In Wirklichkeit geht es ja um etwas ganz anderes. Schließlich dürfte die Gruppe jener Personen, die sich jedes halbe Jahr eine neue Laufuhr kaufen, eher klein sein. Erstaunlicherweise wird aber nie gefragt, wie lange Sportwecker im Dienst sind, bis sie ersetzt werden – und mit welchen Erwartungen eine neue Uhr dann angeschafft und angelegt wird.

Ja eh: Die Industrie weiß bestimmt genau, wie lange eine Sportuhr im Schnitt im Einsatz ist. Wann sie ersetzt wird – und auch wer was wogegen austauscht.

Dass die Hersteller diese Daten aber nicht groß rausblasen, ist nachvollziehbar. Schließlich hängen an diesem Wissen Strategien, Entwicklungs- und Marketingpläne. Viel Geld also.

Foto: Tom Rottenberg

Gefühlt (mit Blick auf die Handgelenke rund um mich) werden Laufuhren in etwa alle drei Jahre ausgetauscht. Selten, weil sie kaputtgehen. Meist aus Lust auf etwas Neues: An den tatsächlich benötigten Funktionen, derentwegen so ein Ding angeschafft wird, ändert sich ja meist nicht wirklich viel – aber noch präziseres GPS macht halt Spaß.

So wie längere Akkulaufzeiten, Trainingstipps oder Features wie Schlafkontrolle, Zyklusberechnung, Konnektivität sogar mit der Kaffeemaschine, Community-Building, Messaging- und Lifestyle-Funktionen klingen ebenfalls fein.

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Wenn ich mit einer Uhr bezahlen kann, ihre Bewegungssensoren sogar Asanas und Atemübungen beim Yoga erkennen, wenn das Ding eine Woche ohne Ladekabel auskommt und ich mit dem Teil auch Nägel einschlagen könnte, ohne dass es Schaden nimmt, sind das keineswegs zwingende Sport-Features.

Wenn sie dazu noch schick aussieht und eine Geschichte über mich erzählt, erspare ich mir eine zweite, "lifestylige" Alltagsuhr. (Die meist eh auch ein bisserl Sport kann – aber halt nicht wirklich.)

Außerdem kann ich dann sogar das Handy daheim lassen – und trotzdem "komfortabel vernetzt" sporteln.

Foto: Tom Rottenberg

Doch sobald es um Sportuhren geht, fabulieren wir auf der Spitze des Eisberges über ebendiese. So als gäbe es nix anderes. Als wäre jeder und jede immer eh voll am allerletzten Stand der Technik unterwegs.

Deshalb habe ich diesmal zwei Kollegen Geräte umgehängt, die bisher mit echten Oldtimern unterwegs waren. Sie bekamen Uhren, die im Vergleich dazu nach Science-Fiction klingen.

Innnerfamiliär habe ich etwas Ähnliches gemacht – und zwei Probandinnen ihre mittelneuen Uhren gegen andere Hardware getauscht.

Alle sind intensive, sehr gute Läuferinnen und Läufer. Drei von ihnen betreuen Laufgruppen und haben Marathon-Beine. Eine kann auch Ultra.

Foto: Tom Rottenberg

Michael zum Beispiel. Der Mann ist nicht schnell, sondern sauschnell. Er leitet bei uns im Verein das wöchentliche Stabi-Training und betreut (Firmen)Laufgruppen. Daran hinderte ihn auch seine Polar M400 nicht, die er gebraucht auf Willhaben gekauft hat. Die M400 ist ein echter Oldtimer: 2014 kam sie auf den Markt und "konnte" Bluetooth. Das war da noch nicht selbstverständlich. Den Puls misst sie nur per Brustgurt.

Auch wenn wir heute lächeln: 2014 war der M400er ein cooles Referenzteil. Auch heute noch, betonte Michael, erfülle er seine Aufgabe ausgezeichnet. Einzig der Akku halte nicht mehr so lange. "Das Alter …"

Ich gab Michael die Coros Pace 2. Die ist zwar zwei Jahre alt, aber immer noch ein Exot. Zu Unrecht. Und mit den vor kurzem präsentierten neuen Farben sieht das 29-Gramm-Leichtgewicht nicht mehr aus wie vom Mexikoplatz.

