Bloß keine falsche Bescheidenheit: Liberace huldigte bei seinen Auftritten Glanz und Glamour.

Foto: Kinescope Film

Der US-amerikanische Showpianist Liberace war kein Mann der kleinen Gesten. Wenn er auf die Bühne kam, dann am liebsten im weißen Rolls-Royce und einem meterlangen Chinchilla-Mantel. Kein Wunder also, dass seine Kritiker hinter viel Bling-Bling nur wenig Substanz zu erkennen vermochten. Einer davon war zunächst auch der britische Regisseur Tony Palmer. In der Doku Look Me Over, die auf Arte am Mittwochabend im Anschluss an das Biopic Liberace – Zu viel des Gutenist wundervoll und weiterhin in der Mediathek zu sehen ist, gesteht er dann, dass Liberace einer der witzigsten Entertainer gewesen sei, die er je gesehen hat.

Zwar versuchte sich der Großmeister des Pomps, der 1987 an den Folgen von Aids starb, die längste Zeit als heterosexuell zu präsentieren. Die Doku zeigt aber, wie vielfältig Liberace als Projektionsfläche funktionierte und wie mit den von ihm ausgesandten Codes Homosexualität ein Teil der Popkultur wurde. Sein berühmt-berüchtigter, in der Hollywood-Version von Matt Damon verkörperter Liebhaber Scott Thorson taucht in Look Me Over nur als allseits übel beleumundetes Phantom auf. Mit der ersten Unterhaltsklage eines Mannes gegen einen Mann hat Thorson 1982 für Schlagzeilen gesorgt.

Die Doku zeichnet ein durchaus komplexes Bild Liberaces, eines gutmütigen, in der Depressionszeit groß gewordenen Selfmademan, der es aber gegenüber dem eigenen Bruder an Empathie mangeln ließ, Narzissmus und Glamour als Goldstandard im Showgeschäft zu etablieren half und vor allem über eine unwiderstehliche Waffe verfügte: Selbstironie. Oder mit den Worten Liberaces: "My clothes may look funny, but they’re making me money." (Karl Gedlicka, 17.8.2022)