Angesichts der sich derzeit um eine Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl bemühenden Personen wirkt das bei der letzten Wahl oft gehörte Bedenken, Richard Lugners Antreten könnte die Würde des Amtes beschädigen, ähnlich aus der Zeit gefallen wie die Sorge, ein heißer Sommertag könnte den Wasserstand des Neusiedler Sees sinken lassen. Zur Wahl stellen möchten sich diesmal nämlich neben dem Produzenten des 36 Euro pro 100 Gramm kostenden "Liebes-Käses Geiler Bock Deluxe", einem Landwirte-Berater, der Impfstoffe verbieten will, einem Chemtrail-Bekämpfer, der "sich nicht von oben vergiften lassen will", einem von Roland Düringer unterstützten Minigolf-Europameister, der einen "Regierungswechsel garantiert", und einem Uhrmacher, der "Gott an die erste Stelle der Regierung stellen will", auch ein paar echte Freaks wie Gerald Grosz, Michael Brunner oder Walter Rosenkranz.

Der Eingang zum Leopoldinischen Trakt der Hofburg mit der Präsidentschaftskanzlei, dem Amtssitz des Bundespräsidenten.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Und jetzt auch noch Tassilo Wallentin.

Nicht das erste Staatsamt, um das sich der optisch wie eine Mischung aus Johann Gudenus und Richard Kiel, dem Eisenbeißer aus dem James-Bond-Film Moonraker, wirkende Kronen Zeitungs-Kolumnist und Ex-Strache-Anwalt bewirbt. Getrieben vom dringenden Wunsch, Minister zu werden, soll Wallentin bei Sebastian Kurz persönlich mehrfach für sich selber interveniert haben. Im ÖVP/FPÖ-Regierungs-Sideletter wurde er dann sogar als Richter für den Verfassungsgerichtshof ausgepackelt. Ein bizarrer Personalplan, der vom Bundespräsidenten gerade noch verhindert wurde.

Tassilo-Kelch

Inhaltlich bewies Wallentin seither immer wieder, wie froh wir sein dürfen, dass dieser Tassilo-Kelch an uns vorübergegangen ist. So erklärte er in der Krone bunt, dass Österreich im Ukraine-Krieg keinesfalls Partei ergreifen dürfe. Schließlich sei die Vorstellung, dass die Ukraine der Nato beitritt, genauso, als würden "Teile Kaliforniens dem Warschauer Pakt beitreten". Dazu vielleicht eine Klarstellung: Der Warschauer Pakt war eine militärische Beistandsvereinbarung des sogenannten Ostblocks unter der Führung der Sowjetunion, der sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor über 30 Jahren aufgelöst hat und dessen ehemalige Mitglieder Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien und Rumänien längst Mitglied der Nato sind. Die Ukraine ist seit 1991 ein unabhängiger Staat, seit wann genau Kalifornien nicht mehr zur USA gehört, ist nicht bekannt.

Im Weiteren warnt Wallentin die zivile Bevölkerung der Ukraine davor, gegen die russischen Invasoren zu kämpfen, denn: "Die russische Besatzungsmacht ist in solchen Fällen zu kriegsrechtmäßigen Abwehrmaßnahmen berechtigt." Kurz gesagt: Selber schuld, wenn euch die Eindringlinge massakrieren.

Mit diesen Überlegungen fügt er sich nahtlos ins gedankliche Umfeld der anderen Verquerdenker-Kandidaten. Von deren Haltung zum Thema Impfung könnte Wallentin sich auch noch zu einer weiteren Ukraine-Argumentation inspirieren lassen: Der Krieg ist nicht schlimmer als eine Grippe. Bei der in der Ukraine festgestellten Übersterblichkeit ist die Frage, ob die Menschen am Krieg oder mit Krieg sterben. Anstatt sich gegen Putin zu wehren, sollten sie besser auf ihr gesundes Immunsystem vertrauen. (Florian Scheuba, 18.8.2022)