In Krajnik Dolny kommt ein Bagger zum Einsatz.

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Fischentsorgung in Stettin.

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Auch das polnische Militär hilft mit.

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Soldaten und Feuerwehr in Słubice.

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Warnschild im deutschen Lebus.

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Die ersten Berichte über tote Fische in der Oder gab es Mitte Juli, doch erst am 11. August reagierten die polnischen Behörden. Die von der nationalkonservativen PiS geführte Regierung muss sich deshalb heftiger Kritik stellen.

Mitte Juli: In der Nähe von Oława (Flusskilometer 216) holen polnische Fischer tote Fische aus der Oder. Sie informieren Bürgermeister Tomasz Frischmann, bestätigt dieser der Süddeutschen Zeitung (Paywall).

30. Juli: Am Samstag werden tote Fische in der Oder im Stadtgebiet von Oława entdeckt. Frischmann veranlasst eine Inspektion, am Sonntag beginnt man, die Kadaver einzusammeln. Bis Montag werden acht Tonnen tote Fische geborgen.

Die freiwilligen Helfer bringen Proben in ein staatliches Labor. Dieses kann die toten Fische nicht analysieren, weil "die nötigen Reagenzien" fehlen, wird ihnen erklärt, die eingereichten Proben werden verbrannt, berichtet die Gazeta Wyborcza.

1. August: Bürgermeister Frischmann informiert 18 Behörden, die Liste, die er auf die Webseite der Gemeinde stellt, reicht vom Fischereiverband bis zum Umweltministerium. Er erhält keine Antwort.

7. August: Die Messstation Frankfurt an der Oder (Flusskilometer 584) zeigt einen abrupten Anstieg des Sauerstoffgehalts, des pH-Werts und der Trübung, die Menge von Nitrat-Stickstoff fällt deutlich ab.

10. August: Ein Oderschiffer meldet den Behörden des deutschen Bundeslands Brandenburg, zahlreiche tote Fische gefunden zu haben. Przemysław Daca, der Chef der Behörde Polskie Wody (Polnische Gewässer), erklärt, man könne nicht "von einer totalen Katastrophe in der Oder sprechen".

11. August: Przemysław Daca hat über Nacht seine Einschätzung der Lage geändert und erklärt nun, man habe es mit "einer gigantischen und empörenden ökologischen Katastrophe" zu tun.

Die Lausitzer Rundschau (Paywall) fragt, warum die polnischen Behörden Deutschland bisher nicht über ein "großes Fischsterben in der Oder um den 28. Juli" informiert haben.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtet, dass in Wasserproben Quecksilber festgestellt worden sei, am Abend läuft eine Sondersendung zum Fischsterben.

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12. August: Erste deutsche Agenturmeldungen über das Fischsterben. Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kritisiert Polen dafür, dass die vorgesehene Meldekette nicht funktioniert hat. Krzysztof Niemczuk, der Leiter des Staatlichen Forschungsinstituts in Puławy, erklärt, bisher keine Fische erhalten zu haben.

Grzegorz Witkowski, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur, erklärt vor laufenden Kameras, man könne jederzeit in der Oder schwimmen gehen, verzichtet aber dann doch auf einen Sprung ins kühlende Nass.

Ministerpräsident Mateusz Morawiecki entlässt Polskie-Wody-Chef Przemysław Daca und Michał Mistrzak, den Vorsitzenden der Umweltbehörde, weil sie ihn zu spät informiert hätten.

13. August: Die konservative Verfassungsrichterin Krystyna Pawłowicz kritisiert, dass man die Schuldigen lediglich auf der polnischen Seite des Flusses sucht. "Wird auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Oder von der deutschen Seite aus vergiftet wurde?", twittert sie und fragt bei der Gelegenheit auch gleich, in "wessen Interesse es wohl sei, die Oder zu vergiften".

Allerdings erreicht die Oder erst bei Flusskilometer 542, also 326 Kilometer abwärts der ersten Kadaverfunde, die deutsche Grenze.

Für Hinweise, die zur Ergreifung eines Täters führen, bietet die Polizei eine Million Złoty (210.000 Euro).

14. August: Brandenburgs Umwelt- und Landwirtschaftsminister Axel Vogel wird bei seinem Besuch in Stettin (Szczecin) nach angeblichen Quecksilberfunden gefragt. Daraus macht der Übersetzer des staatlichen polnischen Fernsehens TVP die Frage, ob er wirklich gesagt habe, dass das Oderwasser so ätzend sei, dass man keine Hand hineinstecken könne. Vogel erklärt, diese Aussage sei ihm nicht bekannt, und verweist auf die gemessenen hohen pH-Werte.

Polnische Medien berichten darauf, dass Vogel erklärt habe, es sei kein Quecksilber im Wasser gefunden worden, dieser dementiert.

15. August: Polens Umweltministerin Anna Moskwa hat ihren Urlaub unterbrochen und empfängt ihre deutsche Amtskollegin Steffi Lemke. Die Politikerinnen verkünden, dass Deutschland und Polen mit einer gemeinsamen Taskforce dem massiven Fischsterben entgegentreten wollen.

16. August: In Polen wird berichtet, dass in Kanälen südlich von Stettin (Flusskilometer 741) tote Fische gefunden wurden.

Vizegeneralstaatsanwalt Krzysztof Sierak erklärt, die eigens eingesetzten Sonderermittler hätten bisher 228 Zeugen angehört, zwölf Ortsbesichtigungen durchgeführt sowie von 24 Behörden die Herausgabe von Akten verlangt. Ergebnisse gibt es allerdings nicht zu vermelden.

Die "Stiftung zum Monitoring von Antipolonismus" kündigt eine Anzeige gegen den polnischen Angelverband an, weil dessen Vorsitzende Beata Olejarz von Hautreizungen nach Wasserkontakt berichtet hatte.

17. August: Christian Wolter vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei berichtet, dass im Oderwasser die Mikroalge Prymnesium parvum gefunden wurde. Diese lebt allerdings normalerweise im Brackwasser, wo sich an Flussmündungen Süß- und Salzwasser vermischen. Wolter zufolge braucht die Alge hohe pH-Werte und Salzgehalte, um zu gedeihen. Er sieht einen Zusammenhang zwischen einer Salzeinleitung und der Algenentwicklung.

18. August: Auch Polen berichtet über den Fund toxischer Algen. Umweltministerin Moskwa erklärt, das Institut für Binnenfischerei in Olsztyn habe "Mikroorganismen, sogenannte Goldalgen", in Wasserproben gefunden. Die Blüte dieser Algen könne das Auftreten von Toxinen verursachen, die Wasserorganismen wie Fische und Muscheln töten, aber für den Menschen nicht schädlich seien.

Prymnesium parvum wird gelegentlich auch Goldalge genannt, dies ist aber kein biologischer Begriff. Mehrere Arten werden so bezeichnet, weil sie golden schimmern. Weder vom Institut für Binnenfischerei in Olsztyn noch vom polnischen Umweltministerium war am Donnerstag in Erfahrung zu bringen, wie der lateinische Name für die von Ministerin Moskwa genannte Goldalge lautet und ob es sich um die gleiche Algenart handelt, die in Deutschland entdeckt wurde. (Bert Eder, 19.8.2022)