Ins Büro von Wolfgang Peschorn geht es über die Festtreppe des Palais Rottal im Herzen der Wiener Innenstadt, in dem die Finanzprokuratur ihren Sitz hat. In zwei Jahren soll hier alles lichtdurchflutet sein: Das Barockpalais wird umgebaut.

STANDARD: Der Rechnungshof übt in einem Rohbericht massive Kritik an der staatlichen Cofag, die die Covid-Hilfen abwickelt. Er bemängelt den Einsatz vieler externer Berater, man hätte die Expertise der Beamten nützen sollen. Sie haben sich der Kritik angeschlossen. Hätte es die Cofag schlicht nicht gebraucht?

"Letztlich verbindet immer das Geld": Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, ortet Berater- und Interessennetzwerke – auch in der Cofag.
Foto: Regine Hendrich

Peschorn: Eigentlich geht es um Entschädigungen, die angesichts der behördlichen Maßnahmen in der Pandemie ausgezahlt wurden. Und je genauer, treffsicherer und einfacher diese Entschädigungen aufgebaut und zu vollziehen sind, umso weniger Ressourcen braucht man. Es war aber durchaus herausfordernd, diese Maßnahmen zu vollziehen. Regelungen sind dann gelungen, wenn sie die Gegenprobe bestehen: wenn die Bürgerinnen und Bürger sie verstehen, ohne Erklärungsaufwand. Und wenn sie zufrieden sind und das Gefühl haben, dass ihnen rasch geholfen wurde. Ich glaube, da gibt es viel Kritik. Aber rückblickend ist man immer gescheiter.

STANDARD: Wenn nicht die Cofag: Wer hätte die Förderungen abwickeln sollen?

Peschorn: Natürlich müsste der erste Gedanke sein, die Verwaltung zu verwenden. Die war ja im März 2020 da, die Cofag wurde extra zur Abwicklung der Entschädigungen gegründet. Ich sehe keinen Grund, dass die Cofag notwendig war, zumal ihre Aufgaben auch die Abbag, die Cofag-Muttergesellschaft, übernehmen hätte dürfen. Und es gibt auch in der Finanzverwaltung eine wichtige Schnittstelle zu den Förderungen, denn sie ist für die Betrugsbekämpfung, Einholung von Kennzahlen der Unternehmen aus der Vergangenheit oder den Nachweis für steuerliches Wohlverhalten zuständig. Wobei man nicht übersehen darf, dass die Finanz in den vergangenen Jahrzehnten massiv an Ressourcen verloren hat, da wurde sehr viel eingespart. Auch hier hätte man die Ressourcen stärken müssen – aber das ist sowieso ausständig, denn die gesamte Verwaltung steht auch vor demografiebedingten Personalproblemen. Und jetzt ist die Finanz sowieso damit beschäftigt, im Rahmen der regulären Betriebsprüfungen zu schauen, ob Förderungen erschlichen wurden.

STANDARD: Die Prüfer kritisieren auch die Mehrfachbezüge und -funktionen von Ex-Cofag-Chef Bernhard Perner. Er führt auch die Cofag-Mutter Abbag und stand sich in der ersten Cofag-Eigentümerversammlung quasi selbst gegenüber. Wie kann so etwas zugelassen werden?

Peschorn: Das ist mir auch unverständlich.

STANDARD: Perner war vor seiner Tätigkeit in der staatlichen Abbaugesellschaft Abbag im Kabinett des Finanzministers, die türkise ÖVP hat gern "steuerbare" Leute auf Posten in staatlichen oder staatsnahen Unternehmen gesetzt. Sehen Sie bei der Cofag solche politischen Interessen?

Peschorn: Ich sehe immer wieder dieselben handelnden Personen. Auch bei Abbag und ihrer Tochter Cofag sieht man, wie da zusammengearbeitet wurde: In der Abbag war zunächst Ex-Banker Michael Mendel Geschäftsführer und dann Perner, in der Cofag war Mendel bis August Aufsichtsratsvorsitzender, und auch in der Hypo-Alpe-Adria-Abbaugesellschaft Heta. Und er war im Vorstand der Volksbank-AG-Abbaugesellschaft Immigon.

STANDARD: Vielleicht sind diese Manager so gut, dass man sie immer wieder braucht?

Peschorn: (schweigt)

"Berater- und Interessennetzwerke" ortet Peschorn schon lang, auch bei der staatlichen Heta, die die Kärntner Hypo Alpe Adria abwickelt. Die musste 2009 verstaatlicht werden.
Foto: Reuters/Hans-Peter Bader

STANDARD: Sie reden oft über solche Netzwerke, das taten Sie schon in Zeiten der Verstaatlichung der Kärntner Hypo Alpe Adria Ende 2009. "Peschorns Verschwörungstheorie", wie Ihre Kritiker sagen?

Peschorn: Man sieht das im Fall Cofag sehr deutlich. Da gibt es eine Gruppe von Personen mit gemeinsamen Interessen, die sie unter Mithilfe gut entlohnter Berater verfolgen. Die Republik Österreich kann in diesem Setting nicht mehr jenen Einfluss nehmen, der eigentlich erforderlich wäre.

STANDARD: Worum sollte es da gehen: um Macht? Um Geld?

