Generalmajor Rudolf Striedinger soll Generalstabschef werden.

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Die Entscheidung von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) wurde am Mittwoch publik gemacht: Generalmajor Rudolf Striedinger, einer ihrer "besten Offiziere", wird neuer Generalstabschef. Striedinger, 60 Jahre alt, kann auf eine erfolgreiche Karriere im Heer zurückblicken. Er war Militärkommandant von Niederösterreich und in weiterer Folge ab 2016 Leiter des Abwehramts, des Inlandsnachrichtendiensts des Bundesheers. Zuletzt war er auch stellvertretender Generalstabschef.

Als Abwehramtschef sollte er die Unterwanderung des Heeres durch Rechtsextreme verhindern. Ungewöhnlich ist daher eine Bekanntschaft von Striedinger mit einem Mann, der ein österreichischer Kontaktmann der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) war, einer der militantesten deutschen Neonazigruppen der Nachkriegsgeschichte. Der heute 75-jährige L. war Ende der 1970er-Jahre Mitglied des "Freundeskreises zur Förderung der Wehrsportgruppe Hoffmann". Viel hat L. nicht dazu zu sagen. Er sei damals ein "junger Bursch" gewesen, sagt er dem STANDARD, und er habe "alles vergessen".

Hochzeit und Geburtstagsfeier

Der neue Generalstabschef Striedinger ist nicht der einzige Bundesheeroffizier, der über Kontakte zu L. verfügt. Bei dessen Hochzeit 2019 waren Striedinger und weitere hochrangige Offiziere anwesend, Fotos in einer Bezirkszeitung zeigen, wie sie in Uniform ein sogenanntes Säbelspalier bildeten, durch das Braut und Bräutigam gingen. In einem Artikel auf der Homepage des Kameradschaftsbunds wird Striedinger als "Freund" von L. bezeichnet. Als L. zwei Jahre zuvor seinen 70. Geburtstag feierte, war Striedinger ebenfalls mit dabei. Fotos zeigen ihn in Lederhose.

Seitens des Bundesheers sagt ein Sprecher dazu, dass sich Striedinger und L. auf "dienstlicher Basis", als er Militärkommandant in Niederösterreich war, kennengelernt haben. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.

Bemerkenswerter Umgang

Die Beziehung zwischen L. und Striedinger ist sehr ungewöhnlich. Der Chef eines Nachrichtendiensts feierte mit einem Mann, der einst im Umfeld einer terroristischen Neonazigruppe aktiv war – das dürfte in Europa wohl einzigartig sein.

Der "Freundeskreis zur Förderung der Wehrsportgruppe Hoffmann", zu dem L. zählte, war für die Finanzierung der Gruppe zuständig, der zeitweise mehr als 400 Personen angehörten. Die WSG bildete Neonazis an Waffen aus, trainierte in Wäldern, nur nach einer Probezeit konnte ein Interessent Mitglied werden. Die WSG war auch ein Vorbild für einige jener Neonazis, die in österreichischen Wäldern und Weinbergen in den 1980er- und 1990er-Jahren Wehrsportübungen abhielten.

Zu den Zielen der WSG gehört laut ihrem "Manifest" ein Umsturz des politischen Systems, das durch eine "nach dem Leistungs- und Selektionsprinzip ausgerichtete Führerstruktur" ersetzt werden soll. Sie war Keimzelle für Rechtsterror.

Karl-Heinz Hoffmann (rechts), der Gründer der Wehrsportgruppe, ist noch immer in rechten Kreisen aktiv.
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Hoffmann im Jahr 2016 in Deutschland vor Gericht.
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Mitglieder mordeten und legten Bomben

Auf das Konto von Mitgliedern der im Jahr 1980 von den deutschen Behörden verbotenen Wehrsportgruppe gehen Terroranschläge wie das Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest 1980, bei dem 13 Personen getötet und 221 verletzt wurden. Bei dem Anschlag kamen auch zwei Kinder aus einer Familie ums Leben, sie waren sechs und sieben Jahre alt. Der Anschlag ist der bisher schwerste Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bis heute bestehen massive Zweifel daran, dass der Attentäter tatsächlich allein gehandelt hat.

Der Anschlag auf das Oktoberfest ist der bisher schwerste Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
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Wenige Wochen nach dem Oktoberfestattentat ermordete der WSG-Vizechef den Rabbiner Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke. Am 24. Dezember 1980 erschoss ein weiteres Mitglied der Wehrsportgruppe zwei Schweizer Grenzbeamte und dann sich selbst. Danach setzte sich Hoffmann mit weiteren Getreuen in den Libanon ab, wo sie im Dienst militanter Palästinenser standen. Während des Aufenthalts im Libanon kam der Mörder von Lewin und Poeschke ums Leben. Die Umstände sind ebenfalls bis heute nicht restlos geklärt. Fest steht, dass es zuvor Spannungen mit anderen Neonazis gab und er von diesen gefoltert wurde.

Bombenterror in Österreich

Als 1982 Neonazis Österreich mit einer antisemitischen Bombenwelle gegen jüdische Einrichtungen und Personen, darunter Simon Wiesenthal, überzogen, war ein Mann unter den später dafür verurteilten Tätern, der Kontakte zur Wehrsportgruppe Hoffmann hatte.

Bayerischer Rundfunk

Laxer Umgang mit Rechtsextremen

In den vergangenen Jahren fiel das Bundesheer mit einem eher laxen Umgang mit Rechtsextremen auf. So finden sich Anhänger der Grauen Wölfe beim Heer, ebenso wie Identitäre – eine Gruppierung, die vom Verfassungsschutz überwacht wird. Das Bundesheer hatte 2019 seinen Umgang mit Mitgliedern und Unterstützern der rechtsextremen Identitären Bewegung gelockert. Eine interne Anweisung des Abwehramts besagte, dass Soldaten mit einer Mitgliedschaft bei den Identitären künftig nicht mehr automatisch mit einem Sperrvermerk oder der Entorderung zu versehen sind.

Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten ein Oberst, der nicht nur Verschwörungserzählungen über einen angeblichen "Bevölkerungsaustausch" verbreitet, sondern auch bei Corona-Demonstrationen auftritt. In diesem Umfeld ist auch ein Brigadier aktiv, der aktuell gegen die Sanktionen gegen Russland auftritt und zu einer Demonstration im September in Wien aufruft. (Markus Sulzbacher, 18.8.2022)