Straches Aussagen im Ibiza-Video sorgten für sein politisches Ende. Seine Erlebnisse verarbeitete er später in einem Buch.

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Der Satz "Novomatic zahlt alle" hat die Republik verändert. Diese Aussage des späteren Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) sollte, als sie im Mai 2019 via Ibiza-Video publik wurde, für das Ende seiner politischen Karriere, Neuwahlen und jede Menge Strafverfahren sorgen. Novomatic bestritt Straches Behauptung, er selbst nahm sie später zurück. Was bislang nicht bekannt war: Ganz so falsch dürfte dieser Satz nicht gewesen sein, wenngleich er möglicherweise in einem anderen Kontext zu lesen ist. So soll es nämlich im Glücksspielkonzern die Überlegung gegeben haben, allen im Parlament vertretenen Parteien eine gleich hohe Spende anzubieten.

Zu diesem Ansinnen soll es sogar schon den Entwurf eines Schreibens gegeben haben, das freilich nie abgeschickt worden sein soll. Darüber jedenfalls unterhielten sich im Mai 2020 der damalige FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein und der Anwalt und ehemalige Abgeordnete Markus Tschank (FPÖ), der das FPÖ-nahe Institut für Sicherheitspolitik (ISP) leitete, mit dem Novomatic und Verteidigungsministerium kooperierten. Beim Gespräch dabei war auch ISP-Kassier Markus Braun, Investmentbanker (und nicht der gleichnamige Ex-CEO von Wirecard, Anm.). Die Unterhaltung war von Jenewein heimlich aufgezeichnet worden, Ermittler haben sie inzwischen transkribiert.

"Ein Schreiben an alle Parteien"

Glaubt man den damaligen Gesprächspartnern, suchte Novomatic die Nähe zu allen Parlamentsparteien. Im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 hat der Glücksspielkonzern laut Tschank, der sich auf Ermittlungsergebnisse bezieht, "ein Schreiben an alle Parteien aufgesetzt (...) und eine Parteispende angeboten". Diese sollte für alle gleich "so zwischen 300.000 und bis 500.000 Euro pro Partei" betragen.

Auf Nachfrage von Jenewein erklärte Tschank, Novomatic habe den Brief nie abgeschickt. Ein Entwurf sei aber im Rahmen einer Hausdurchsuchung sichergestellt worden. "Also das heißt, das, was der Strache im Video gesagt hat: 'Novomatic zahlt alle' – das stimmt, ja?", fragte sich Tschank laut. Eine Parteispende der Novomatic im Jahr 2017 oder danach wurde von der WKStA freilich nicht gefunden.

Munition für Gerichtsverfahren

Genau darum sei es auch bei einer Chatunterhaltung gegangen, die in einigen Ermittlungssträngen der WKStA eine große Rolle spielt: So wies ein damaliger Novomatic-Pressesprecher den Konzernchef Harald Neumann im Juni 2017 darauf hin, dass KTM-Eigentümer Stefan Pierer alle Kleinspenden an die ÖVP verdoppeln wolle. "Wir haben noch etwas Besseres vor :))", antwortete Neumann. Was er genau damit meinte, hat sich aus den U-Ausschüssen bislang nicht erhellt.

Mit diesem Satz soll er eben die geplante Gießkannen-Parteispende angedeutet haben, heißt es aus Neumanns Umfeld. Und warum haben Novomatic und ihr Ex-Chef das nicht rasch nach Erscheinen des Ibiza-Videos aufgeklärt? So etwas hebe man sich für ein etwaiges Gerichtsverfahren auf, heißt es in Juristenkreisen.

Das Tonbandgespräch zwischen Tschank und Jenewein will Novomatic auf Anfrage nicht kommentieren, der Konzern wiederholt nur, dass es "keinerlei Spende – weder direkt noch indirekt – an politische Parteien gab". Kooperationen mit parteinahen Instituten gab es allerdings schon, zum Beispiel mit dem erwähnten Institut für Sicherheitspolitik. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet ja, dass Novomatic, die für die Zusammenarbeit 200.000 Euro an das ISP überwies, Gesetze kaufen wollte. Novomatic bestreitet das, und es gilt die Unschuldsvermutung.

"Schwiegermutter hingesetzt"

Bezüglich der Aktivitäten des ISP betonte Tschank im Gespräch, das der Vorbereitung von Tschanks und Brauns Befragungen im U-Ausschuss gedient hat, immer wieder, dass es viele Leistungen erbracht habe, es gebe auch ein entsprechendes Leistungsverzeichnis. Dass die Behörden hinter der 200.000-Euro-Kooperation mit Novomatic einen Gesetzeskauf vermuten, fanden die drei eher lachhaft.

Eine etwaige vom Glücksspielkonzern angestrebte Onlinelizenz wäre viel wertvoller: "Da fehlen meiner Meinung nach zwei Nullen", kommentierte es Jenewein. Auf Anfrage des STANDARD betont Tschank zudem, dass er nie mit Glücksspielagenden zu tun gehabt habe. Wobei: Parteichef Strache wusste laut Gesprächsprotokoll gar nicht von den 200.000 Euro, weil er sonst, wie Tschank meinte, "seine Schwiegermutter bei mir in das Institut hineingesetzt" hätte. Tschank habe aber "Wissenschaftler gebraucht, damit ich die Leistungen gut abbilden kann".

Verdacht der Freunderlwirtschaft

Eine politische Angriffsfläche erkannten die drei in ihrem persönlichen und wirtschaftlichen Naheverhältnis. So war Ex-Casinos-Manager Peter Sidlo an der Beratungsagentur Polimedia beteiligt, genau wie Tschank, der erwähnte Ex-Novomatic-Sprecher und auch Braun. "Das weiß aber keiner. Ich scheine nirgendwo auf", merkte Letzterer dazu an. "Der Tschank will für seinen Freund 200.000, der Sidlo wird Vorstand, und die Novomatic kriegt das Gesetz", fasste Jenewein die mögliche Stoßrichtung anderer Fraktionen im U-Ausschuss zusammen – wobei es ein Gesetz dann ja nie geben sollte.

Die Tonaufnahme wurde auf Jeneweins Smartphone gefunden, der langjährige FPÖ-Politiker unter anderem deshalb aus der Partei gedrängt. Nach einem Suizidversuch ist er auf dem Weg der Besserung. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 18.8.2022)