Liz Cheney und die Republikanische Partei, es ist die Geschichte einer Achterbahnfahrt. Die Geschichte einer Politikerin mit moralischem Kompass, die sich weigert, einen Zickzackkurs zu fahren, um ihre Karriere zu retten. Und die dafür bestraft wird von einer Parteibasis, die Donald Trump, der seine Wahlniederlage bis heute zur "großen Lüge" verklärt, mehrheitlich noch immer die Treue hält.

In der Nacht auf Mittwoch verlor Cheney die Vorwahl der Republikaner in Wyoming, einem konservativen Bundesstaat, zu dem ihr unbestritten konservatives Profil einst perfekt zu passen schien. Als sie dort 2016 ins Repräsentantenhaus der USA gewählt wurde, im selben Herbst, in dem Trump das Duell gegen Hillary Clinton gewann, schien ihrem steilen Aufstieg nichts im Wege zu stehen. In ihrer Partei war sie bestens vernetzt. Nach langjähriger Arbeit im Außenministerium wusste sie, wie die Machtmechanismen Washingtons funktionieren. Der Name ihres Vaters, des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, sorgte von Beginn an für einen gewissen Promi-Effekt, auch wenn seine weltpolitische Hybris mittlerweile einer neuen amerikanischen Bescheidenheit gewichen war.

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Bruch nach Putschversuch

Schon nach knapp zwei Jahren übernahm die Mutter von fünf Kindern das dritthöchste Amt unter den Abgeordneten ihrer Partei. Eine Hardlinerin, die Trump, um nur ein Beispiel zu nennen, den Rat gab, im Kampf gegen Terroristen zu den "verschärften Verhörmethoden", die Leute, die von Euphemismen nichts halten, schlicht Folter nennen, zurückzukehren. So gut wie nie scherte sie aus: Bei 93 Prozent aller Abstimmungen, haben Statistiker errechnet, stimmte sie im Sinne des Präsidenten. Doch dann unternahm Donald Trump einen Putschversuch, um an der Macht zu bleiben, und Liz Cheney brach mit ihm. Sehr öffentlich, sehr geradlinig.

Impeachment

Sie plädierte dafür, ihn seines Amtes zu entheben – eine von nur zehn republikanischen Stimmen, die für ein Impeachment votierten. Andere fanden scharfe Worte für das, was am 6. Januar 2021 im Kapitol geschehen war, nur um bald darauf beim Aufwiegler des Angriffs zu Kreuze zu kriechen. Etwa Kevin McCarthy, Chef der konservativen Fraktion im Abgeordnetenhaus. Der hatte Trump unter dem Eindruck der Attacke für politisch erledigt erklärt, war dann aber wie zur Buße zu ihm nach Mar-a-Lago gereist, um sich einzuschmeicheln. Von Verrenkungen dieser Art hielt Liz Cheney nichts, was sie bei einer Basis, die in Trump noch immer den Betrogenen sah, in Ungnade fallen ließ.

Die Partei in Wyoming, angeführt von einem Rancher, den die rechtsradikale Miliz der Oath Keepers in ihren Mitgliederlisten führte, beschloss ihren Rauswurf. Und als Cheney dem Ausschuss, der die Hintergründe des Sturms auf das Kapitol aufzuklären versuchte, nicht nur beitrat, sondern bei dessen Anhörungen eine überaus prominente Rolle spielte, war sie in den eigenen Reihen, zumindest in Wyoming, endgültig zur Verräterin gestempelt.

Zeugenaussagen

Bevor die Überraschungszeugin Cassidy Hutchinson, einst Assistentin des Stabschefs im Weißen Haus, schwere Anschuldigungen gegen Trump erhob, hatte sie Kontakt zu Cheney aufgenommen. Ohne diese Verbindung, glauben Eingeweihte, wäre Hutchinson, wären womöglich auch andere nicht bereit gewesen, derart detailliert auszusagen. Und da es sich bei den Zeugen fast durchweg um Republikaner handelte, klang es von Anfang an hohl, wenn die Trumpisten von einer von den Demokraten angezettelten Hexenjagd sprachen.

In Wyoming wurde Stimmung gegen Cheney gemacht.
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Genau das, die Rolle der unbeugsamen Aufklärerin, hat man Cheney in ihrem Heimatstaat übelgenommen. Harriet Hageman, früher ihre enge Mitarbeiterin, die von Trump nach Kräften unterstützt wurde, trat bei den Primaries gegen sie an. Dass Cheney den Kürzeren ziehen würde, darüber dürfte sie sich selbst im Klaren gewesen sein, zu eindeutig lag ihre Kontrahentin in den Umfragen vorn. Dass es sie beirrt oder gar zu einer Art Kniefall bewogen hätte, lässt sich nicht sagen.

Harriet Hageman war eine enge Mitarbeiterin Cheneys und trat bei den Primaries gegen sie an.
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"Giftige Lügen"

Die Arbeit im Untersuchungsausschuss sei das Wichtigste, was sie im Leben getan habe, vertraute sie dem Journalisten Jake Tapper bei CNN an. "Trump weigerte sich, unsere Nation und unsere Verfassung zu verteidigen", zog sie im Juli am Ende der Hearings Bilanz. "Er weigerte sich, etwas zu tun, was jeder amerikanische Präsident zu tun hat." Sie hätte die Vorwahl wahrscheinlich gewinnen können, hätte sie Trumps Verschwörungstheorien übernommen, sagt sie nun, in der Stunde der Niederlage. "Doch unsere Republik beruht auf der Bereitschaft aller Kandidaten, das Ergebnis einer Wahl anzuerkennen. Durch giftige Lügen werden freie Nationen zerstört." (Frank Herrmann, 17.8.2022)