Wer würde einem solchen goldigen Geschöpf zutrauen, dass es seinen Mitbewohnern Schnabelhiebe versetzt?

Foto: Heribert Corn

Wenn die Welt sich wie eine Wahnsinnige gebärdet, wenn Kriege toben, der Gasfluss stockt, es die FPÖ inwendig zu zerreißen droht, dann erteilen Weisheitslehrer folgenden Rat: Mensch, werde privat. Der sicherste Pfad zur Zufriedenheit führt, bildlich gesprochen, über die Hühnerleiter.

Seit meine Familie und ich, auf der Schattseite unseres Anwesens, einen Hühnerstall unterhalten, haben Gleichmut und Behaglichkeit im Haushalt Einzug gehalten. Drei Geflügeldamen wohnen mit der Eintracht von Parzen auf einem handtuchbreiten Wiesenstreifen. Unstimmigkeiten, die wie bei allen Geschöpfen auftreten, schaffen sie mit beherzten Schnabelhieben aus der Welt. Das Anerbieten eines gelernten Kochs, die dickste der dreien, eine gestandene Sulmtalerin, besonders schmackhaft zuzubereiten, endete mit einem Eklat. Dem Küchenvirtuosen, bereit, sich am Hals der Henne zu schaffen zu machen, wurde die Tür gewiesen.

Mich Babyboomer erinnern die Hühner lebhaft an die Großtanten meiner Kindheit. Noch in den Aufbruchsjahren der Ära Kreisky wurde das Sozialleben sehr weitgehend von Großtanten bestimmt. Die meisten von ihnen geboten über ein stark ausladendes Stufenheck.

Sie waren allesamt verwitwet und bereiteten in modrigen Wohnungen ohne Unterlass stark riechende Mahlzeiten zu: unabhängig von jeder Nachfrage. Die mir liebste, eine emeritierte Bäckerin aus Wöllersdorf, bewegte sich im selben Wiegeschritt wie unsere Sulmtalerin. Das Fehlen ihres im Krieg gefallenen Mannes bereitete ihr kaum Kopfzerbrechen: "Den Schurl hat der Hitler verhext gehabt!!" Auf das Zusammenleben mit Hähnen können Hennen wie Tanten verzichten. Unstimmigkeiten mit Partnerinnen schaffen Gockel mit besonders brutalen Schnabelhieben aus der Welt. (Ronald Pohl, 17.8.2022)