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Wien – Ein Kaisersemmerl kostet beim Bäcker gut 45 Cent. Verlangt er dafür 70 bis 80 Cent, vertreibt er die Kunden aus seinem Geschäft, sagt Michael Bruckner, Obmann der Backbranche. Nur ein kleiner, elitärer Teil der Bevölkerung lege dafür beim Luxusbäcker ungerührt erheblich mehr als einen Euro hin.

Bruckner sieht Betrieben seines Gewerbes finanziell reihenweise die Kraft ausgehen. Die Kosten für Rohstoffe wie Öle, Butter, Mehl, Saaten explodierten. Im Herbst stehe eine fette Lohnerhöhung bevor, die den Arbeitnehmern zustehe, denn auch sie müssten sich ihr Leben leisten können. Zusätzlich in die Bredouille bringe Bäckereien teure Energie.

Bruckner erzählt von kleineren Anbietern, die allein für Strom jährlich um 150.000 Euro mehr zahlten. "Wie soll man das je verdienen?" Vor der Corona-Pandemie machte Energie drei bis vier Prozent ihrer Gesamtkosten aus. Mittlerweile habe sich dieser Anteil verdoppelt. Viele in der Branche bauten Verluste. Die Eigenkapitalquoten seien erschreckend gering.

Energie frisst Marge

Von im Schnitt gut eineinhalb auf fünf Prozent gestiegen sei der Anteil der Kosten, die der Einzelhandel für Energie aufwende, rechnet Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, vor. "Sie fressen jede Marge. Das trifft ohnehin schon geschwächte Betriebe wie ein zweites Virus." Wie Bruckner ein großflächiges Sterben der Bäcker befürchtet, warnt auch Mayer-Heinisch vor sich leerenden Geschäftsstraßen und einem Staat, der tatenlos zusehe.

Konkrete Hilfe erwarten sich Gewerbe und Handel bei den Stromkosten. Vertreter beider Branchen drängen darauf, ein Modell, das Wifo-Chef Gabriel Felbermayr für private Haushalte vorschlägt, auch Betrieben zugutekommen zu lassen.

Wifo-Modell

Das Wifo rät zu einem subventionierten Energiekontingent zum Fixpreis. Für Strom, der darüber hinaus verbraucht wird, ist der Marktpreis zu bezahlen. Wer weniger als der Durchschnitt verbraucht, erhält einen höheren Anteil seines Verbrauchs ersetzt. Damit soll bisheriges Energiesparen belohnt werden. Für den Staat sei diese Förderung leistbar, leicht administrierbar und verteilungsgerecht, sind Wifo-Ökonomen überzeugt. Nichts halten sie davon, die Hilfe auf Unternehmen – seien es große oder kleine – auszudehnen.

Denn diese könnten ihre gestiegenen Kosten – anders als Private – zumindest zum Teil an Kunden weitergeben, argumentieren die Experten. Zudem seien sie eher in der Lage, teure Energieträger zu substituieren. Zur Unterstützung von Betrieben plädiert das Wifo vielmehr dafür, Verluste durch gestiegene Energiekosten mit vergangenen Gewinnen gegenzurechnen.

"Überleben sichern"

Viele Händler und Gewerbetreibende fühlen sich im Stich gelassen. Zumal sie sich außerstande sehen, Konsumenten die Mehrkosten aufzubürden. Mayer-Heinisch regt daher eine zeitliche Befristung des partiellen Preisdeckels für Strom von einem Jahr an. "Das Wifo-Modell ist ein Anreiz für Betriebe, Energie zu sparen. Zugleich bietet es die Chance, die nächsten Monate zu bewältigen und Alternativen zu finden."

"Damit ließe sich das Überleben vieler Bäcker sichern", glaubt auch Bruckner. Johann Költringer, Chef der Vereinigung der Milchverarbeiter, schlägt in dieselbe Kerbe: Wie konkrete Hilfe letztlich auch gestaltet werde – energieintensive Branchen gehörten unterstützt.

Wiewohl es seiner Ansicht nach in der Energiewirtschaft selbst Taten brauche. Denn derzeit werde der Strompreis von Konzernen mit den höchsten Kosten gemacht. "Das ist die Krux am System. Was wäre etwa, wenn auch der Preis für Milch von den Bauern mit den höchsten Produktionskosten gemacht wird?"

Spielraum, den Bedarf an Energie zu drosseln, orten die Branchenvertreter nur bedingt. Milch gehöre nun einmal auf mehr als 70 Grad erhitzt. Teige guter Qualität brauchten viel Zeit zum Gehen, wodurch der Energiebedarf fürs Kühlen fast höher sei als fürs Backen. Und kein Kunde tue sich überhitzte, nicht klimatisierte Geschäfte an. (Verena Kainrath, 19.8.2022)