Der Chef der HDZ, Dragan Čović (im Bild), traf sich mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Er stellte sich gegen Sanktionen gegen die russische Regierung.

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Es ist eine alte Geschichte, die immer wieder aufgekocht wird. Bereits im Jahr 2001 versuchte der damalige Chef der kroatisch-nationalistischen HDZ, Ante Jelavić, der auch im Staatspräsidium saß, einen eigenen "kroatischen" Landesteil in Bosnien-Herzegowina zu schaffen, was der Verfassung widerspricht. Der damalige Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, enthob Jelavić aller seiner Funktionen, weil er das Friedensabkommen behinderte.

2001, so wie heute, behauptete die HDZ, dass das Wahlgesetz unfair sei. Sie drohte damals wie heute mit Boykott nach der Wahl oder eben mit der Schaffung eines dritten Landesteils – der im Krieg "Herceg-Bosna" genannt wurde. 2001 ging die Internationale Gemeinschaft deshalb auch daran, die Finanzierung der Nationalisten unter die Lupe zu nehmen.

Spenden für Medjugorje

Im April 2001 wurden die Filialen der Hercegovačka banka wegen Geldwäscheverdachts untersucht. Etwa 50 Unterkonten des nach Ende des Bosnienkriegs "offiziell" aufgelösten Kroatischen Verteidigungsrats (HVO) wurden gefunden. Die HVO führte 1993 und 1994 gegen die Armee von Bosnien-Herzegowina einen Krieg in der Herzegowina. Es ging darum, einen Teil der Herzegowina abzuspalten und an Kroatien anzuschließen. Doch die UN-Schutztruppe SFOR stieß bei der Razzia auf massiven Widerstand, in Grude wurden mehrere Mitarbeiter der SFOR Opfer einer Geiselnahme, 22 SFOR-Soldaten wurden leicht verletzt. Erhebliche Geldbeträge blieben unauffindbar. 2004 wurde Jelavić dann verhaftet.

Die Hercegovačka banka wurde 1997 unter anderem auch mit der Beteiligung der Franziskanerprovinz Mostar gegründet. Das Geld floss. Denn das internationale Spendenaufkommen für den westherzegowinischen Pilgerort Medjugorje wurde ebenfalls über die Hercegovačka banka abgewickelt.

Förderung von Sezessionismus

In den letzten Wochen hat die HDZ wieder ihre Drohungen verschärft, die Institutionen nach den Wahlen noch stärker zu boykottieren als bisher oder eine dritte Entität zu schaffen, wenn das Wahlgesetz nicht in ihrem Sinne geändert wird. Der Sicherheitsexperte Ismet Fatih Čančar meint, dass die Internationale Gemeinschaft angesichts dieser Drohungen erklären sollte, "dass sie bereit ist, die gleichen Mittel einzusetzen, um Frieden und Stabilität in Bosnien und Herzegowina zu wahren", wie bereits 2001.

"Diejenigen, die für Destabilisierung sorgen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden", so Čančar zum STANDARD. "Ungezügelte revisionistische Kräfte bedrohen mit Unterstützung externer Faktoren die Sicherheit und Stabilität im Lande", beschreibt er die Situation.

Čančar spricht sich gleichzeitig gegen die Idee aus, dass der derzeitige Hohe Repräsentant (OHR) noch vor der Wahl am 2. Oktober mit möglichen Änderungen des Wahlgesetzes der HDZ entgegenkommen könnte. "Die mögliche Entscheidung des OHR vertieft die Spaltungen weiter und würde zusätzlich zur ethnischen Diskriminierung und zu einer territorialen Segregation führen. Jedes Zögern, die Politik der ethnischen Segregation entschlossen zu verurteilen, fördert den Sezessionismus, so wie dies in den 90er-Jahren mit Unterstützung von Belgrad und Zagreb geschah", warnt Čančar.

Einfluss Russlands

Er denkt, dass vor allem Russland davon profitieren würde, wenn sich die ethnische Fragmentierung weiter vertiefen würde und wenn die Entscheidungsfindung durch die Stärkung der Position der HDZ "monopolisiert" würde. Im Landesteil Republika Srpska hat die extrem nationalistische SNSD von Milorad Dodik bereits eine Art Monopolstellung. "Die vorgeschlagene Änderung des Wahlrechts würde die Entscheidungsfindung in die Hände von zwei Parteien– neben der SNSD nun auch der HDZ – legen, was jegliche Art von Fortschritt Bosnien-Herzegowinas in Richtung der EU unmöglich machen würde", meint er. "Mit anderen Worten, was Russland bereits an Einfluss in der Republika Srpska mit Dodik hat, würde es jetzt an einer zusätzlichen Front mit HDZ im Landesteil Föderation multiplizieren."

Čančar verweist darauf, dass nicht nur Dodik sich mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow traf, sondern eben auch der HDZ-Chef Dragan Čović. Beide stellten sich gegen Sanktionen gegen die russische Regierung.

Front nach Bosnien verlegen

Auch der Dekan der Universität Sarajevo, Sead Turčalo, warnt vor dem steigenden Einfluss Russlands in Bosnien-Herzegowina durch die SNSD und die HDZ. "Beide Parteien teilen mit Russland das Interesse, das Land als nicht funktionsfähig darzustellen, um eine neue Macht- und Territorialverteilung auszuhandeln", erklärt er dem STANDARD. "Auf diese Art und Weise wird das Land aus allen euroatlantischen Integrationsprozessen gehalten, und Russland kann den eingefrorenen Konflikt in Bosnien manipulieren, kontrollieren und eskalieren, wenn die russische Führung entscheidet, eine Front gegen die liberale internationale Gemeinschaft nach Bosnien zu verlegen."

Zurzeit spiele die liberale internationale Gemeinschaft, vor allem der Hohe Repräsentant, die USA und Großbritannien, mit der starken Befürwortung der Änderung des Wahlgesetzes in die Hände Russlands und öffne so den Raum für stärkeren Einfluss aus Moskau, aber auch von anderen illiberalen Kräften wie etwa Ungarn. (Adelheid Wölfl, 16.8.2022)