Michael ist Design (bei Sportuhren, wohlgemerkt) nicht sooo wichtig. Darum bekam er meine "alte" im Kaugummiautomatenlook. Wieso die? Die Pace 2 ist dort richtig eingesetzt, wo auch der M400 daheim war und ist: kein Schnickschnack. Fokus aufs Laufen – plus ein bisserl was. Zu einem Hammerpreis: Etwa 200 Euro.

Foto: Tom Rottenberg

"Gadgets und Spielereien sind weniger meines", schrieb Michael danach, "so habe ich die Uhr auch getestet." Tragekomfort und Gewicht bekamen von ihm Höchstnoten. Auch die Usabilty überzeugte den Tester, wenn auch nach einer – angesichts des ungewöhnlichen Aufbaus absolut üblichen – Eingewöhnungsphase: Die Coros hat kaum Druckknöpfe, aber eine drehbare Krone. "Nach einer kurzen Phase der Umgewöhnung ist mir die Drehkrone sympathisch. Eine positive Überraschung – und ein Beweis, dass Vorurteile und anfängliche Skepsis oft falsch sind."

Auch Interface und App kamen sehr gut weg. Michael bastelte sich damit Intervall- und Dauerlauf-Screens für In- und Outdoor – und war happy.

Bis auf ein Detail: Dass bei Intervallen die Handgelenkspulsmessung nicht so exakt wie der Brustgurt ist (bei allen Herstellern, Anm. TR), ist für jemanden, der immer mit Brustgurt gelaufen ist, ein Novum.

Außerdem: Michael kennt viele seiner Strecken sehr genau. "Das GPS ist nicht immer ganz akkurat. Aber nicht besser oder schlechter als alles, was ich davor hatte." Die Akkuleistung sei "top" – die Pace 2 läuft gefühlt ewig.

Das Fazit: "Tolle Uhr, mag ich sehr gerne. Für 80 Prozent der Läufe optimal. Beim Intervalltraining, Tempolauf oder beim Wettkampf aber doch eher mit Brustgurt als nur mit Handgelenksmessung."

Einziger Wermutstropfen: "Es gibt keine echte Webplattform."

Foto: Tom Rottenberg

Der zweite Tester: Dominik. Auch er betreut Laufgruppen, ist Sportwissenschafter, Triathlet und hat ein Fitnessstudio. Seine Uhr war sogar noch älter als Michaels – und einst ein Topgerät: Die Suunto Ambit 2S stammt von 2013. Sie misst immer noch präzise – hat aber einen etwas eingeschränkten Horizont: Suunto hat vor längerem seine Webplattform eingestellt und setzt nur noch auf Handy-App-Anbindung. Dominiks Uhr "spricht" noch kein Bluetooth, lässt sich also nicht mehr synchronisieren. "Ich habe die Werte in der Uhr und kann händisch Trainingsprogramme eintragen."

Da Dominik Triathlet ist, bekam er den Garmin Forerunner 955, Garmins aktuelles Spitzenmodell aus der Forerunner-Serie.

Foto: Tom Rottenberg

Dominik hatte zwar einen großen Sprung erwartet, war aber überrascht, wie gewaltig der tatsächlich war: "Ein völlig neues Feature ist für mich die Auswertung und Ermittlung der Herzfrequenzvariabilität (HFV) während der Erholungszeit mittels Schlafaufzeichnung. Da das Uhrband flexibel ist, passt es sich perfekt an das Handgelenk an, für mich kaum spürbar: Nach einer stressigen Arbeitswoche und anschließendem Erholungsurlaub am Meer mit regenerativen Trainingseinheiten ist es interessant, wie genau die äußeren Einflüsse von der Uhr aufgezeichnet werden."

