Die Stromversorgung war am Donnerstag teils großflächig ausgefallen, auch am Freitag waren noch rund 11.500 Haushalte ohne Strom.

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Nach den heftigen Unwettern vom Donnerstag sind zahlreiche Stellen mit Aufräumarbeiten und mit der Aufarbeitung der fünf Todesfälle beschäftigt. Im Kärntner Lavanttal waren bei einem Badesee zwei Mädchen von umstürzenden Bäumen erschlagen worden. Mittlerweile hat ein Sachverständiger die Arbeit aufgenommen, das hat eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Klagenfurt bekanntgegeben.

Durch umstürzende Bäume, abgebrochene Äste und umherfliegende Gegenstände wurden insgesamt 16 Personen, darunter sieben Kinder, zum Teil schwer verletzt. Die beiden getöteten Mädchen aus dem Bezirk Wolfsberg waren drei (nicht vier, wie zunächst berichtet) und acht Jahre alt.

Das Gelände des Badesees wurde behördlich gesperrt.
Foto: apa / erwin scheriau

Das Gelände des Badesees wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft
gesperrt. "Konkret wird untersucht, ob die Bäume sachgemäß geschnitten und betreut wurden. Die Untersuchungen drehen sich um die Frage, ob die Unwetterschäden hätten verhindert werden können", so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Bis das schriftliche Gutachten vorliegt, wird es wohl einige Wochen dauern.

Baumstürze als Todesursache

In Gaming (Bezirk Scheibbs) waren drei Frauen im Alter von 52, 57 und 58 Jahren ebenfalls durch umstürzende Bäume ums Leben gekommen. Die Alpinpolizei stellte mittlerweile fest, dass die Bäume augenscheinlich keine Vorschäden aufgewiesen hatten.

Bäume mit großen Kronen bieten dem Wind mehr Angriffsfläche.
Foto: privat

Grundsätzlich sei es nicht ungewöhnlich, dass Bäume durch Wind umfallen, sagt Hubert Hasenauer, Leiter des Instituts für Waldbau an der Universität für Bodenkultur in Wien, zum STANDARD. "Aber die Heftigkeit des gestrigen Sturms ist natürlich außergewöhnlich." Die starken Böen erklären die zahlreichen Baumstürze am Donnerstag – der Regen spiele dabei keine große Rolle. Je nach Baum und Beschaffenheit wird dieser entweder entwurzelt oder bricht am Stamm. Ab 60 bis 70 km/h wird es laut Hasenauer für viele Bäume kritisch – Exemplare mit großen Kronen bieten naturgemäß auch mehr Angriffsfläche.

Südbahn noch den gesamten Freitag unterbrochen

Die Unwetter verursachten auch enorme Störungen im Bahnverkehr, am Donnerstag stellte die ÖBB den Verkehr in Kärnten, Osttirol und der Steiermark zeitweise zur Gänze ein. In der Nacht wurden nach den heftigen Unwettern Aufräum- und Reparaturarbeiten durchgeführt, zahlreiche Streckensperren konnten bereits behoben werden.

Die Unterbrechung auf der Südstrecke für die Verbindung von Wien nach Villach und umgekehrt wird noch mindestens bis Mitternacht andauern, hieß es am Freitag in einer Aussendung. Reisende können über Salzburg ausweichen. Der Normalbetrieb kann voraussichtlich erst am Montag wiederhergestellt werden.

Ausweichen über Salzburg, Straßen frei

"Wir raten dazu, wenn möglich, Fahrten nach und von Kärnten auf morgen zu verschieben. Die Tickets behalten ihre Gültigkeit", sagte ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder am Freitag. Fahrgäste von und nach Kärnten können über die Weststrecke via Salzburg ausweichen, Tickets werden hier auch anerkannt. Aufgrund der Alternativverbindung erhöht die ÖBB die Kapazitäten von Salzburg Richtung Villach und Klagenfurt.

Die Straßen sind hingegen fast vollständig frei: Lediglich die Knappenberger Straße (L90) zwischen Vierlinden und Knappenberg in Kärnten war nach einem Felssturz in beiden Richtungen gesperrt. Die Sperre bleibt voraussichtlich bis zur Beurteilung durch einen Geologen aufrecht.

