Im April unterzeichnete die britische Innenministerin Priti Patel gemeinsam mit Außenminister Vincent Biruta den Deal in der ruandischen Hauptstadt Kigali.

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London – Im Gerichtsverfahren um den Plan Großbritanniens, Asylwerber nach Ruanda zu schicken, müssen nun doch große Teile zweier interner Gutachten veröffentlicht werden. Die britische Außenministerin – und möglicherweise künftige Premierministerin – Liz Truss hatte noch versucht, mehrere Passagen der Lageberichte zum ostafrikanischen Staat durch ein Ansuchen beim Höchstgericht geheimzuhalten. Doch ein Richter urteilte, dass bei sechs der zehn betroffenen Passagen das öffentliche Interesse überwiege.

Bereits im Juni hätte der erste Flug mit auf die Britischen Inseln Geflüchteten nach Ruanda abheben sollen. Doch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhinderte in quasi letzter Minute den Abflug. Darin wurde das Höchstgericht in London aufgerufen, die Rechtmäßigkeit der Pläne Großbritanniens zu prüfen. Am 5. September findet die entsprechende Verhandlung statt.

Finanzspritze für Ruanda

Der Plan Londons ist, jene Asylsuchende nach Ruanda zu bringen, die über "illegale, gefährliche oder unnötige" Routen nach Großbritannien gelangt sind – etwa mit kleinen Booten über den Ärmelkanal. Dann sollen sie die Möglichkeit haben, in dem afrikanischen Land um Asyl anzusuchen.

Ruanda erhielt im Vorfeld bereits 120 Millionen Pfund (umgerechnet 142 Millionen Euro), die mit steigenden Fallzahlen aufgestockt werden sollen. Offiziell sollen damit die gefährlichen Routen nach Großbritannien unattraktiver und in weiterer Folge Leben gerettet werden, heißt es in London. Ruanda garantiert im Gegenzug – bei einem positiven Asylbescheid – vollständigen Schutz der Betroffenen sowie Zugang zum Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen.

Heftige Kritik

Was nach einer Win-win-Situation für alle Beteiligten klingt, wird von Menschenrechtsorganisationen und auch Fachleuten des Außenministeriums in London heftig kritisiert: Bereits Wochen vor dem ersten geplanten Flug nach Ruanda erhielt das Ministerium in internen Berichten – eben jenen, die nun offengelegt werden – Informationen über die Menschenrechtslage in dem Land. Darin ist die Rede von Folter als staatlich eingesetzte Methode gegen politische Oppositionelle und außergerichtlichen Tötungen. Selbst der britische Hochkommissar in Ruanda warnte London, dass Flüchtlinge in dem Land rekrutiert würden, um bewaffnete Einsätze in Nachbarstaaten durchzuführen.

1000 Asylsuchende sollten ursprünglich unter dem Ruanda-Deal ausgeflogen werden, doch die ruandische Regierung sagte im Juli, dass sie nicht mehr als 200 Geflüchtete beherbergen könne. Eine Sprecherin der Regierung erklärte aber auch, dass man "sehr rasch ausbauen" könne. (Bianca Blei, 19.8.2022)