Die Autorin Petra Ganglbauer.

Foto: Marko Lipus. Copyright P.G.

Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern betreffend Arbeitsbedingungen und Bezahlung ist ein weites, nach wie vor brisantes, gesellschaftliches Themenfeld. Diese Polarisierung prägt den Arbeitsmarkt. Es gibt genügend messbare Indikatoren für das nach wie vor strukturelle Ungleichgewicht.

Ich werde mich im folgenden Beitrag jedoch auf den Kunst bzw. Literaturbetrieb – unter Einbindung ganz persönlicher Erfahrungen – konzentrieren, nehme aber gleich vorweg, dass eine solche Auseinandersetzung nur subjektiv und punktuell erfolgen kann. Vom Publizieren kann Frau (bis auf wenige Ausnahmen) nicht leben. Das steht fest.

Schreibende Frauen müssen daher oftmals viele Rollen abdecken und sie tun es bereitwillig, bisweilen bis zur Selbstausbeutung. Reicht die Kraft für diese Tätigkeiten nicht, geraten sie nicht selten in existenzielle Not. Finanziell zu kämpfen haben durchaus auch jene, die etabliert sind. Immer wieder klagen Kolleginnen, die sehr bekannt sind, über die Schwierigkeit, ihr finanzielles Auslangen zu finden.

Missverhältnisse, Löschungen

Schon vor Jahren erzählten mir befreundete Künstlerinnen, sie seien zu alt für Preise und Auszeichnungen. Schon damals galt offenbar das biologische Alter als Maß für die Qualität von künstlerischer Arbeit, nicht die Qualität oder auch Reife der Arbeit. Ich zeigte mich jedes Mal erstaunt und erklärte, das sei bei uns im Literaturbetrieb anders.

Jedoch viele Mechanismen, die sich vor einigen Jahrzehnten bereits in den Bildenden oder Fotokunst-Kunst-Betrieb eingeschlichen hatten – etwa die Limitierung der Altersgrenze bis 30 oder 40 bei Ausschreibungen von Preisen oder Stipendien nach oben –, flossen irgendwann auch in den Literaturbetrieb ein. Immer wieder tauchten Alterslimitierungen bei Ausschreibungen auf. Gerade in den Jahren 2012, 2013 wurde mir diese Entwicklung sehr bewusst.

Zum 50. Todestag Veza Canettis im Jahr 2013 gaben die Bildende Künstlerin Gertrude Moser Wagner, die Lektorin Karin Ballauff und ich eine Anthologie mit dem Titel Veza lebt im Promedia-Verlag heraus. Die wichtigsten Bedingungen, welche wir in der Ausschreibung stellten, waren, dass die Autorinnen über 40 sein mussten und gesellschaftskritische, formal ansprechende Kurzprosa schicken sollten. Denn die Mischung aus Frau und Alter ist die geeignetste Voraussetzung für gesellschaftsbedingte Schranken.

Immer noch fokussieren gewisse Verleger, Kritiker, Rezensenten, Veranstalter die Literatur von Autoren; immer noch liegen Manuskripte unbekannter älterer Frauen in Schubladen. Und immer wieder erzählen mir jüngere Kolleginnen von ihren Erfahrungen mit Kritikern, Juroren, Kuratoren oder Lektoren. Den Erzählungen ist zu entnehmen, dass sich die Entscheidungsträger oftmals nicht alleine auf die literarische Qualität konzentrieren, sondern gezielt auch auf das jugendliche Alter und das äußere Erscheinungsbild.

Selbstinszenierung

Einige junge Autorinnen wenden eine Selbstinszenierung, welche über das Literarische hinausreicht, ganz bewusst an. Sie drehen den Spieß um. Was neben der literarischen Arbeit für manche Entscheidungsträger offenbar als essenzielles "Beiwerk" gilt, wird von den Autorinnen eingesetzt.

Anlässlich einer Diskussionsveranstaltung im ORF Burgenland vor mehreren Jahren meinte eine junge österreichische Autorin sinngemäß: "Weshalb sollte ich mein Äußeres nicht einsetzen, wenn ich weiß, wie es geht." In dem informativen Buch Ich und die Medien von Christine Grond-Rigler, erschienen im Studienverlag, wird auf das den schreibenden Frauen vom Markt zugewiesene, (mittlerweile schon historische) Rollenspektrum verwiesen. Dieses reicht vom "Fräuleinwunder" bis zur "Marke".

