Das Fachmarktzentrum am Ortsrand, das nur mit dem Auto zu erreichen ist: ein klassisches Beispiel für schlechte Baukultur. Doch Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiterinnen sind motiviert und wollen lernen. Die Nachfrage beim Kärntner Lehrgang ist groß.

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Will sich in einer ländlichen Gemeinde ein Industriebetrieb ansiedeln, ist die Freude in der örtlichen Politik meist groß. Denn so ein Unternehmensstandort bringt Arbeitsplätze und somit Einnahmen. "Doch man darf sich nicht nur von der einen Karotte treiben lassen, die einem vorgehalten wird", sagt Roland Gruber, Gründer und Geschäftsführer vom Architekturbüro Nonconform.

Die Gemeinde müsse umfassender denken und mit dem Unternehmen überlegen, wo die zukünftige Belegschaft des Betriebs wohnen wird, wie es um die Verpflegung mit der örtlichen Gastronomie steht und wie der Weg in die Arbeit auch ohne Auto zurückgelegt werden kann. "Tut man das nicht, entstehen substanzlose Kisten an raumplanerisch falschen Orten, die vielleicht Arbeitsplätze, aber keine Lebensqualität bringen", sagt Gruber.

Diffuses Wissen

Doch das ist nicht allen lokalen Entscheidungsträgern klar. "Gemeinden wissen oft nicht, wie sie ihre Kompetenzen nutzen können, und haben meist ein sehr diffuses Wissen, was überhaupt ihr Einflussbereich ist", sagt Robert Temel, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik. Die Folge ist, dass Gemeinden zu viele Entscheidungen aus der Hand geben – und zwar an die vermeintlichen Profis: Investoren, die allerdings oft nur ihre eigenen Vorteile im Sinn haben.

Schlechte Baukultur entsteht in Österreich also häufig aus Unwissenheit aufseiten von Politik und Verwaltung. Klar ist, dass nicht alle, die dort arbeiten, ein abgeschlossenes Studium in Architektur oder Raumplanung haben können. Sie dennoch in Baukultur aus- bzw. weiterzubilden, das ist ein erstrebenswertes Ziel.

Vorbildliches Kärnten

Kärnten geht hier mit gutem Beispiel voran: Dort können Bürgermeisterinnen, Bauamtsleiter, Ziviltechnikerinnen und Studierende aktuell an der Fachhochschule Spittal an der Drau an einem Baukulturlehrgang teilnehmen, der vom Kulturministerium gefördert wird. Ortskernstärkung, Leerstand, Bürgerinnenbeteiligung und Mobilität waren nur einige der Themen der letzten Module. Zudem wurde an konkreten Fallbeispielen gearbeitet, die die Teilnehmenden aus ihren Gemeinden selbst mitbrachten.

Elias Molitschnig vom Amt der Kärntner Landesregierung hat den Lehrgang mitorganisiert und erzählt: "Viele der Teilnehmenden wollen aktiv den Lebensraum in ihrer Gemeinde für künftige Generationen verbessern, und sie wissen, dass es in der Vergangenheit in Kärnten schon viel Zerstörung gegeben hat. Sie wollen wissen, was sie jetzt noch tun können."

Einige der Teilnehmer waren nach dem Austausch mit ihren Kolleginnen überrascht, dass viele Gemeinden ganz ähnliche Probleme haben. Genau darum gehe es, sagt Elsa Brunner, die im Kulturministerium für Baukultur verantwortlich ist: "Es gibt einen starken Vernetzungsgedanken. Im Idealfall rufen sich die Teilnehmenden auch nach den Seminaren noch an und fragen einander in dem einen oder anderen kniffligen Fall um Rat."

Immense Auswirkungen

Unklarheit besteht bei Laien oft schon beim Begriff "Baukultur" an sich. Dabei geht das Thema alle an und gemeint ist nicht bloß Architektur. Der Bereich beschäftigt sich damit, wie unser gesamtes Umfeld gestaltet ist, also jene Räume, in denen wir uns alle täglich bewegen. "Beim Bauen hat jede Entscheidung immense Auswirkungen, und zwar über Jahrzehnte", sagt Temel.

Umso wichtiger ist, dass nachhaltig geplant und gebaut wird. Seminare, wie jenes in Kärnten, sollte es in allen Bundesländern geben, so die Forderung. Das Problem: Auch wenn sterbende Ortskerne sowie Bodenverbrauch oft schon Thema sind, werde Baupolitik in den meisten Bundesländern politisch noch zu wenig thematisiert, sagt Temel: "Es eine Querschnittsmaterie, niemand ist so richtig verantwortlich."

Ein erster Samen gehe nun jedenfalls auf, freut sich Brunner: Es habe sich herumgesprochen, dass es in Kärnten diesen Lehrgang gibt. Nun liege es an den anderen Bundesländern, aktiv zu werden.

Exkursion im Herbst

Im Herbst geht der Lehrgang mit einer Exkursion in Vorbildgemeinden weiter, eine Anmeldung dazu ist aktuell noch möglich. Und im nächsten Jahr sollen die Seminare erneut stattfinden, schon heuer gab es doppelt so viele Anmeldungen wie freie Plätze.

Die Veranstalter und Vortragenden freuen sich darüber. Einer von ihnen ist Roland Gruber, der – um auf das Beispiel des Industriebetriebs zurückzukommen – die Seminar-Teilnehmenden darin bestärkte, dass man so ein Projekt auch mal ablehnen dürfe. Vor allem, wenn der Betrieb nicht in Ortskernnähe angesiedelt werden könne und es somit nicht gelingt, eine gewisse Lebensqualität zu schaffen. (Bernadette Redl, 21.8.2022)