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Oft sieht man den Schotter vor lauter Asphaltstraßen nicht. Apps versprechen Abhilfe.

Foto: Getty / franckreporter

Guter Schotter ist rar – zumindest im Asphaltparadies Österreich, wo noch der letzte Pfad in den allerletzten Weiler fein bituminiert ist. Wer auf der Welle des Graveltrends schwimmen will, hat es daher gar nicht so leicht, das Schotterrad in seinem natürlichen Habitat zu bewegen. Mit den richtigen Software-Tools und dem Wissen, wie man damit umgeht, lässt sich die artgerechte Bikehaltung aber etwas leichter verwirklichen.

Choose your weapon wisely

Tools zur Routenplanung am Fahrrad gibt es zur Genüge. Wer sich unter Gravelfreunden umhört erfährt jedoch schnell, dass letztlich nur zwei Behelfsmittel breite Anwendung finden – und das aus guten Gründen. Zum einen ist das die Berliner Start-Up-Erfindung Komoot, zum anderen der kalifornische Platzhirsch Strava. Reine Open-Source-Programme wie BRouter sind zwar kostenlos, können aber in Funktionalität und Usability nicht mit den – zumindest teilweise – kostenpflichtigen Alternativen mithalten.

Strava, mit seinen 95 Millionen Usern oft auch als Facebook für Radfahrer bezeichnet, besticht primär durch seine Möglichkeit, Touren aufzuzeichnen, auszuwerten, und vor allem mit anderen zu teilen. "If it's not on Strava it didn't happen" ist in der Szene mehr als nur ein Stehsatz. Für viele kann die App damit als One-Stop-Shop dienen, um alles über eine Plattform abzuwickeln. Interessantes Feature in der Routenplanung sind die Heatmaps, die optisch anzeigen, welche Wege und Pfade wie oft von Gesinnungsgenossen frequentiert werden. Das kann Neulingen Sicherheit geben, nicht im Nirvana zu stranden, und Routiniers die Chance, dem Strom der Masse auszuweichen. Die optionale 3D-Karten-Ansicht schaut zwar futuristisch aus, der Mehrwert ist aber endenwollend.

Im Cockpit von Komoot. Die Software zeigt verschiedene Untergründe am präzisten an.
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Komoot (28 Millionen User, davon die Hälfte im deutschsprachigen Raum) vertraut nicht nur auf Algorithmen, sondern auch auf die Schwarmintelligenz der Community. Diese markiert Sehenswürdigkeiten oder besonders schöne Streckenabschnitte in der Karte und bestückt sie mit Fotos und Kommentaren, die bei der Planung für Inspiration sorgen. Umsonst ist bekanntlich nichts im Leben, und so auch nicht das, was das Leben von Radler und Radlerin erleichtert. Strava lässt sich – sofern man den vollen Funktionsumfang inklusive Routenplanung nutzen will – seine Dienste 7,99 Euro pro Monat oder 60 Euro pro Jahr kosten. Komoot gibt es deutlich günstiger, nicht zuletzt, da es auf OpenStreetMap aufbaut. Wer Routen nur am Smartphone nutzen und nicht auf ein externes GPS-Gerät transferieren will, kann gratis arbeiten. Ansonsten gibt es einmalig Karten für eine gewünschte Region (3,99 Euro) oder die ganze Welt (19,99 Euro) zu kaufen. Eine teurere Premium-Variante gibt es auch, notwendig ist sie nicht.

Die Reise beginnt am Schreibtisch

Zwar gibt es praktisch alle Routenplaner auch als Apps, ratsam ist es jedoch, es sich für die Planung vor dem PC gemütlich zu machen. Zum einen geht der Überblick am großen Bildschirm nicht so leicht verloren wie am Smartphone. Zum anderen erweist sich der Daumen, zumindest der des Autors, nicht als das Präzisionswerkzeug, das es bräuchte, um eine Route frustrationsfrei auf das Display zu zaubern und abzuändern. Strava hat die Option, eigene Routen per Fingerwisch zu zeichnen, in seiner App ohnehin sehr gut versteckt, was die Vermutung zulässt, dass man den mobilen Kunden gleich die automatisch generierten Routenvorschläge ans Herz legt.