Bei der Buchpräsentation von Veza lebt im ESRA, 2013, wiesen wir unter anderem auch auf die große Unterrepräsentanz von Literaturpreisen hin, die Namen von Autorinnen tragen, um ihrer zu erinnern und zeitgleich das strukturelle Problem der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Literaturbetrieb aufzuzeigen.

Die Stadt Wien vergibt seit dem Jahr 2014 den Veza Canetti-Preis für das jeweils bisherige Lebenswerk von AutorInnen. Ein entscheidendes, wichtiges Signal!

Es liegt eine lange Geschichte der Lücken in der literarischen Landschaft hinter uns; eine Geschichte, die Künstlerinnen und Schriftstellerinnen über Jahrhunderte weg überging. Die lediglich da und dort ein Flackern zuließ, mehr nicht. Oft wurden jene Frauen, die schöpferisch in ihrem Denken und ihrer Arbeit waren, auf ihre Rolle als Musen heruntergebrochen.

Mir kommen unwillkürlich die DADA-Vertreterinnen oder jene des Futurismus in den Sinn. Entdeckt wurden viele Schriftstellerinnen und Künstlerinnen im Laufe der Geschichte leider viel zu spät oder gar nicht.

Einsatz und Schreiben

Zudem gibt es eine lange Tradition schreibender Frauen im Schatten schreibender Männer. Viele von ihnen stellten sich selbst zurück und ihre Arbeit in den Dienst ihrer Partner. Manche von ihnen wurden mit viel Glück nach ihrem Tod (oft erst Jahrzehnte danach) als Autorinnen entdeckt. Erwähnt sei wiederum das tragische Autorinnenschicksal an der Seite eines Nobelpreisträgers: jenes von Veza Canetti.

Eine, leider inzwischen verstorbene, österreichischen Autorin beklagte sich vor vielen Jahren bei mir, dass sie trotz ihres Renommees nach wie vor von manchen Veranstaltern für die gleiche Lesezeit weniger Honorar angeboten bekäme als ihr Lebenspartner, der ebenfalls Autor war. Am schlimmsten empfand sie es, wenn beide gleichzeitig an einer Veranstaltung teilnahmen.

Auch Friederike Mayröcker erinnere ich, die in Graz anlässlich einer gemeinsamen Lesung vor Jahrzehnten einforderte, dass ich als junge Autorin gleich viel bekommen solle wie sie. "Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn man eine junge Autorin ist. Wie man da kämpfen muss", sagte sie zu mir. Ich war gerührt und begriff sicher noch nicht ganz, was auf mich in den darauffolgenden Jahrzehnten zukommen würde.

Flapsige Kommentare

Ich lebte zu jener Zeit in der Steiermark mit einem Dichter zusammen, dessen Arbeit zweifelsohne avanciert ist. Dennoch lässt sich bis heute nicht erklären, warum meine, ganz subjektiv betrachtet, nicht minderwertige literarische Arbeit von den ausschließlich männlichen Entscheidungsträgern oftmals bewusst übergangen wurde. "Gedichterln", als flapsigen Kommentar erinnere ich noch. "Lyrischer Anstrich", ebenso. Sie verwendeten mich zeitweise als "Sekretärin", die meinem damaligen Lebensgefährten telefonische Botschaften ausrichten durfte.

Jahre später, ich lebte längst nicht mehr in der Steiermark, traf ich in der Grazer Altstadt eine lokale literarische Vaterfigur. Wir grüßten einander und das Einzige, was er mich fragte, war, ob ich noch schriebe. Ich war einigermaßen erstaunt, war doch offensichtlich, dass ich bereits viele Jahre kontinuierlicher literarischer Arbeit hinter mir hatte. Auch einige Publikationen.

Derselbe begegnete mir anlässlich einer Diskussionsveranstaltung in Wien, zu der wir beide als Teilnehmende geladen waren, ein paar Jahre später wieder. Und wiederum stellte er mir diese Frage, während er sich bei einem Kollegen neben mir ganz automatisch nach seinem neuesten Werk erkundigte.

