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Ein älterer Mann gustiert vor einer Auslage das Angebot eines Supermarktes. Die Teuerung zwingt besonders Pensionistinnen und Pensionisten dazu, auf den Preis zu schauen. Doch vom Staat ist noch einiges an Entlastung zu erwarten.

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Es waren Töne, die aus der ÖVP schon länger nicht zu vernehmen waren. Die einst gängigen Klagen, wonach die Kosten für die Pensionen in unleistbare Höhen schießen würden, sind mit Sebastian Kurz’ Machtübernahme in der Partei jäh verstummt. Doch nun nahm sich Claudia Plakolm der Wiederbelebung des Generationenkonflikts an: Es sei ungerecht, warnte die Jugendstaatssekretärin, wenn der jüngeren Generationen ein "Schuldenrucksack" umgeschnallt werde, nur um auch bestsituierten Pensionistinnen und Pensionisten üppig Inflation abzugelten.

Plakolm konterte damit dem sozialdemokratischen Pensionistenverband, der von der Regierung fürs kommende Jahr eine Pensionserhöhung von generell zehn Prozent verlangt. Eine maßlose, hunderte Millionen Euro teure Forderung? Oder haben die Seniorinnen und Senioren angesichts der Teuerung, die bereits auf über neun Prozent geklettert ist, jeden Euro bitter nötig?

Weniger Spielraum zum Sparen

Im Ruhestand müssen Menschen mit weniger Geld auskommen als im Berufsleben: Während das jährliche Bruttojahreseinkommen der unselbständigen Erwerbstätigen im Median – die Hälfte rangiert darüber, die Hälfte darunter – 30.257 Euro beträgt, liegen die Pensionistinnen und Pensionisten bei 22.618 Euro, macht auf 14 Monate gerechnet 1.615 Euro. Damit schlägt sich auch die Teuerung härter nieder. Je geringer das Einkommen, desto größer ist der Anteil, der für die Grundbedürfnisse Wohnen, Heizen und Essen draufgeht, erläutert Christine Mayrhuber vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Im Gegensatz zu besser situierten Haushalten, die mehr für Kultur und andere Freizeitvergnügungen ausgeben, gebe es kaum Spielraum zum Sparen.

Die Kosten für Gas, Strom, Öl und Holz kletterten in Dimensionen, die viele Ruheständler finanziell aus der Bahn werfen, sagt Andreas Wohlmuth, Generalsekretär des Pensionistenverbandes, so manche Rechnung habe sich schlagartig verdreifacht. Stemmen müssten die Betroffenen das mit Pensionen, die heuer sozial gestaffelt um gerade einmal 1,8 bis drei Prozent angehoben wurden: "Die Pensionistinnen und Pensionisten finanzieren die Teuerung also schon monatelang vor."

Was Wohlmuth damit meint: An sich muss der Staat die Pensionen jedes Jahr mit der Teuerung anheben. Doch um wie viel genau, ergibt sich laut Gesetz aus der durchschnittlichen Teuerung vom vorjährigen August bis zum Juli des ausklingenden Jahres. Für die kommende Anpassung resultiert daraus – wie die Statistik Austria am Donnerstagfrüh verlautbart hat – ein Plus von 5,8 Prozent. Tatsächlich dürfte die Teuerung 2023 laut Experteneinschätzung aber bereits auf über zehn Prozent steigen. Die Inflationsabgeltung greift also sehr verzögert.

Auch Ältere wurden entlastet

Bleibt es folglich an den Seniorinnen und Senioren hängen, wie sie bis dahin über die Runden kommen? An dieser Stelle ist seriöserweise eine Gegenrechnung anzustellen. Denn die meisten Einmalzahlungen und Entlastungen, mit denen die türkis-grüne Regierung die Teuerung zu lindern versucht, stehen auch der älteren Bevölkerung zu. Das reicht vom erhöhten Klimabonus über die abgesenkte Gas- und Elektrizitätsabgabe bis zu einer gestaffelten Einmalzahlung von bis zu 500 Euro speziell für Pensionsbezieher. Mindestpensionisten – ergo Bezieher der Ausgleichszulage in Höhe von 1.030 Euro – profitieren noch extra vom Teuerungsausgleich für sozial vulnerable Gruppen.

Inklusive der regulären Pensionserhöhung komme letztere Gruppe 2022 somit auf eine Netto-Pensionserhöhung von 162,33 Euro, ergo 14,66 Prozent, rechnet der Seniorenbund, ÖVP-Pendant zum Pensionistenverband, auf der eigenen Homepage vor – die Teuerung wäre damit mehr als abgeglichen. Bei einer Pension von 1.300 Euro brutto betrage das Plus 9,44 Prozent, bei 1.500 Euro 8,45 Prozent, bei 1.700 Euro 7,65 Prozent.

Viel Geld noch nicht angekommen

"Jubelrechnungen", denen die vielen Erfahrungsberichte widersprächen, wie Wohlmuth meint? Die beiden Erzählungen schließen einander nicht per se aus: Schließlich handelt es sich um Durchschnittswerte. Manche werden wegen ungünstiger Lebensumstände – Gasheizung, teurer Mietvertrag – viel schlechter aussteigen, andere aber auch besser.

Zu bedenken ist ebenfalls: Die Einmalzahlungen sind noch lange nicht alle angekommen, viele schlagen sich – sofern der Plan hält – erst im Herbst oder mit den nächsten Abrechnungen für Gas und Strom nieder. Der Zeitfaktor sei für Menschen, die nicht auf Erspartes zurückgreifen können, aber entscheidend, sagt die Expertin Mayrhuber. Schon deshalb empfiehlt sie, bei den kommende Woche startenden Verhandlungen über die Pensionserhöhungen jedenfalls das unterste Einkommensdrittel im Auge zu haben. Die gesetzlich gebotenen 5,8 Prozent allein wären für diese Gruppe jedenfalls zu wenig.

Strompreisbremse soll helfen

Ingrid Korosec fallen naturgemäß ebenfalls Gründe ein, warum die Regierung mehr drauflegen sollte. Auch wer mit einer durchschnittlichen Pension von 1400 Euro auskomme müsse, den könne angesichts der Strom- und Gaspreise der sprichwörtliche Schlag treffen, sagt die Seniorenbund-Chefin. Das gelte umso mehr, als Menschen im Ruhestand am Tag ja nicht einfach die Heizung herunter drehen könnten, weil sie arbeiten gehen.

Markige Forderungen an die von der eigenen Partei geführte Koalition verkneift sich die ÖVP-Politikerin dennoch. "Skurril" nennt sie die von den Sozialdemokraten losgetretene Debatte, denn zu viele Parameter seien noch unklar. Die Bundesregierung müsse die Teuerung den Pensionistinnen und Pensionisten voll abgelten, das sei klar. Doch fairerweise seien dabei auch neue Entlastungsschritte einzurechnen – etwa die geplanten Preisbremsen für Strom und vielleicht auch Gas.

Zeit für eine Bilanz bleibt noch: Damit die Pensionserhöhung pünktlich greift, muss diese bis Ende November beschlossen sein. (Gerald John, 18.8.2022)