Raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer vor der Haustür. Eine Nacht in der Natur kann schon mit wenigen Hilfsmitteln unvergesslich werden.

Foto: Florian Lechner
Foto: Florian Lechner

Der Trail mäandert gemütlich durch den Lärchenwald. Im Licht der spätnachmittäglichen Sonne erinnert die Szenerie hier auf dem Seefelder Plateau an Norditalien. Nur statt Meer gibt es den Möserer See. Warum nicht schnell pausieren und einen Sprung ins Wasser wagen? Nach dem Uphill in der Augusthitze eine willkommene Abkühlung. Die Zeit drängt schließlich nicht, denn das Ziel ist fast erreicht, und es geht erst morgen zurück nach Hause. Der Schlafplatz für heute Nacht ist nur wenige Radlminuten durch den Wald entfernt.

"24h-Overnight" nennt sich der Trend zum zeitlich begrenzten Eskapismus, der aus der Bike-Packing-Szene kommt. Dahinter steckt die Idee, eine Radtour in die Natur zu unternehmen, die mindestens 24 Stunden dauert und eine Übernachtung beinhaltet. Die Herausforderung: das Gepäck auf das Nötigste beschränken und das Mini-Abenteuer dennoch so komfortabel wie möglich gestalten. Für den RONDO-Test wurde neben dem eigenen Equipment das eine oder andere Hilfsmittel als Leihgabe bei diversen Herstellern angefragt (siehe unten).

Durchdachte Planung

Am Anfang steht, wie bei jedem Naturerlebnis, die Tourenplanung. Vor allem wegen der Übernachtung sollte sie durchdacht sein. Denn hierzulande gilt ein generelles Campingverbot im Wald. Erst kürzlich warnte der Alpenverein vor empfindlichen Strafen fürs Wildcampieren. Auch über der Baumgrenze ist je nach Bundesland Vorsicht geboten: Kärnten, Niederösterreich und Tirol verbieten das Zelten außerhalb von Campingplätzen generell.

In Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Vorarlberg existieren keine landesweiten Verbote, es empfiehlt sich aber, vorher bei der Gemeinde anzufragen. Dasselbe gilt für Südtirol. Für meine Tour habe ich eigens ein Platzerl gewählt, an dem Campieren von den Grundbesitzern geduldet wird.

Der kurze Weg vom See zum Zeltplatz führt weiter durch den Lärchenwald. Die Abendsonne hilft beim Haaretrocknen und taucht die Landschaft in ein mystisch goldenes Licht. Bei derlei Touren ist der Weg das Ziel. Daher sollte er so beschaffen sein, dass man ihn auch mit Gepäck auf dem Rücken bewältigen kann. Von Höhenmeterrekorden ist im Zuge eines solchen Ein-Tages-Abenteuers abzuraten.

Daher wählte ich als Teststrecke das Seefelder Plateau, das mich stellenweise immer an Kanada erinnert. Schöne Etappenziele werten die kurze Reise auf – wie etwa der Aussichtspunkt hinunter ins Inntal, wo sich die untergehende Sonne im Fluss spiegelt, oder zwischendurch eine kurze Einkehr mit kühlen Erfrischungen. Das sind willkommene Pausen für müde Beine.

Alles eine Frage des Packmaßes

Die große Herausforderung bei der Übernachtpartie ist das Packen. Schließlich soll es an nichts fehlen, aber trotzdem fast nichts wiegen. Ultraleicht heißt das Zauberwort, das beim Equipment den Unterschied macht. Nicht nur beim Gewicht, vor allem preislich. Je leichter, desto teurer, lautet die Faustregel.

Steffen Arora begab sich auf einen 24-Stunden-Trip mit dem Mountainbike, inklusive Übernachtung im Zelt.
Foto: Florian Lechner

Das Zweipersonenzelt ist so ein Beispiel. Es wiegt knapp unter zwei Kilogramm und lässt sich auf handliche 40 mal zwölf Zentimeter zusammenpacken. So passt es nebst der aufblasbaren Isomatte außen an den Rucksack und ist keine große Zusatzbelastung. Der Preis von 750 Euro hingegen ist stolz. Zelte für zwei gibt es auch deutlich günstiger – und eben schwerer. Allerdings besticht das Bach Guam 2 durch wirklich kinderleichtes Aufbauen, dank farblich markierter Ösen und Stangen selbst im Mondenschein. Und vor allem der Platz, den es innen bietet, ist bemerkenswert.

