Immer wieder tauchen im Zusammenhang mit dem Amt des Bundespräsidenten "populistisch-autoritäre Machtfantasien" auf (Politologe Anton Pelinka). Auch und gerade vor einer Wahl und meist aus dem rechtskonservativen Lager kommend. Wieder ist es so weit: Der Kandidat der FPÖ, Walter Rosenkranz, kann sich sowohl die Entlassung der Bundesregierung vorstellen, wenn sie ihm missfällt – als auch die Auflösung des Nationalrats und die Abhaltung von Neuwahlen.

Walter Rosenkranz kann sich die Entlassung der Bundesregierung vorstellen, wenn sie ihm missfällt.
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Das stößt bei etlichen Bürgern auf eine gewisse Zustimmung. Nicht nur bei FPÖ-Anhängern und anderen weit rechts außen stehenden, sondern auch bei "normalen" Demokraten, die sich irgendwie einen "starken Mann" als Staatsoberhaupt wünschen, der mit diesen ganzen Parteienstreitereien aufräumt. Und, wie steht es mit den (autoritären) Rechten des österreichischen Bundespräsidenten? Antwort: Er hat sie, zugleich aber auch nicht wirklich.

Unsere Verfassung wurde 1920 nach Gründung der Republik von Hans Kelsen entworfen. Die Ausweitung der Rechte des Bundespräsidenten stammt jedoch von einer Novelle aus dem Jahr 1929. Die Christdemokraten wollten einen autoritären "starken Mann", der per Volkswahl ins Amt kommt. Sie setzten sich teilweise durch, aber die Sozialdemokraten setzten durch, dass "die Bundesregierung weiterhin dem Nationalrat politisch verantwortlich blieb" (Pelinka/Rosenberger: Österreichische Politik). Oder wie Bruno Kreisky es formulierte: "der Novelle die Giftzähne gezogen wurden".

So blieb es bis heute. Der Bundespräsident kann eine Regierung entlassen und eine neue angeloben, die seinen Wünschen entspricht. Das könnte etwa eine Expertenregierung sein. Er könnte auch, auf Wunsch ebendieser von ihm eingesetzten Regierung, den Nationalrat auflösen und so Neuwahlen herbeiführen. Insofern hat Rosenkranz recht. Das ist sozusagen der Teil unserer Verfassung, der ein "Präsidialregime" (theoretisch) erlaubt.

Schwerste politische Verwerfungen

Aber in Wirklichkeit ist der parlamentarische Charakter unserer Verfassung stärker. Jede Regierung, die ein Bundespräsident Rosenkranz oder sonst ein Autoritärer einsetzt, braucht eine parlamentarische Mehrheit. Würde etwa Rosenkranz im Herbst die schwarz-grüne Regierung entlassen, weil ihm die Corona-/Ukraine-/Teuerungspolitik missfällt oder dagegen demonstriert wird; würde er dann eine "Expertenregierung" (mit verkappten FPÖ-Ministern) einsetzen, so wäre die mit größter Sicherheit sofort durch einen Misstrauensantrag aller anderen Fraktionen außer der FPÖ gestürzt. Denkbar wäre allerdings, dass Rosenkranz in Absprache mit ÖVP und FPÖ eine neue schwarz-blaue Koalition angelobt, aber die müsste auch eine Mehrheit haben.

Sollte Rosenkranz dann auf Antrag der von ihm bestellten Regierung den Nationalrat auflösen und so Neuwahlen erzwingen, wäre anschließend wieder eine parlamentarische Mehrheit notwendig. Gibt es die, wären trotzdem wegen dieses "präsidentiellen Staatsstreichs" des Bundespräsidenten schwerste politische Verwerfungen die Folge, Unruhen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Jede Partei, die sich auf so ein Spiel einlässt, ist in der EU ein Paria. Es kann passieren, aber es ist sehr unwahrscheinlich. (Hans Rauscher, 17.8.2022)