Protestfreier Erfolg mit Schostakowitsch und Henry Purcell: Dirigent Teodor Currentzis.

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Vor dem Großen Festspielhaus keine Proteste, im Festspielhaus Teodor Curentzis und sein Ensemble MusicAeterna mit der Umsetzung unfreundlicher Worte: "Arsch von der Stute, Schnauze vom Schwein. Alle Arzenei soll nur schüren Pest und Aussatz in deinem Gebein ..." Ungeniert schimpfen die Zaporoger Kosaken auf den Sultan von Konstantinopel. Sie tun es im Gedicht von Guillaume Apollinaire, das in der aberwitzigen Vertonung vom Schostakowitsch wohl gegen alle Despoten dieser Welt gerichtet ist.

Das Zitat ist aus der Symphonie Nr. 14 g-Moll für Sopran, Bass und Kammerorchester op. 135. Die insgesamt elf Stücke auf Texte von Lorca, Apollinaire, Küchelbecker und Rilke handeln aber auch vom Tod. Vom Tod des Dichters etwa, des Selbstmörders oder des unschuldig im Kerker der Santé schmachtenden Gefangenen – aber auch vom Tod der "Hexe" Lorelei.

Herrlich polternd

Sopranistin Nadezhda Pavlova und der Bariton Matthias Goerne erfüllten die Figuren mit brillanter Gesangskunst und erschütternder Gestaltungskraft. Goerne, der den Kosaken-Schimpf gar herrlich poltern ließ, betörte etwa im sehnsüchtigen Künstlerporträt An Dewlig mit stupendem Pianissimo. Chapeau für die drei Cellisten von MusicAeterna in dieser stillen Apotheose. Auch die Pianissimi Pavlovas erfüllten, erschütterten das Festspielhaus, konzentrierten es quasi zum Kammermusiksaal – ob nun in der Verzweiflung der Lorelei oder am Totenbett des Dichters.

Es war eine Meisterleistung, die Kate Lindsay als Henry Purcells Dido im zweiten Teil des Konzerts ebenso überragend gelingen sollte. Als solche "starb" sie in der Rolle von Karthagos Königin nach kurzem Liebesglück mit Aeneas den Liebestod. Es war eine zunächst seltsam anmutende Programm-Paarung von Currentzis, die durch das Thema "Tod" letztlich aber einen tiefen Eindruck von dramaturgischer Geschlossenheit hinterließ.

Zwei Welten

Auch musikalisch: Es war ja wirklich nur ein Orchester, das an diesem Abend solch stilistische Sprünge bewältigte, kundig durch zwei ganz unterschiedliche Klangwelten führte. Mit Purcells Masque Dido and Aeneas haben Teodor Currentzis und MusicAeterna einen geradezu verblüffend überzeugenden klanglichen Kostümwechsel hingelegt. Das bot eine singuläre Vergleichsmöglichkeit – 1969 und 1689 – und wurde zu einer Demonstration des Besten zweier musikalischer Zeitalter.

Neben Kate Lindsey als Dido brillierten Konstantin Krimmel als Aeneas und Nuria Rial als Belinda. Souverän Andrey Nemzer als Sorceress, Eleni Lydia Stamellou als Woman, Elene Gvritishvili als First Witch und Anastasia Erofeeva als Second Witch. Die kleineren Partien der Miniatur stellte der grandiose Music Aeterna Choir. Applaus. (Heidemarie Klabacher, 18.8.2022)