Eine Schlüsselfigur der Bahrainer Kunstszene: Scheich Rashid Al Khalifa.

Foto: Rak Art Foundation

Eine Kunstschule? Nein, eine solche gibt es in Bahrain nicht. Rashid Al Khalifa sitzt im Innenhof seines Elternhauses, das er zu einem kleinen Privatmuseum umgebaut hat, und zieht eine verdrießliche Miene. "Wissen Sie", sagt er, "in diesem Land gibt es einige gute Künstler, die meisten sind aber auf sich allein gestellt." Um das zu ändern, gründete Al Khalifa mit einigen Getreuen vor knapp 30 Jahren die Contemporary Bahrain Arts Foundation, eine Vereinigung, die jungen Künstlern dabei helfen sollte, nach dem Studium im Ausland zu Hause künstlerisch Fuß zu fassen. Leider sei die Aufbruchsstimmung bald verebbt.

Seit einigen Monaten ist Al Khalifa Präsident des neu gegründeten Art Council, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die bestehenden Kunstinstitutionen in Bahrain besser zu vernetzen. Keine einfache Aufgabe, Kunst habe in Bahrain eine untergeordnete Bedeutung, sagt Al Khalifa und erzählt, als wollte er sich entschuldigen, von all den Initiativen, die er angestoßen habe.

Der Inselstaat ist so etwas wie der Nachzügler am Persischen Golf. Während in den Nachbarstaaten Katar oder den Emiraten die Wolkenkratzer in den Himmel schießen, ist das gerade einmal 1,7 Millionen Einwohner zählende Land am Boden geblieben. Die Erdölvorkommen sind nicht mit jenen der Nachbarn zu vergleichen, die Hauptstadt Manama ist bei vielen höchstens für ihre Briefmarken bekannt. Geht Bahrain wieder einmal das Geld aus, schießt Saudi-Arabien die fehlenden Dollar nach. Mit dem großen Nachbarn ist der Inselstaat über eine 25 Kilometer lange Brücke verbunden.

Kunstoffensive der Saudis

Anders als in den Nachbarstaaten haben die Bahrainer Kunst und Kultur noch nicht als Wirtschafts- und Imagefaktor entdeckt. In Abu Dhabi klotzte Stararchitekt Jean Nouvel eine Dependance des Pariser Louvre als Kronjuwel eines im Entstehen begriffenen Kulturviertels hin, Dubai mausert sich mit seiner Kunstmesse Art Dubai immer mehr zu einem Kunstumschlagplatz, und in Saudi-Arabien, ja, dort steht Kunst neuerdings sowieso weit oben auf der Prioritätenliste: In der Nähe von Al-Ula stellt man mitten in der Wüste spektakuläre Kunstwerke aus, in Riad richtete man kürzlich die erste Biennale aus. Offensichtlich soll das ramponierte Bild des Ölstaates einen etwas liberaleren Anstrich bekommen. Ob das funktioniert, darüber will Rashid Al Khalifa keine Auskunft geben.

Als Mitglied des Königshauses muss der Bär von einem Mann jedes seiner Worte abwägen. Statt wie vom damaligen König aufgetragen in England die Polizeiakademie zu besuchen, nahm er Anfang der Siebzigerjahre lieber Kunstunterricht. Als das Herrscherhaus von den Eskapaden des jungen Scheichs erfuhr, beorderte man ihn zurück und steckte ihn als Staatssekretär in das Ministerium für Tourismus und Archäologie. Dort arbeitet Al Khalifa auch heute noch, momentan bereitet er die Amtsübergabe vor. Kunst blieb während all dieser Jahre seine erste Berufung: als Strippenzieher, Sammler und selbst als Künstler.

In Bahrain gibt es wenige Orte der Kunst: Die neu eröffnete Rak Art Foundation in einem ehemaligen Wohnhaus ist ein solcher.
Foto: Hilpold

Die impressionistischen Wüstengemälde im Turner-Stil sind mittlerweile zwar Installationen und abstrakten Arbeiten gewichen, bis heute arbeitet Al Khalifa aber jeden Tag mehrere Stunden an seinen Kunstwerken. 2018 stellte er in der Saatchi Gallery in London aus, diesen Sommer und Herbst bespielt er mit zwei Ausstellungen das Liechtensteiner Landesmuseum.

