dann den extremen Todd Akin. Dieser gewann das Votum tatsächlich. Und McCaskills Rechnung ging auf: Ihr Gegner stieß mit seiner Aussage, der weibliche Körper habe in Fällen einer "richtigen Vergewaltigung" Wege, die Schwangerschaft zu unterbinden, auf Empörung. Schlussendlich verlor er die Wahl deutlich gegen McCaskill. Mittlerweile allerdings ist McCaskill seit 2018 abgewählt – und warnte jüngst davor, die Strategie flächendeckend einzusetzen. (Manuel Escher, Noura Maan, 16.8.2022)