Susanne Hanger-Kopp, Dozentin für Klimaschutz und -anpassung an der ETH Zürich, schreibt in ihrem Gastkommentar über die Trockenheit im Seewinkel und was man dagegen tun könnte.

Östlich des Neusiedler Sees durchlebt ein ohnehin trockenes Gebiet aktuell klimabedingte Extremsituationen. Nicht nur die Ökosysteme sind schwer betroffen, auch die Landwirtschaft leidet. Vor allem wegen der tiefen Grundwasserpegel, die die dringend notwendige Bewässerung der wichtigsten Kulturen (Kartoffeln, Mais, Gemüse und Wein) erschweren.

Viele Beobachterinnen und Beobachter haben kein Mitleid mit den Landwirtinnen und Landwirten, sondern kritisieren die Bewässerung, die manchmal selbst während der Mittagshitze läuft. Das macht sich nicht gut, wenn in der Region die Salzlacken austrocknen und der Neusiedler See Rekordtiefstände hat. Doch es wäre falsch, das Problem als Konflikt zwischen dem guten Naturschutz und der bösen Landwirtschaft zu verstehen.

Die Trockenheit sorgt für einen besorgniserregend niedrigen Pegelstand des Neusiedler Sees. Was tun?
Foto: Heribert Corn

In der Tat ist in den meisten Fällen wahrscheinlich nicht die landwirtschaftliche Bewässerung der Hauptgrund für die sinkenden Pegel in den Lacken, sondern die hohe Verdunstungsrate aufgrund der extremen und zunehmenden Hitzeperioden neben einer Häufung niederschlagsarmer Jahre. Übrigens wird langfristig kein signifikanter Rückgang des Niederschlags prognostiziert, dennoch kann es mehrere Jahre in Folge zu trocken sein. Diese Umstände, zusammen mit weniger naheliegenden menschlichen Einflüssen wie der zunehmenden Bodenversiegelung, werden in Zukunft wahrscheinlich auch die Grundwasserneubildung negativ beeinflussen – zum Nachteil sowohl der Ökosysteme als auch der Landwirtschaft.

Salzlacken und Neusiedler See sind Ökosysteme, die periodisch austrocknen können. Wir wissen nicht, ob beziehungsweise wie sie sich unter den sich ändernden klimatischen Bedingungen wieder erholen werden. Was wir jedoch wissen: Trockene Lacken und Seen wirken sich negativ auf die Lebensqualität und den Tourismus in der Region aus. Deshalb ist für viele Akteurinnen und Akteure das Austrocknen(lassen) keine akzeptable Option.

Gleichzeitig ist immer mehr Bewässerung notwendig, um die Erträge der wichtigsten Kulturen in Qualität und Quantität zu halten, während sich die Grundwasserstände immer öfter jenen kritischen Werten nähern, ab denen nicht mehr bewässert werden darf.

Komplexe Lösungen

Was ist nun zu tun? Die naturräumlichen und landwirtschaftlichen Anliegen sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die schwer angeschlagenen Ökosysteme lassen sich nicht allein mit Maßnahmen der Landwirtschaft retten. Genauso wenig, wie landwirtschaftliche Probleme allein durch reduzierten Naturschutz gelöst werden. Wir müssen akzeptieren, dass es keine triviale, auf der Hand liegende Gesamtlösung gibt. Ich sehe zwei Ansätze, die gut funktionieren könnten. Ich stelle die beiden hier getrennt vor, aber bei komplexen Lösungen möchte ich vorausschicken, dass der eine Ansatz nicht unbedingt alle Maßnahmen des anderen Ansatzes ausschließt.

Variante 1: Wir können obengenannte imminente Risiken einzeln identifizieren und managen. Wo Wasser fehlt, versuchen wir es zum Beispiel von anderen Quellen zuzuleiten. Das bietet sich vor allem für die Landwirtschaft an. Das vorhandene Kanalsystem kann dazu sogar mitgenutzt werden. Wir verbessern landwirtschaftliche Versicherungsmöglichkeiten und sorgen für effizientere Bewässerung. Einen aktiven Beitrag verlangt Variante 1 von der Landwirtschaft sowie von der öffentlichen Hand.

Variante 2 (von mir bevorzugt): Wir können die Region zu einer Modellregion für (Klima-)Resilienz entwickeln. Das würde – ausgehend von der Landwirtschaft – bedeuten, nur Kulturen anzubauen, die nicht oder kaum auf Bewässerung angewiesen sind (etwa Hirse, Lavendel, pharmazeutische Kräuter). Oder so anzubauen, dass sie nicht oder nur geringfügig auf Bewässerung angewiesen sind – zum Beispiel nur solche, bei denen Tröpfchenbewässerung möglich ist (zum Beispiel Wein). Fast immer ist dabei eine biologische Bewirtschaftung unumgänglich. Smarte, digitalisierte Anbausysteme könnten hier hilfreich sein.

Gut vernetzt

Uns muss klar sein, dass eine solche Veränderung nicht allein von Landwirtinnen und Landwirten bewältigt werden kann. Denn um innovative Nischenprodukte und Ansätze erfolgreich auf den gesamten Markt hochzuskalieren, braucht es politische Unterstützung, einen deutlich flexibleren Handel und vor allem eine Gesellschaft, die ihre Nachfrage entsprechend anpasst. Im Idealfall braucht es auch in anderen Sektoren, vor allem in der Raumplanung, im Bauwesen und im Transport, ein Umdenken.

Variante 2 verspricht geringere Belastung bei Extremereignissen, gesündere Ökosysteme und schlussendlich eine gesündere und gerechtere Gesellschaft. Die üblichen Hindernisse müssen dazu überwunden werden: kurzfristig unangenehme (aber langfristig wichtige) Entscheidungen, die die Politik nicht treffen will, individuelle Bequemlichkeit in der Bevölkerung, risikoaverse Landwirtinnen und Landwirte wie auch unnachhaltiges Effizienzdenken im Handel.

Warum ich glaube, dass die Region östlich des Neusiedler Sees eine Chance hat, genau das zu schaffen? Die Region ist überschaubar, und die wichtigen Akteurinnen und Akteure sind schon heute gut vernetzt und haben darüber hinaus eine kooperative Gesprächsbasis. Außerdem gibt es bereits einen hervorragenden Grundstock an innovativen Ideen, auf die aufgebaut werden kann. Und vor allem: Es ist noch nicht zu spät. (Susanne Hanger-Kopp, 18.8.2022)