Installieren sollte man die Apps allerdings dennoch. Es soll vorgekommen sein, dass Menschen mit ihren Rädern irgendwo im Wald gestrandet sind und dann dankbar waren, dass sie ein Algorithmus bei der Hand nahm und wieder nachhause lotste. Die Abenteuerlust unter modernen Gravelbikern ist zwar ausgeprägt, aber nicht unbegrenzt. Ratsam ist zudem, einen separaten GPS-Computer zum Navigieren zu verwenden, da einem ordinären Smartphone-Akku meist schneller der Saft ausgeht als der motivierten Bikerin und dann auch die schönste App nichts mehr bringt.

Strava weist Asphalt, Schotter, und geheimnisvolle Wege "ohne Angabe" aus.
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Check und Recheck

Eigentlich beginnt bei der Planung alles ganz simpel: Startpunkt wählen, dann Zielpunkt, fertig. Sollte man meinen. Denn in der Realität empfehlen die Tools selbst im ausgewählten Gravelmodus meist Strecken mit sehr hohem Asphaltanteil, da diese umwegärmer und schneller sind. Das Gravelbike will aber per definitionem nicht die schnellste Linie, sondern die spannendste. Wer es sehr spannend will, lässt sich statt einer "Gravel-" eine "Mountainbike-"Strecke vorschlagen, muss dann aber großes Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Fahrkünste mitbringen. Der konservativere Ansatz, bei dem man nicht vorsorglich das nächste Krankenhaus als Zielpunkt einplant, ist, die Route mittels Drag and Drop auf kleinere Nebenwege zu verlagern – indem man sich etwa bei Komoot an markierten Aussichtspunkten, Streckenabschnitten, oder Denkmälern orientiert.

Dann lässt sich unmittelbar ablesen, wie hoch der Gravelanteil in der gewählten Strecke ausfällt. Spätestens hier schlägt Komoot Konkurrent Strava. Während die US-Amerikaner nur die Kategorien "Schotter", "Asphalt" oder das ominöse "ohne Angabe" ausweisen, präzisieren die Deutschen mit "Kies", "Erde", "Sand" usw. Zudem gibt Komoot an, ob die gewählte Passage über Straßen, Wege oder Single Trails – inklusive Schwierigkeitsgrad – führt. Wer schon einmal mit dem Gravelbike einem solchen Trail höherer Güteklasse in freier Wildbahn begegnet ist weiß diese Information aufrichtig zu schätzen und kann versuchen, sie zu vermeiden.

Erst seit einigen Wochen gibt es bei Komoot zudem das Feature "Trail View", das Offroad-Abschnitte mit Fotos von Userinnen und Usern unterlegt, um einen Vorgeschmack auf das zu geben, was einen vor Ort erwartet. Noch ein zweckdienlicher Hinweis für Neulinge: Steigungen fallen auf nicht asphaltierten Wegen meist heftiger aus als auf Asphaltpisten, die für den automobilen Wochenendverkehr ausgelegt sind. Und sie fühlen sich auch heftiger an. Daher gilt es, in der Planung unbedingt ein Auge auf Steigungsprozente zu haben.

Planen Sie mit dem Unplanbaren

Eine Online-Karte besteht aus Bits und Bytes. Ein Gravelpfad aus Fels und Stein. Vertrauen in Online-Tools ist also gut, Pauschalreisen mit Wohlfühlgarantie bieten sie aber keine. Gerade in Gegenden abseits der Ballungsräume, zu denen wenig Bewertungen und Nutzerdaten vorliegen, sind Angaben zur Wegbeschaffenheit deshalb mit Vorsicht zu genießen.

An ihre Grenzen stoßen die Tools auch bei einem weiteren großen Feind von Radler und Radlerin: dem Fahrverbot. Forstwege sind in Österreich grundsätzlich für den Radverkehr gesperrt, es sei denn, Schilder belegen die Ausnahme. Eine App, die solche Verbotszonen in der Planung berücksichtigt, gibt es noch nicht. Oft werden die Verbote von der Community daher einfach ignoriert. Empfehlenswert ist das nicht, zumal Verwaltungsstrafen von bis zu 730 Euro drohen. Dann wird der gute Gravel nicht nur rar, sondern auch teuer. (Michael Windisch, 20.8.2022)