Die Kosten des tägliches Lebens haben sich auch im Juli sehr stark erhöht. Besonders der wöchentliche Einkauf wurde sprunghaft teurer.

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Die Inflation ist in Österreich im Juli mit 9,3 Prozent auf den höchsten Stand seit Februar 1975 geklettert. Die stärksten Preistreiber waren vor allem Haushaltsenergie und die Gastronomie, gab die Statistik Austria bekannt, während die Treibstoffkosten auf sehr hohem Niveau stagnierten. Auch im Bereich der Nahrungsmittel haben die Verbraucherpreise merklich zugelegt, was sich auch bei der Teuerung des wöchentlichen Einkaufs deutlich niederschlägt. "Der Preisanstieg des Miniwarenkorbs, in dem neben Nahrungsmitteln und Dienstleistungen auch Treibstoffe enthalten sind, war im Juli mit 19,1 Prozent mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Inflation", erklärt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas.

Damit ist der Anstieg der Verbraucherpreise im Juli etwas stärker ausgefallen, als es die erste Schnellschätzung Statistik Austria mit 9,2 Prozent von Ende Juli nahelegte. Verglichen mit Juni betrug die Teuerung binnen eines Monats 0,9 Prozent. Gemäß der EU-Berechnungsmethode HVPI lag der Preisanstieg bei 9,4 Prozent. Die Verbraucherpreise in der gesamten Eurozone kletterten im Juli binnen Jahresfrist um 8,9 Prozent, teilte das Statistikamt Eurostat am Donnerstag mit und bestätigte damit eine erste Schätzung.

Höhepunkt nicht erreicht

Die schlechte Nachricht vorweg: Damit dürfte die Inflation in Österreich ihren Höhepunkt noch gar nicht erreicht haben: Wifo-Ökonom Josef Baumgartner rechnet damit, dass nach einer leichten Zunahme im August die Teuerung sogar zweistellig ausfallen könnte. "Im Herbst erwarte ich noch einen Schub", sagt er mit Blick auf die angekündigten Preiserhöhungen für Gas und Fernwärme in Ostösterreich, wo etwa 40 Prozent der österreichischen Haushalte beheimatet sind. "Dann kann es sein, dass die Inflation die Zehnprozentmarke übersteigt."

Zum Vergleich: In den 1970er-Jahren, als der erste Ölpreisschock nach dem Jom-Kippur-Krieg für eine anhaltende Phase sehr hoher Teuerung geführt hatte, hatte die Inflation im Juni 1974 ihren Höhepunkt bei 10,2 Prozent erreicht.

Inflationsdruck bis Frühjahr.

Wie weit der Preisauftrieb diesmal noch steigen wird, ist Wifo-Experte Baumgartner zufolge "noch zu viel Stochern im Nebel". Einerseits hänge es davon ab, wie stark der Konjunkturrückgang ausfallen werde – der sich preisdämpfend auf wichtige Rohstoffe wie Erdöl und damit auch Treibstoffe auswirke. Auf der anderen Seite sei noch offen, wie Maßnahmen wie ein Strompreisdeckel aufgesetzt werden und ob sie aufgrund der Ausgestaltung überhaupt in die Inflationsberechnung einfließen werden.

Baumgartner erwartet jedoch bis ins Frühjahr eine Phase sehr hohen Inflationsdrucks. Denn die Preise für Strom und Gas hätten den Höhepunkt noch nicht erreicht, darauf deuteten die Entwicklungen an den Terminmärkten, also die Kosten für Lieferungen in der Zukunft, hin. Deutliche nachlassende Inflationsraten erwartet der Wifo-Ökonom erst im zweiten Halbjahr 2013.

