Die Startphase ist für erfolgreiche Prozesse essentiell.

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Wer die Umsetzung einer Entscheidung plant, hat eine Vorstellung vom Ergebnis. Das liegt in der Zukunft. Nach dem Umsetzungsprozess ist diese Zukunft dann Gegenwart – und viele denken dann möglicherweise ähnlich wie Nestroy: "Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er wirklich ist."

Enttäuschung oder Unzufriedenheit mit dem Ausgang ist oft unvermeidlich. Das berechtigt aber nicht, mit einer Schutzbehauptung anzufangen: Man kann’s eh nicht allen recht machen, niemand kann alles vorhersehen. Interessen von Betroffenen und mögliche Schwierigkeiten zu übergehen oder zu übersehen rächt sich meist. Start und Ende jeder Umsetzung sind erfolgskritische Episoden.

Die Startphase

Wie versemmelt man den Start? Man setzt Leute zusammen, die alle wichtigen Bereiche vertreten, nennt sie ein Team und geht davon aus, dass sie aus dem Stand arbeitsfähig sind. Belegt ist aber, dass eine sorgsame Startphase für die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe maßgeblich ist; mehr als fünf bis sieben Leute sollten es nicht sein. Nicht allgemein üblich ist, dass der entscheidende Auftraggeber Sinn und Hintergrund der Entscheidung vor allen Betroffenen erklärt und diskutiert, die Prozessverantwortlichen benennt und das Commitment des Managements klarmacht.

In dieser Phase müssen die Umsetzungsverantwortlichen überlegen, welche internen und/oder externen Ereignisse das Projekt gefährden könnten. Je länger es dauert, umso mehr kann passieren. Die Dauer ist entweder an einen Termin gebunden oder mit dem Eintritt eines definierten Ereignisses begrenzt. Ein Beispiel für die Bedeutung der Frage bietet die große Pyramide von Gizeh. Als Grabstätte für den Pharao musste sie vor dessen Tod fertig sein. Cheops war damals 40 Jahre alt, die durchschnittliche Lebenserwartung betrug keine 60 Jahre. Der Projektleiter (Architekt und Vizepremierminister) wusste das, ließ sich täglich über den Gesundheitszustand informieren, sah in einzelnen Bauabschnitten Grabkammern vor und vollendete das Bauprojekt zeitgerecht.

Im ersten Teil dieser Kolumne mit dem Titel Warum Vorgesetzte nicht nach Eigeninteressen entscheiden sollten wurde behauptet, Ressourcen, Macht und Beziehungen seien zentrale Bedingungen für die Möglichkeit von Erfolg. Das heißt, kritische Situationen treten auf, wenn:

  • die Ressourcen für die Umsetzung reduziert oder nicht mehr geliefert werden, Krankenstände steigen etc. Weniger fällt auf, wenn wichtige Informationen fehlen und man datenlos agieren muss.
  • Steht das Management nicht mehr hinter der Umsetzung, hat es an Einfluss verloren oder gewechselt, bedeutet das eine Krise.
  • Wenn Verbündete abspringen oder einflussreiche Gegner auftauchen, verliert das Projekt den Boden unter den Füßen.

Umsetzungen haben selten einen klaren Abschluss, nie ein selbstverständliches Ende. Kann man etwa sagen, das neue Informationssystem sei erfolgreich implementiert, wenn noch etliche Monate für Beratung und Schulung als Schmiermittel für die Anwendung zu bezahlen sind? Das Ende, also die Abschluss- oder Abbruchkriterien müssen rechtzeitig definiert werden. Das ist nicht selbstverständlich und ein ungeliebtes Thema.

Die Schlussphase

Abschluss oder Abbruch? Oft ein Dilemma: Einerseits soll man das Schachbrett nicht umwerfen, nur weil man einen Bauern verloren hat. Andererseits soll man nicht gutes Geld schlechtem hinterherwerfen. Besonders bei Megaprojekten ist das die Falle schlechthin. Der Semmering-Basistunnel etwa hat sich zum "Milliardengrab" entwickelt (DER STANDARD 16./17./18. April 2022). Die Liste ähnlicher und größerer Desaster ist sehr lang; aber für ein KMU sind schon kleinere Dimensionen "mega".

Kriege zeigen sehr scharf die Symptome von Megaprojekten. Immer geht es um die Frage: Wie kommt man da wieder raus? Schwer zu beantworten, da solche Projekte lange Laufzeiten haben, einen mächtigen Betreiber und viele unterschiedliche Interessenten. Sehr früh wird ein bestimmtes Ziel dekretiert. Daher sind Kosten- und Zeitschätzungen gern oberflächlich, unerwartete Probleme in der Umsetzung üblich. Aber da man schon frühzeitig viel investiert hat, ist man überoptimistisch.

Manche haben allen Grund dazu, weil sie daran verdienen. Die Folge: "Over budget, over time, over and over again." Diese Merkmale weisen darauf hin, was man vermeiden sollte. Beim Bau der Cheops-Pyramide ist das gelungen. Aber die Ägypter hatten damals schon 300 Jahre Erfahrung mit solchen Bauwerken, und der Leiter war nicht nur mächtig, sondern auch ein bewährter Fachmann. (Stefan Titscher, 17.8.2022)