Gutes Bett

Weil die Nacht sternenklar werden soll, verzichte ich vorerst auf die Regenhülle. Ohne dient das Innenzelt als wirksames Moskitonetz, das dennoch den Blick auf den Sternenhimmel erlaubt. So ein Netz ist zu empfehlen, denn Nächte im Wald verlieren schnell ihre Romantik, wenn plötzlich diverses Krabbel- und Kriechgetier mitkuschelt.

Wichtig ist auch, sich gut zu betten. Denn ausgeschlafen macht es viel mehr Spaß, sich morgens wieder in den Sattel zu schwingen. Neben der aufblasbaren Isomatte nahm ich den Daunenschlafsack mit. Der lässt sich winzig zusammenstopfen und hat trotzdem eine Komforttemperatur von sechs Grad Celsius.

Für die milde Augustnacht auf knapp 1300 Meter Seehöhe mehr als ausreichend, wie sich zeigen sollte. Die mitgeschleppte Skiunterwäsche, die noch im Juni obligatorisch war bei Waldabenteuern, blieb ungenutzt im Rucksack. Erfahrenen Bike-Packern wäre das nicht passiert. Aber Erfahrung basiert ja auf Versuch und Irrtum – 24h-Overnight ist für mich jedes Mal wieder ein Versuch, und jedes Mal wieder lerne ich dazu.

Nachts im Wald

Wenn die Nacht ihren dunklen Mantel über den Wald legt, beginnt die schaurig-schöne Zeit solcher Touren. Die Vögel verstummen, und Geräusche werden plötzlich viel bewusster wahrgenommen. Die Bäume ächzen geradezu im sanften Wind, und das Gras flüstert förmlich geheime Botschaften. Auf ein Lagerfeuer verzichte ich – obwohl es hier sogar geduldet wäre.

Stattdessen probiere ich die LED-Laterne aus, die von der Firma Black Diamond geliehen wurde (Modell Moji R+, Kostenpunkt 40 Euro). Das kleine Ding überzeugt. Es leuchtet den Zeltplatz aus, wenn es um den Aufbau geht. Die Laterne ist aber auch dimmbar und kann in verschiedenen Farben strahlen. Sogar eine Lagerfeuerfunktion ist dabei, die flackerndes gelbes Licht produziert, ohne den lästigen Rauchgestank.

Feuer war auch deshalb nicht nötig, weil es kein Nachtmahl zuzubereiten gab. Gegessen habe ich in einer nahegelegenen Hütte. So erspart man sich schweren Proviant im Rucksack. Für das Wasser wiederum, das schnell zum schwersten Gepäckstück wird, habe ich mir diesmal eine Faltflasche mit Filter mitgenommen. Sie fasst 650 ml und garantiert, 99,9 Prozent aller Bakterien, Parasiten und des Mikroplastiks aus dem Wasser zu entfernen.

Sprich, damit lässt es sich aus jeder Lacke und jedem Bach trinken oder zuzeln – der Filter der Flasche kann auch als großer Strohhalm verwendet werden. Eine gute Wahl, wie sich herausstellte. Denn ohne Wasserflaschen blieb genug Platz für den kleinen Gaskocher samt Espressokanne und Emaille-Tasse, um nicht auf den Morgenkaffee verzichten zu müssen.

Die Leichtigkeit des Draußenseins

Ja, die Vorbereitung auf ein solches Mini-Abenteuer nimmt anfangs mehr Zeit in Anspruch als die Tour selbst. Aber gute Planung garantiert den Erfolg. Wem es an nichts fehlt, der oder die wird merken, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Nach ein paar Nächten unter Sternen stellt sich bald eine gewisse Routine ein. Und mit jedem Morgen, an dem einen die Sonne oder der Wald wecken, fühlt man sich draußen mehr zu Hause.