Alltag kaum mehr leistbar

Mit einem Anstieg um 19 Prozent ist besonders der Wocheneinkauf sprunghaft teurer geworden. Der zugrundeliegende Miniwarenkorb misst die Preisentwicklung von häufig gekauften Gütern und Dienstleistungen. Das Inflationsempfinden der Bevölkerung gibt dieser Warenkorb besser wieder als durch den allgemeinen Verbraucherpreisindex. Einerseits prägt sich die regelmäßige Erfahrung des wöchentlichen Einkaufs stärker ein als seltenere Konsumereignisse. Zudem können Verbraucher auf die Artikel des Miniwarenkorbs kaum verzichten, während dies etwa im Bereich Freizeit durchaus möglich ist. Wenn der Wocheneinkauf teurer wird, schmerzt dies einkommensschwache Haushalte besonders stark.

Das Preisniveau des Mikrowarenkorbs, der überwiegend Nahrungsmittel, aber auch Tageszeitungen oder den Kaffee im Kaffeehaus enthält und den täglichen Einkauf widerspiegelt, stieg im Jahresabstand um 10,4 Prozent.

Ansturm auf Schuldnerberatungen

Die starken Preisanstiege bringen viele Menschen bereits in arge finanzielle Bedrängnis, da dem zumeist keine entsprechenden Einkommenszuwächse gegenüberstehen. Die ASB-Schuldnerberatung, Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen in Österreich, berichtet von einem Anstieg der Erstkontakte im ersten Halbjahr von mehr als zehn Prozent. Geschäftsführer Clemens Mitterlehner erwartet, dass künftig noch mehr Schuldner in Nöte geraten.

"Dann werden die Auswirkungen der Teuerungen mit voller Wucht sichtbar werden. Es ist daher dringend notwendig, Förderungen weniger breit zu streuen, sondern gezielt an jene Menschen auszuzahlen, die darauf angewiesen sind", sagt Mitterlehner. Er gibt zu bedenken, dass Menschen mit geringem Einkommen zusätzliche Förderungen notwendigerweise sofort für dringende Dinge des täglichen Lebens ausgeben und so auch die Wirtschaft stärken würden.

Gewerkschaft bringt sich in Stellung

Unterdessen bringt sich auch schon die Gewerkschaft für die Herbstlohnrunde in Stellung, die am 19. September mit der Forderungsübergabe der Gewerkschaften an die Arbeitgeber der Metalltechnischen Industrie startet. Chefverhandler Rainer Wimmer (Pro-Ge) betonte am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal", dass die Verhandlungsbasis eine "rollierende Inflation" von sechs bis sieben Prozent sei: "Wir werden ganz sicher nicht unter dieser Inflationsrate abschließen, im Gegenteil, wir werden einen Reallohnzuwachs verhandeln."

Die gesetzlich vorgesehene Pensionserhöhung wird angesichts der Teuerung zwar kräftig ausfallen, aber deutlich unter der aktuellen Inflation liegen. Aus den durchschnittlichen Inflationswerten von August 2021 bis Juli 2022 ergibt sich laut Statistik Austria ein Anpassungsfaktor von voraussichtlich 5,8 Prozent. Die Politik kann jedoch auch eine stärkere Erhöhung beschließen, was Pensionistenvertreter auch schon gefordert haben. Wirksam wird die Pensionsanpassung erst Anfang 2023.

Die Kosten für Wohnung, Wasser und Energie sind im Jahresabstand um 12,5 Prozent gestiegen, wobei die Preise für Haushaltsenergie um 34 Prozent, also mehr als ein Drittel, nach oben geschnellt sind. Diese wurde im Vergleich zum Vormonat Juni um sieben Prozent teurer. In Restaurants und Hotels war durchschnittlich um 9,3 Prozent mehr hinzublättern als vor Jahresfrist. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke verteuerten sich durchschnittlich um 12,2 Prozent.

Bekleidung deutlich günstiger

Ohne Ausgaben für Treibstoffe, Energie, Nahrungsmittel und die Gastronomie wäre die Inflation im Juli lediglich bei 3,7 Prozent gelegen. Gedämpft wurde der starke Preisauftrieb durch den Sommerschlussverkauf bei Bekleidungsartikeln. Diese waren im Durchschnitt um fast zwölf Prozent billiger als noch vor einem Monat. (Alexander Hahn, 18.8.2022)