Schlesingers zweite Amtszeit hätte noch bis 2026 gedauert.

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Berlin – Der Rundfunkrat des ARD-Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat Patricia Schlesinger am Montag als Intendantin abberufen. Damit wird formal die Vertragsauflösung in die Wege geleitet. 22 der 23 anwesenden Rundfunkratsmitglieder stimmten für die Abberufung, es gab eine Enthaltung, sagte Gremiumsvorsitzende Friederike von Kirchbach. Die 61-Jährige war vor rund einer Woche als Chefin des RBB wegen zahlreicher Vorwürfe der Freunderlwirtschaft zurückgetreten.

Wenige Tage zuvor hatte sie bereits ihren Rückzug als ARD-Chefin angetreten. Der Fall hat den Sender in eine beispiellose Krise gestürzt, die auch auf den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abstrahlt. Patricia Schlesinger war seit 2016 Intendantin. Ihre zweite Amtszeit hätte eigentlich bis 2026 gedauert.

Winkt eine Abfertigung?

Es blieb am Abend zunächst unklar, ob es zu einer Abfertigung kommen wird und wie die Pensionsansprüche aussehen. Das liegt nun in der Hand des Verwaltungsrats. Es wurde kein Zeithorizont für eine Entscheidung genannt.

Die Managerin und Journalistin sieht sich zahlreichen Vorwürfen der Freunderlwirtschaft ausgesetzt. Im Zentrum steht neben der 61-Jährigen der ebenfalls zurückgetretene RBB-Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen Vorwürfe zurück. Zudem geht es um fragwürdige Aufträge für Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl bei der Messe Berlin, wo Wolf ebenfalls bis zu seinem dortigen Rücktritt Aufsichtsratschef war. Das Online-Medium "Business Insider" hatte den ganzen Fall Ende Juni ins Rollen gebracht.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Schlesinger, gegen den Ex-"Spiegel"-Journalisten Spörl und gegen Wolf wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme.

Dienstwagen mit Massagesitz

In dem Fall geht es um Details wie umstrittene Beraterverträge für ein inzwischen auf Eis gelegtes RBB-Bauprojekt, einen teuren Dienstwagen für Schlesinger mit Massagesitzen, die Verköstigung von Gästen in ihrer Privatwohnung auf RBB-Kosten mit angeblich falschen Rechnungen, eine kräftige Gehaltserhöhung für Schlesinger um 16 Prozent auf 303.000 Euro plus einem Bonus-System für Führungskräfte, das der Sender bisher unter Verschluss hält. Auch die Renovierung der Chefetage mit schicken Möbeln für 1,4 Millionen Euro sorgte für Unmut, zudem wird ein London-Trip Schlesingers hinterfragt.

Im Kern geht es um die Frage, ob die Senderchefin und der Senderchefkontrolleur Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von beruflichen und privaten Interessen gepflegt haben könnten. Es läuft eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Sie werden erst in Wochen erwartet.

Schlesingers Posten hat nach ihrem Rücktritt am Sonntag vor einer Woche der Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter übernommen. Er wird sich am Dienstag im Hauptausschuss des brandenburgischen Landtags in Potsdam Fragen stellen. Im Juli hatte Schlesinger eine Einladung ausgeschlagen, was fraktionsübergreifend für Empörung gesorgt hatte. (APA, 15.8.2022)