Auch das Equipment wird von Mal zu Mal vollständiger. Statt gleich anfangs alle teuren Spielsachen zusammenzukaufen, die in Bike-Packing-Foren als Must-haves gelistet werden, empfiehlt es sich zu improvisieren. Oder man leiht sich Ausrüstung von Gleichgesinnten zum Probieren.

Bei mir steht eine aufblasbare Daunenisomatte ganz oben auf dem Wunschzettel, die ich kürzlich von meiner Freundin ausleihen durfte. Nie habe ich im Zelt besser geschlafen, und diese Matratze lässt sich auf die Größe einer Flasche zusammenrollen. Allerdings kostet sie auch dementsprechend. Bis das Geld gespart ist, muss weiter die altgediente Matte herhalten. Die ersten Nächte habe ich überhaupt auf einer Gymnastikmatte verbracht – Kostenpunkt 15 Euro.

Kurzer Stressmoment

Nachts dann ein kurzer Stressmoment. Der Wetterbericht hielt nicht, was er versprach. Gegen zwei Uhr setzt leichter Regen ein. Schnell raus aus dem Zelt und die Regenhülle überziehen. Mit wenigen Handgriffen sind Bett, Rucksack und Schuhe wieder im Trockenen. Der aufs Zelt prasselnde Regen lässt mich schnell wieder einschlafen. Morgens haben sich die Wolken verzogen, die Sonne weckt mich. Singvögel ersetzen das Radio zum heißen Morgenkaffee. Aufstehen in der Natur ist echtes Aufwachen.

Der Morgentau hat die Wiese in ein glitzerndes Meer aus Kristallen verwandelt. Mit den falschen Schuhen sind die Füße nach zwei Schritten nass. Eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass Kleinigkeiten große Unterschiede machen können. Daher bei der Tourenplanung immer die ganzen 24 Stunden mitbedenken.

Zunder fürs Lagerfeuer

Und mit der Zeit wird man lernen, dass so manches teure Gadget auch durch billige Alternativen ersetzt werden kann, die jeder zu Hause hat. Um Durchnässen der außen am Rucksack befestigten Ausrüstung zu verhindern, einfach einen Müllsack einpacken. Wiegt fast nichts, und wenn es trocken bleibt, praktisch zum Aufsammeln von Müll. Bester und leichtester Zunder fürs Lagerfeuer? Tampons oder Kartoffelchips!

Nachdem alles wieder eingepackt ist und es zurück nach Hause ins Inntal geht, heißt es noch gründlich aufräumen. Denn die Grundregel für Übernachtpartien – auf dem Trail wie auf dem Zeltplatz – lautet: Keine Spuren hinterlassen! (Steffen Arora, RONDO, 18.8.2022)

Nützliches Equipment:

Bach Guam 2: Zwei Kilogramm leicht und 40 x 12 cm klein packbar. Selbst bei Dunkelheit leicht aufzubauen, bietet zwei Personen ausreichend Platz. 750 Euro
www.bach-equipment.com
Foto: Bach Equipment
Mammut Nordic Down Spring: Daunenschlafsack mit sechs Grad Celsius Komforttemperatur, 195 cm groß. Wiegt nur 290 Gramm und ist auf fünf Liter Volumen packbar. 295 Euro
www.mammut.com
Foto: Mammut
Unparallel Dust up: Robuster, aber bequemer Mountainbike-Schuh für Flat Pedals aus synthetischer Mikrofaser, die angenehm trocken hält. 130 Euro
www.unparallelsports.com
Foto: Unparallel
Contec Micro Ratchet: Zwei-Wege-Ratschenwerkzeug mit sechs Aufsteckern für kleine Reparaturen unterwegs. Ist in eine Alu-Hülle verpackt, wiegt nur 150 Gramm. 35 Euro
www.contec-parts.com
Foto: Contec Parts
Lifestraw Trinkflasche: Wasserflasche mit Filter für Bakterien, Parasiten und Mikroplastik. Spart an heißen Tagen viel Gewicht im Rucksack. 650 ml, 45 Euro
www.lifestraw.com
Foto: Lifestraw
Lampe von Black Diamond, Modell Moji R+, 40 Euro
www.blackdiamondequipment.com
Foto: Hersteller