Tausende Haushalte noch immer ohne Strom

Nach teils großflächigen Stromausfällen sind am Freitag in Kärnten und der Steiermark noch rund 11.500 Haushalte ohne Strom. Grund dafür sind etliche ausgefallene Trafostationen. Wann wieder alle Haushalte mit Strom versorgt werden, können die Netzbetreiber derzeit nicht sagen.

APA

Gegen 15.30 Uhr hatte der Sturm am Donnerstag in Kärnten zu wüten begonnen – allerdings keine zehn Minuten, hieß es von Augenzeugen. Wegen der Schäden, die der Sturm in dieser kurzen Zeit anrichtete, mussten in Kärnten dutzende Feuerwehren ausrücken.

Niedrige Wahrscheinlichkeit, hohe Intensität

Nikolas Zimmermann, Meteorologe beim Wetterdienst Ubimet, bestätigt auf STANDARD-Anfrage, dass die aktuellen Unwetter überraschend schnell und mit einer unerwarteten Intensität über die betroffenen Gebiete hereingebrochen seien. "Die Wettermodelle gingen von einer zehn- bis 20-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass es die energiereiche Luft aus dem Mittelmeer überhaupt bis nach Österreich schafft", so Zimmermann.

Dazu komme, dass in Kärnten Gebiete betroffen seien, die eher als windarm gelten. Meteorologen sprechen von "low probability, high impact", also "geringer Wahrscheinlichkeit, heftiger Auswirkung". Zum Teil seien die Gewitter mit 100 km/h über den Süden Österreichs gezogen – mit Rekordwindböen bis 139 km/h. Das seien Geschwindigkeiten, die eher von Winterstürmen bekannt seien. Wetterwarnungen seien am Donnerstag sofort versendet worden, sobald sich die tatsächliche Situation angebahnt habe. Auch am Freitag sei mit heftigen Gewittern vor allem in Ostösterreich zu rechnen.

Zusammenhang mit Klimawandel wird untersucht

Ob der Klimawandel schon jetzt dazu führen wird, dass sich extreme Unwetter häufen, sei noch unklar. Es gebe Studien, die darauf hinweisen. Andererseits habe es auch in der Vergangenheit immer wieder schwere Wetterereignisse gegeben. Aktuell wird ein Zusammenhang mit maritimen Hitzewellen untersucht. Dass sich heuer das Meer etwa bei Korsika auf bis zu 30 Grad Celsius erwärmt habe, führe dazu, dass sich mehr Energie in den Luftmassen anreichere. Die aktuelle Gewitterlage hat schwere Schäden von Korsika über die Toskana und Norditalien bis nach Kärnten und der Steiermark angerichtet.

2,7 Grad mehr – darauf steuern wir im Moment zu. Unsere Infrastruktur ist darauf nicht ausgerichtet. Wie sehr die Klimakrise Straßen, Gebäuden und unserem Gesundheitssystem zusetzt und wie wir uns daran anpassen können.
DER STANDARD

ZAMG warnte schon am Mittwoch

Die Zentralanstalt für Geodynamik und Meteorologie (ZAMG) hielt am Freitag im Gespräch mit der Austria Presse-Agentur fest: Mit den ersten Windmessungen über 100 km/h in Kärnten (kurz nach 15 Uhr) habe das Vorhersageteam die Gewitterwarnungen bzw. Sturmwarnungen bis in den Großteil von Niederösterreich, nach Wien und ins Nordburgenland ausgeweitet. Zuvor habe eine Warnung vor Gewittern von der ZAMG schon ab Mittwochvormittag (10.40 Uhr) für Donnerstag für ganz Osttirol und ganz Kärnten sowie Teile der Steiermark bestanden.

Ab Donnerstagvormittag (9.48 Uhr) lag von der ZAMG dann eine gelbe Gewitterwarnung für ganz Osttirol und ganz Kärnten, den Großteil von Salzburg, die Westhälfte der Steiermark, Oberösterreich südlich der Donau und einen Teil des niederösterreichischen Mostviertels vor. Weiters gab es ab diesem Zeitpunkt eine orange Gewitterwarnung für Teile von Osttirol und Oberkärnten. (balm, simo, sefe, APA, 19.8.2022)