Bezirksstaatsanwältin Willis schließt nicht aus, dass sie auch Trump vorladen wird.

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Der US-Bundesstaat Georgia stand früh im Zentrum von Donald Trumps Kampagne zur Manipulation des Präsidentschaftswahlergebnisses. Kofferweise hätten linke Aktivisten gefälschte Stimmzettel eingeschmuggelt, behauptete sein Anwalt Rudy Giuliani wahrheitswidrig. Trump-Freund Lindsey Graham soll versucht haben, den republikanischen Innenminister Brad Raffensperger unter Druck zu setzen. Schließlich forderte der Präsident persönlich, Raffensperger solle ihm die fehlenden 11.000 Stimmen besorgen.

Nun haben die skandalösen Vorgänge dank der couragierten Bezirksstaatsanwältin in Fulton County bei Atlanta, Fani Willis, ein juristisches Nachspiel, das Trump in die Bredouille bringen könnte. Am Montag ließen die Ermittler Giuliani wissen, dass gegen ihn strafrechtlich ermittelt wird. Am Mittwoch muss er vor einem Sonder-Geschworenengericht in Atlanta erscheinen. Dort muss – nach derzeitigem Stand am 23. August – auch Senator Graham als Zeuge aussagen. Willis schließt nicht aus, dass sie auch Trump vorladen wird.

Die mögliche Anklage seines persönlichen Anwalts wegen Wahlbetrugs und Erpressung eröffnet für Trump in Georgia eine weitere Baustelle in seinen zahlreichen Rechtsstreitigkeiten.

Viele juristische Baustellen

In New York ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fragwürdiger Geschäftspraktiken des Milliardärs, der falsche Angaben über den Wert seiner Hotels und Golfklubs gemacht haben soll. In Florida hat die Bundespolizei FBI gerade sein Anwesen Mar-a-Lago durchsucht und dort streng geheime Regierungsdokumente sichergestellt. Immerhin: Das FBI hat Trump NBC und CBS zufolge seine beschlagnahmten Reisepässe zurückgegeben. Trump hatte der Bundespolizei am Montag vorgeworfen, bei der Razzia seine Reisepässe "gestohlen" zu haben.

In Washington steht indes Justizminister Merrick Garland angesichts der Erkenntnisse des Kapitolsturm-Ausschusses unter Druck, ein Verfahren gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Putschversuchs zu eröffnen.

Die brisanten juristischen Untersuchungen in Georgia betreffen Vorgänge, die auch im Untersuchungsausschuss zur Sprache kamen. Dort haben Innenminister Raffensperger und andere Zeugen die von Trump und Giuliani mit manipulierten Videoaufnahmen unterfütterten Betrugsvorwürfe erneut widerlegt.

Zwei Wahlhelferinnen berichteten, bei einem vermeintlichen USB-Stick mit fingierten Ergebnissen, den sie ausgetauscht haben sollen, habe es sich um ein Ingwer-Minz-Zuckerl gehandelt. Mehrere Zeugen berichteten von massiven Einschüchterungen und Gewaltandrohungen durch den Trump-Mob.

Sonderjury seit Mai

Bezirksstaatsanwältin Fani Willis will den Versuch, das legale Wahlergebnis in Georgia zu kippen, nicht ungesühnt lassen. Seit Mai beschäftigt sich auf ihr Betreiben hin eine Sonderjury mit den Vorwürfen gegen das Trump-Umfeld. Ob der einstige New Yorker Bürgermeister Giuliani, der im Senat von Georgia seine Wahlbetrugslüge vorgetragen und später die Ernennung von 16 illegalen Trump-treuen Wahlleuten befördert hat, vor dem Geschworenengericht aussagen wird, ist unklar. Sein Anwalt machte jedoch klar, dass sich Giuliani nicht zu Gesprächen mit Donald Trump äußern werde.

Gleichwohl könnte die Sache für Trump brenzlig werden, wenn die Staatsanwaltschaft dem 78-Jährigen bei einer Anklage als Gegenleistung für Informationen einen Deal und Straffreiheit anbieten sollte. Auch die Vernehmung seines Golfpartners Lindsey Graham gilt als heikel für den Ex-Präsidenten.

Norman Eisen, der einstige Ethikbeauftragte von Barack Obama, hält eine Ermittlung für wahrscheinlich. "Es ist ausgeschlossen, dass Giuliani das Ziel von Ermittlungen der Bezirksstaatsanwaltschaft ist, ohne dass auch Trump da landet", sagte er der "New York Times". (Karl Doemens aus Washington, 16.8.2022)