Krafträuber

Ignoranz ist eine der stärksten Waffen, sie kann der oder dem, die oder der sie erfährt, enorm viel Kraft rauben.

Ich wehrte mich jedoch auf meine Weise. Ich schrieb im Band Schriftstellerinnen sehen ihr Land, herausgegeben von Barbara Neuwirth, 1995 im damaligen Wiener Frauenverlag, heute Milena-Verlag, erschienen:

"Immer schon: Vorschreiben statt Weiterdichten, Tarnung, patriarchalisches Geratter, Ge-vater…Die verabsolutierte Struktur". Und an anderer Stelle: "Was oszillierte, stoerte….war fremd und sollte bei und fuer sich bleiben."

Diese Worte galten Graz und seinem damaligen Literaturbetrieb.

Die IG Feministische Autorinnen äußert sich auch jetzt entsprechend radikal zur Lage von Künstlerinnen: "Das weibliche Werk ist nach wie vor verachtet.

Misogynie in Kunst und Kultur ist nach wie vor Alltag und strukturelle Benachteiligung von Literatinnen beherrscht den Literaturbetrieb. Daher brauchen wir feministische Narrative in allen Lebensbereichen."

Die Stimme erheben

Ich habe im Zuge der Reihe Autorinnen feiern Autorinnen, die von der Stadt Wien veranstaltet wird, ein Buch über Jeannie Ebner bei Mandelbaum veröffentlicht. Eine Autorin, die mutig, wehrhaft ihre Stimme erhob, weil sie sich für sozial minder Bemittelte einsetzte. Eine Autorin, die überdies viele Rückschläge erfuhr. Sie nahm auch sozial untergeordnete Rollen ein, um entsprechend Geld zu verdienen. Sie, die zeitlebens aktiv, handlungszentriert und kulturpolitisch engagiert auch andere AutorInnen förderte, ist heute kaum mehr bekannt.

Einsatz zeigen, Stimme erheben, scheinen auch heute nicht so zielführende Qualitäten im Hinblick auf Förderungen zu sein. Es scheint als interferiere das Engagement mit dem Schreiben. Als bezweifelten jene, die über Können oder Nicht-Können entscheiden, dass Schreiben und kulturpolitischen Einsatz als Gesamtpaket bei Frauen glaubwürdig und denkbar sind.

Abwärtsspirale oder Aufwind?

Viele schreibende Frauen leben nach wie vor in prekären Verhältnissen. Durch die jüngsten Tendenzen infolge Corona hat sich die Lage noch verschärft. Notlagen fördern nicht, wie traditionellerweise als Klischee behauptet, die künstlerische Produktivität. Das mag in ganz wenigen Fällen stimmen, jedoch eher im Sinn von "Arbeit als einziges Rückgrat".

Schreibende Frauen beziehungsweise Künstlerinnen an sich verwehren sich auch nicht selten der Mutterschaft. Es scheint für sie unmöglich, die Erwerbstätigkeit zu unterbrechen, während Autoren oder Künstler immer wieder Partnerinnen finden, die sie materiell oder auch zeitlich unterstützen, weshalb sie leichter Familien gründen können. Die Unsicherheit ihrer Existenz jedoch lässt viele Künstlerinnen davor zurückschrecken, auch noch ein Kind in die Welt zu setzen.

Ich weiß, es ist ein Leichtes, Behauptungen aufzustellen, die nicht faktisch rückgebunden sind. Freilich ist evident, dass die junge Autorinnengeneration heute ein anderes Selbstverständnis hat. Dass sich die Strukturen langsam aber doch wandeln. Hoffen wir es zumindest.

Gerhard Ruiss und Ulrike Stecher von der IG-Autorinnen Autoren stellten mir für diesen Beitrag von ihnen erhobene Statistiken und stichprobenartig erhobene Daten zur Verfügung. Demnach gibt es in manchen Förderbereichen im Kontext Literatur in den letzten Jahren in Österreich eine gewisse Tendenz, die für die Frauen spricht.

Dennoch heißt es kritisch abwarten und beobachten. (Petra Ganglbauer, ALBUM, 20.8.2022)