In seinem eigenen Museum, dem Sitz der Rak Art Foundation in einem Vorort von Manama, hängen neben einem Frank Stella oder einem Yves Klein denn auch seine eigenen Bilder. "Natürlich stelle ich mich nicht in eine Linie mit diesen großen Künstlern", sagt Al Khalifa, es ginge ihm hier in dem Haus seiner Kindheit eher darum, einen subjektiv kuratierten Ort der Kunst zu schaffen. Davon gibt es in Bahrain nicht allzu viele.

Über ein richtiges Kunstmuseum verfügt der islamische, aber liberale Inselstaat nicht, die Galerienszene ist überschaubar und international bedeutungslos. Um so wichtiger sind Institutionen wie der Al Riwaq Art Space, der mittlerweile schon in seinem dritten Jahrzehnt existiert, oder eben die Rak Art Foundation, die gegen Voranmeldung besucht werden kann. Melden sich Künstler oder Künstlerinnen zu einer Visite an, wird schon einmal eines von deren Kunstwerken aus dem Depot geholt.

Rashid al Khalifa ist eine der zentralen Figuren der Bahrainer Kunstszene. Er ist Künstler und Sammler – und gehört zum Bahrainer Königshaus.
Foto: Hilpold

Beim eigenen Besuch hängen in dem raffiniert umgebauten zweistöckigen Haus zwei Fotografien der Wiener Künstlerin Angelika Krinzinger und ein Werk von Anouk Lamm Anouk. Letzteres entlockt dem 70-jährigen Al Khalifa ein verschmitztes Lächeln. Als er es gekauft habe, sagt er, habe er nichts über die ihre Sexualität auch in ihrem Werk sehr direkt thematisierende Wiener Künstlerin gewusst – andernfalls hätte er das Bild wohl eher nicht erstanden. Religion und Sexualität sind Themen, die man in Bahrain lieber ausspart. Vor allem religiöse Aussagen versuche man zu vermeiden, sexuelle Anspielungen werden dagegen toleriert – solange, so Al Khalifa, die Darstellungen nicht zu explizit seien. Das Problem sei dabei aber eher die Schere, die die Kunstschaffenden selbst im Kopf haben, als die reale Zensur, so Al Khalifa. Erotische Rückenakte finden sich auch in seinem Œuvre.

Mitglied des Königshauses

Als Cousin des amtierenden Königs und Ehemann von dessen Schwester verfügt der 70-Jährige über eine privilegierte Position in dem Inselstaat. Das Atelier des Scheichs ist ein Anwesen mit eigenem Fuhrpark und Gestüt, bei der Eröffnung einer lokalen Kunstausstellung steht Al Khalifa selbstredend im Mittelpunkt. Schreiben Sie, ich sei ein Botschafter der Kunst, sagt er im Innenhof seiner Rak Art Foundation, quasi als Auftrag. Und zwar ein Botschafter im doppelten Sinne: in Bahrain selbst für die Anliegen der Kunst und im Ausland als Vertreter eines Landes, das eine der ersten Hochkulturen hervorbrachte und dessen Kunstszene langsam versucht, im arabischen Raum und international Fuß zu fassen.

Zwischen 2500 und 1700 vor Christus lag Dilmun (so der historische Namen des Inselverbunds) entlang der Handelsroute von Mesopotamien ins Industal. Im Gilgamesch-Epos wird Dilmun ob seiner Süßwasserquellen gar als Paradies beschrieben. Heute künden von der lange zurückliegenden Blütezeit noch zehntausende bis zu 20 Meter hohe Grabhügel, deren schönste Beigaben im Nationalmuseum ausgestellt sind. Touristisch erschlossen sind die Grabfelder nicht, Autobahnen verlaufen quer durch sie hindurch. Nicht nur die Gegenwartskunst betreffend ist in Bahrain noch viel zu tun, auch bezüglich des Kulturerbes wacht der Inselstaat erst langsam auf. (Stephan Hilpold aus Bahrain, 17.8.2022)