Die "unzähligen Sportmodi" probierte er (soweit es halt ging) durch – auch bei einem Bergtriathlon: Das GPS überzeugte ihn "bei dichtem Nebel auf 1.800 Höhenmetern" nicht nur beim Tracken, sondern auch beim Navigieren.

Foto: Tom Rottenberg

Dominik hatte die Solar-Version der 955er. Bei der verlängert das ins Uhrglas eingebettete Solarpaneel die Laufzeit signifikant. Ein Grund mehr, nach draußen zu gehen, lachte er: "Dann ist man nicht nur selber besser gelaunt, sondern tut auch der Uhr etwas Gutes. Einziger Kritikpunkt: Nach drei Wochen habe ich nahezu vergessen, dass es auch noch ein Ladekabel gibt." Weil: Ganz ohne geht es dann nämlich auf Dauer doch nicht.

Auch weil Dominik doch auch viel im Studio ist. Der Umstieg auf eine moderne Uhr war aber auch da ein gewaltiger Sprung, "wenn man endlich ohne Probleme sämtliche Daten vom Gerät mit der Uhr synchronisieren kann: Alle Aufzeichnungen von Technogym, Strava und weiteren Anbietern können miteinander verbunden werden."

Klingt selbstverständlich? Ja eh. Außer Sie sind bis vor drei Wochen mit einer neun Jahre alten Uhr unterwegs gewesen: Worauf es ankommt, kann die zwar immer noch, aber eine "edle Sportuhr", fasst Dominik zusammen, "macht das Training im Hinblick auf die Trainingssteuerung wesentlich aufschlussreicher." Und schließt: "Das regelmäßige Feedback hebt die Motivation und den Spaß am Sport."

Foto: Tom Rottenberg

Die – für mich – "Killerfeatures" der 955er hat Dominik aber nicht einmal erwähnt. Vermutlich also nicht genutzt: "Pay" und "Music". Beides kann auch der einfachere (und damit günstigere) ebenso neue Forerunner 255. Genauer: Bezahlen funktioniert immer, ohne Handy Musik abspielen aber nur mit den dafür ausgelegten Modellen.

Der 255er (rechts) spielt sportleistungstechnisch in der Liga der Coros (links). Er ist absolut "lauffokussiert", kann aber – so wie die Coros – dennoch deutlich mehr: von Schwimmen und Radfahren bis zu Yoga und Triathlon. Dazu kommen Gesundheits-, Lifestyle- und Alltagsfunktionen – etwa Stockwerkezählen, Menstruations- und Schlaftracking, Smart Notifications, Stresslevel- oder Body-Battery-Angaben.

Das Testgerät (in der etwas kleineren und damit eher Frauenarm-kompatiblen S-Ausgabe) bekam Elisabeth. Sie war bisher mit der Vivoactive 4S (ebenfalls von Garmin, aber eher als "Lifestyleuhr" positioniert) unterwegs.

Foto: Tom Rottenberg

Elisabeth arbeitet sich gerade an ihren ersten Marathon heran – konzentriert, eifrig und sehr systematisch. Den Wechsel von der Vivoactive fand sie "super": "Ich bin mega happy, dass die 255er keinen Touchscreen hat: Sie ist viel angenehmer und leichter zu bedienen." Obwohl die Vivoactive tatsächlich "nicht viel weniger konnte", sei der Sportmehrwert spürbar: "Routen speichern, während der Aktivität navigieren – das ist schon cool." Freilich: Nur mit Richtungspfeilen und Vektoren – "echte" Kartennavigation gibt es erst beim 955er.

Dennoch wollte Elisabeth "ihren" 255er dann nicht aus dem Testpool rauskaufen: Ihr Modell hatte kein "Music"-Feature. Da fehlt also etwas. Sound? Nicht nur: Die "Music"-Uhren können etwas, was die Hersteller-PR bisher kaum thematisiert. Ist eine "Music"-Uhr mit einem Bluetooth-Headset verbunden und ein "programmiertes" Trainingsprogramm aktiv, werden Intervalle, Tempi und Zonen ins Ohr geflüstert. Dieser "Kollateralnutzen" kann was.