Peschorn: Letztlich verbindet immer das Geld – und da braucht es nicht einmal einen großen Plan wie bei einem James Bond. Und das Geld kommt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, denn staatliche Gesellschaften wie Abbag oder Cofag lukrieren keine Gewinne und werden von der Republik am Leben erhalten. Das Gleiche gilt auch für manche ausgegliederten Gesellschaften. Die Frage ist, wie weit da vergessen wird, dass man durch Steuergeld finanziert wird.

STANDARD: Der Partner einer großen Wiener Anwaltskanzlei hat laut Rechnungshof zunächst höchstselbst Protokoll geführt bei Cofag-Sitzungen. Das allein hat 125.000 Euro gekostet ...

Peschorn: Und das könnte der sein, der schon 2008 bei der Notverstaatlichung der Kommunalkredit als Berater von Volksbanken-AG-Vorstand Mendel tätig war. Später beriet er bei der Heta, nun bei der Cofag. Alles Gesellschaften, in denen Mendel Organfunktion hatte.

STANDARD: Laut Rechnungshof hat man sogar die Textierung der Gesetzesentwürfe Externen überlassen. Herrscht da Misstrauen gegenüber den Beamten?

Peschorn: Das weiß ich nicht. Aber es scheint so, dass ein kleiner Kreis von Leuten unter sich bleiben und nicht darauf angewiesen sein will, dass Staatsbedienstete, die dem Gesetz verpflichtet sind, Einspruch gegen das eine oder andere ihrer Vorhaben einlegen oder noch etwas einfordern, was für die gesetzesgemäße Umsetzung der Pläne erforderlich ist. Viele dieser Leute empfinden die Vorgaben des Gesetzgebers als belastend, umgehen sie lieber und fühlen sich in diesem Rahmen freier.

STANDARD: Ganz neu ist das aber nicht.

Peschorn: Nein, aber die Auswirkungen haben sich in den vergangenen Jahren zulasten der Steuerzahler verstärkt. Denn die Ausgaben des Staates im privatwirtschaftlichen Bereich haben sich etwa durch Bankenrettungen oder Covid-19-Hilfen unglaublich erhöht: Der Kuchen an Geld, an dem man teilhaben kann, ist also viel größer geworden.

Öbag-Alleinvorstand Thomas Schmid ließ sich von Anwältin Edith Hlawati beraten. Nun ist sie Chefin der staatlichen Industrieholding Öbag.
Foto: APA/Hans Punz

STANDARD: Die staatliche Industrieholding Öbag wird von Edith Hlawati geführt, sie hat die Öbag davor als Anwältin beraten. Fällt das auch in Ihre Berater- und Interessennetzwerk-Theorie?

Peschorn: Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand. Natürlich wäre es möglich gewesen, jemanden zu bestellen, der nicht vorher Alleinvorstand Thomas Schmid bei der Geschäftsführung der Öbag beraten hat.

STANDARD: Öfter als früher wechseln Kabinettsmitarbeiter in führende Positionen der jeweiligen Ministerien, nicht immer haben sie die entsprechende Ausbildung. Wird so die Verwaltung politisiert und ausgehöhlt?

Peschorn: Diese Entwicklung gibt es schon sehr lang, sie hat sich in den vergangenen Jahren nur rasant beschleunigt. Aber ich will schon eine Lanze für sehr viele Kabinettsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter brechen: Da gibt es ganz ausgezeichnete Leute, die für viele Positionen sehr geeignet sind, ob in Privatwirtschaft oder Verwaltung. Es darf auch kein Makel werden, in einem Kabinett gearbeitet zu haben – ganz im Gegenteil. Es muss nur alles mit rechten Dingen zugehen bei den Besetzungen: Die Qualifikation muss den Ausschlag geben und nicht unsachliche Kriterien oder die besten Verbindungen.

STANDARD: Perner gilt als Fachmann.

Peschorn: Ja, er verfügt über großes Wissen und kann gut organisieren, das ist gar keine Frage. Und noch zum Vertrauen in Staat und Verwaltung: Wichtig ist, dass beide Kontinuität haben – gerade in Zeiten der Umbrüche, wie sie jetzt gerade stattfinden.

STANDARD: Und gibt es diese Kontinuität?

Peschorn: Wir erleben gerade große Umbrüche im Energiebereich. Der Staat hat sich vieler seiner Handlungsmöglichkeiten begeben, er kann zwar Gas und Strom zukaufen, unmittelbar aber nicht auf die Preisgestaltung einwirken – etwa beim Verbund, weil er nicht mehr bestimmender Aktionär ist. Wir müssen nun überlegen, was der Staat notwendigerweise selbst in der Hand haben soll, um den Menschen über die Zeit hinweg ihr Dasein zu sichern. Dazu gehört eben auch eine gut funktionierende Verwaltung, die unter unmittelbarer staatlicher Einflussnahme steht.

STANDARD: Die Cofag hat bisher rund 17 Milliarden Euro vergeben, wohin genau das alles geflossen ist, weiß man noch nicht. Mit der Transparenz ist es nicht weit her?

Peschorn: Nach Bekanntwerden des Rohberichts war die Überraschung groß. Transparente Vorgänge erzeugen solch eine Reaktion nicht. (Renate Graber, 20.8.2022)