Angehörige der uigurischen und kasachischen Minderheit versammelten sich Ende Juni zu einer Demonstration in der Nähe des Sitzes der Vereinten Nationen.

Foto: EPA/JUSTIN LANE

Madrid – Die Behörden in der Ein-Parteien-Diktatur China sperren laut einem Bericht einer Menschenrechtsorganisation weiterhin routinemäßig politische Gegner in psychiatrischen Kliniken ein. Trotz schon 2010 eingeführter Reformen, wonach Einweisungen in die Psychiatrie nur nach Zustimmung von Ärzten und unter juristischer Kontrolle stattfinden dürfen, dauere die jahrzehntealte Praxis unvermindert an, erklärte die Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders am Dienstag.

Der Bericht basiert auf Gesprächen mit Opfern und deren Angehörigen, die die chinesische NGO Civil Rights and Livelihood Watch im Internet veröffentlicht hatte. Untersucht wurden die Fälle von 99 Chinesen, die zwischen 2015 und 2021 in die Psychiatrie zwangseingewiesen wurden.

Opfer werden vom Rechtssystem ferngehalten

Die Kommunistische Partei Chinas könne Demokratieaktivisten und andere Gegner durch deren Einweisung in die Psychiatrie komplett vom Rechtssystem fernhalten, erklärte Safeguard Defenders. Die Betroffenen hätten keine Chance, jemals mit einem Anwalt zu sprechen oder ein Gerichtsverfahren zu erhalten. Durch die Falschdiagnose einer psychischen Erkrankung seien sie zudem selbst nach ihrer Freilassung gesellschaftlich isoliert.

Die Organisation warf Ärzten und Krankenhäusern vor, mit der Kommunistischen Partei zusammenzuarbeiten, um Opfer ohne medizinische Rechtfertigung zwangseinzuweisen und gegen deren Willen medikamentös zu behandeln. Die meisten der Opfer seien einfache Bürger "von den untersten Stufen der sozialen Leiter", die sich durch das Einreichen einer Petition unbeliebt gemacht hätten.

Viele Betroffene erzählten dem Bericht zufolge von körperlicher und seelischer Misshandlung wie Schlägen, Elektroschocktherapie und Einzelhaft. Das Gesundheitsministerium in Peking reagierte nicht auf eine AFP-Anfrage zu dem Bericht.

Uno-Experte spricht von Zwangsarbeit in Xinjiang

Zugleich prangerte am Mittwoch der unabhängige Uno-Menschenrechtsexperte für Sklaverei an, dass Minderheiten in der chinesischen Xinjiang-Region zu Zwangsarbeit genötigt werden. Tomoya Obokata, vom Uno-Menschenrechtsrat in Genf Beauftragter für Menschenhandel, schreibt in einem neuen Bericht: "Der Sonderberichterstatter hält die Schlussfolgerung für angemessen, dass Zwangsarbeit unter uigurischen, kasachischen und anderen ethnischen Minderheiten in Sektoren wie der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie in der autonomen Uiguren-Region Xinjiang in China vorgekommen ist." Der Japaner Obokata hat sich nach eigenen Angaben sowohl mit Betroffenen ausgetauscht und unabhängige Forschungsberichte gelesen als auch Regierungsdokumente konsultiert.

Das chinesische Außenministerium in Peking wies die Schlussfolgerungen Obokatas postwendend empört zurück. Sprecher Wang Wenbin sagte, Obokata "hat sich entschieden, den Lügen und Desinformationen zu glauben, die die USA, einige westliche Länder und antichinesische Kräfte fabriziert haben". Er missbrauche seine Macht, verunglimpfe China und handle als "politisches Werkzeug" chinafeindlicher Kräfte. "Es hat niemals Zwangsarbeit in Xinjiang gegeben", sagte der Sprecher. China schütze die Rechte der Arbeiter und Angehörigen von Minderheiten. Einige Kräfte benutzten Menschenrechte, um Wohlstand und Stabilität in Xinjiang zu untergraben und die Entwicklung Chinas einzudämmen.

Uiguren in Xinjiang

In der nordwestchinesischen Region Xinjiang sind nach Angaben von Menschenrechtlern hunderttausende Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten in Umerziehungslager gesteckt worden. Chinas Führung beklagt in der Region Separatismus, Extremismus und Terrorismus. Hingegen fühlt sich die dort ansässige muslimische Minderheit der Uiguren politisch, religiös und kulturell unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das ehemalige Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.

Karte mit Siedlungsgebieten der Uiguren.
Foto: APA

Obokata geht auf die von China als "Berufsbildungszentren" bezeichneten Einrichtungen und Arbeitsbeschaffungsprogramme ein, die nach Darstellung Pekings die Armut bekämpfen sollen. Menschen würden aus ihrer Heimat anderswo hingebracht und für geringe Löhne beschäftigt, schrieb er. Die Arbeiterinnen und Arbeiter würden übermäßig überwacht, lebten und arbeiteten unter schlechten Bedingungen und seien Drohungen sowie körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. "In einigen Fällen kann es sich um Versklavung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln, was eine weitere unabhängige Analyse verdient", hieß es.

In Obokatas Bericht geht es allgemein um heutige Formen der Sklaverei, deren Opfer ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören. Der Berichterstatter erwähnt auch zahlreiche andere Staaten, darunter Mali, den Niger, Brasilien und Bangladesch. (APA, 17.8.2022)