Foto: Tom Rottenberg

Doch da wäre noch eine Uhr. Ebenfalls neu im Spiel – und mit dem gleichen Fokus wie der "kleinere" Forerunner und die Coros. Also voll und ganz aufs Laufen ausgerichtet – aber doch mit dem Blick über den Tellerrand: die Polar Pacer Pro.

Die habe ich mir selbst umgeschnallt und mit meiner Garmin Epix2 verglichen. Beim Laufen (eh klar) – aber dann auch und am Rad.

Wie bei jedem Herstellerwechsel muss man bei den Knöpfen natürlich umdenken: Jede Marke hat ihre eigene Usability-Philosophie. Aber abgesehen von der Gewöhnung und einstudierten Routinen war da absolut nichts, was man an Funktionalität, Präzision, Handling oder Displaylesbarkeit (auch bei greller Sonne) aussetzen könnte. Ganz im Gegenteil.

Foto: Tom Rottenberg

Trainingsunterstützung und Zusatzfunktionen (Notifications …) sind selbsterklärend und intuitiv. Ob man sie tatsächlich braucht, steht – wie bei den Mitbewerbern – auf einem anderen Blatt.

Die Konnektivität mit anderen Geräten (zum Beispiel Wattpedale von Garmin, Bike-Pulsgurt von Wahoo) ist top. Und die grafische Lösung der App-Anzeige natürliche eine Umstellung – aber heller und verspielter als die strengen Zahlentabellen bei Garmin Connect. Was fehlt? Lifestyle- und Smartwatch-Spielereien wie "Pay" und "Music" – aber an die habe ich mich einfach schon zu gut gewöhnt.

Foto: Tom Rottenberg

Spötter nennen das ja "das Sportgadget-Stockholmsyndrom": die Gewöhnung daran, über alle anderen Geräte (Wattmesssystem, Radcomputer, Waage …) in der verknüpften Datenwelt eines Herstellers verhaftet zu sein. Die Routinen, die Abläufe, beherrsche ich im Schlaf – das gibt Sicherheit. Und Sicherheit wird nicht nur als Komfort, sondern irgendwann auch als Überlegenheit wahrgenommen.

Und wehe, das wird infrage gestellt: Dass auf der Polar-App der Kalorienverbrauch zusätzlich nach Fett, Eiweiß und Kohlehydraten aufgeschlüsselt wird, man Rad- und Laufrouten in der App Meter für Meter nachanalysieren kann? Ja, das zwickt mich. Aber will ich das wirklich gegen "meine" Cyclingdynamics, Körperfett- und Muskelmasseanalysen und "Challenges" durch andere User auf der anderen Plattform eintauschen?

Foto: Tom Rottenberg

Wer weniger Prägung mit sich herumschleppt, tut sich da eindeutig leichter. Speziell, wenn da eine Sportart ganz klar Priorität hat: Elisabeths Mutter lief bis vor kurzem mit der Fenix 6, einer tollen, aber auch richtig "fetten" Garmin.

Für Langdistanzen über den Marathon hinaus ist das Teil allein schon wegen seiner Akkulaufzeiten super, gar keine Frage. An schlanken Frauenarmen wirkt es aber – höflich formuliert – so massiv und elegant wie ein umgeschnalltes Bügeleisen: "Im Alltag kann ich die unmöglich tragen."

Dann kam die Coros Pace 2. Grau, leicht, dezent und präzise.

"Okay, ich probiere sie aus. Dir zuliebe. Aber echt nur für einen Lauf."

Das war vor drei Wochen.

Seither wurde die Uhr exakt zweimal abgenommen: zum Laden – der Akku hält nämlich wirklich ewig.

(Tom Rottenberg, 16.8.2022)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Alle beschriebenen Uhren wurden von der Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Einige der Geräte danach aus dem Pool herausgekauft – oder aber werden nach Ende der Leihfrist zurückgeschickt.


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Foto: Tom Rottenberg